Verkehrsminister Scheuer Letzte Ausfahrt Wahrheit

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) steht seit dem Scheitern der PKW-Maut massiv in der Kritik. Quelle: REUTERS

Hat Andreas Scheuer bei der Pkw-Maut alles dem CSU-Interesse untergeordnet? Die Opposition will das beweisen. Sollte es gelingen, wäre der Verkehrsminister nur noch schwer zu halten. Dabei hat er auch etwas erreicht.

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Die Woche lief ziemlich gut für Verkehrsminister Andreas Scheuer. Erst sorgte er dafür, „Deutschlands größtes Funkloch“ zu schließen, wie es in der offiziellen Ministeriumsverlautbarung für den Anschluss von mehr als 780.000 Haushalten in Grenzregionen ans schnelle Mobilfunk-Zeitalter heißt.

Und als wäre das allein nicht schon ein großer Erfolg für den zuletzt wenig erfolgsverwöhnten CSU-Politiker, eröffnete Scheuer vor einigen Tagen auch noch 33 Kilometer einer neuen Autobahn im Südosten Bayerns. Die erste Fahrt auf dem frischen Asphalt absolvierte er selbst, standesgemäß in einem Mercedes-Oldtimer.

Es sind Termine wie dieser, die Scheuer an seinem Job so mag. Denn der Verkehrsminister interessiert sich wirklich für Verkehrspolitik und Infrastrukturthemen. Man muss das einmal so deutlich sagen. Schließlich strahlten seine CSU-Vorgänger im Amt stets ein gewisses Desinteresse für das eigene Ressort aus. Scheuer hingegen lässt kaum eine Gelegenheit aus, seine Begeisterung für die Zukunft der Mobilität zu betonen.

Maut-Chaos beseitig – vom Maut-Chaos bedroht

Entsprechend hoch waren die Erwartungen, als Scheuer vor eineinhalb Jahren das Ressort übernahm – und sofort lieferte. Innerhalb kurzer Zeit beendete er den jahrelangen Streit zwischen dem Bund und dem Lkw-Mautbetreiber Toll Collect mit einem Vergleich. Sogar die Grünen waren entzückt. Ja, wirklich.

Jetzt allerdings droht das Chaos bei der Pkw-Maut seine Amtszeit frühzeitig zu beenden. Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) das CSU-Herzensprojekt Ausländermaut beerdigt hat, steht Scheuer massiv in der Kritik. Eine Recherche des „Spiegel“ wirft weitere Fragen auf: Hat er ein Angebot der Betreiberfirmen, vor Vertragsunterzeichnung lieber auf das EuGH-Urteil zu warten, aus wahltaktischen Gründen abgelehnt? Und hat er nach dem Scheitern der Maut den Chef einer Betreiberfirma gar dazu gedrängt, ihm wider besseren Wissens öffentlich den Rücken zu stärken?

Im Bundestag hat Scheuer die Vorwürfe vehement bestritten. Das ist sein gutes Recht – zumal die Beweislast gegen ihn bisher noch eher dünn wirkt. Aussage steht gegen Aussage. Dennoch geht Scheuer ein hohes Risiko ein. Je absoluter seine Aussage, desto einfacher wird es für Grüne und FDP, ihn im Fall der Fälle der Lüge zu überführen. Die Opposition bereitet dafür einen Untersuchungsausschuss vor. In der kommenden Woche soll er offiziell eingesetzt werden.

Vor allem die FDP und die Grünen treiben Scheuer schon jetzt gekonnt in die Enge. Es war der liberale Verkehrspolitiker Oliver Luksic, der den Minister im Parlament mit den „Spiegel“-Recherchen konfrontierte. Und Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn bemühte sich schon vor EuGH-Urteil, die Regierung zu mehr Transparenz bei der Pkw-Maut zu zwingen. Beide haben zwar nur wenige Mitarbeiter zur Unterstützung, aber durchaus die Expertise und vor allem den Ehrgeiz, es mit Scheuer und seinem Ministerium aufzunehmen.

Ein Klimapaket ganz ohne Verbote

Die Stunde der Wahrheit erwartet Scheuer allerdings nicht nur beim Maut-Chaos. Die eigentlich viel drängendere politische Frage, mit der er sich beschäftigen muss, ist die nach einem wirksamen Klimaschutz für den Verkehrssektor. Und da bleibt er noch immer viele Antworten schuldig.

In den Tagen, bevor Union und SPD ihr Klimakonzept festzurrten und vorstellten, sah es so aus, als könne Scheuer als großer Verlierer dastehen. Die Regierung wollte noch einmal durchrechnen, welcher Bereich wie viel CO2 einsparen kann. Scheuers Ministerium allerdings, so die Kritik aus anderen Ressorts, sei nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig Zahlen für diese abschließenden Berechnungen zu liefern. Vielleicht wollte er das auch nicht. Umweltverbände jedenfalls erneuerten ihre Kritik mit harschen Worten. Journalisten forderten in Talkshows Scheuers Rücktritt.

Wer sich nun allerdings die Eckpunkte des Klimakonzepts genauer ansieht, kommt zu dem Ergebnis, dass Scheuer wenig akzeptieren muss, das ihm vorher zuwider gewesen wäre. Klimaschutz ohne Verbote hat er immer gefordert – und bekommen. Es gibt kein Tempolimit, kein Auslaufdatum für den Verbrennungsmotor, keinen besonders hohen CO2-Preis, der Spritpreise explodieren lassen würde. Stattdessen gibt es ganz viel Geld: für E-Autos, den ÖPNV, und vor allem für die Bahn. Vor allem letzteres hatte Scheuer immer wieder gefordert. Seine Forderung, die Mehrwertsteuer zugunsten günstigerer Bahntickets zu senken, wirkt im Vergleich zu anderen Maßnahmen geradezu wie ein Leuchtturmprojekt.

So seltsam es klingen mag: Scheuer kann sich durchaus als Gewinner im kabinettsinternen Klimastreit fühlen. Die Frage ist nur, wie lange noch. Für den angestrebten Klimakonsens werden auch die Grünen im Bundesrat noch die eine oder andere Forderung durchbekommen wollen. Der Verkehrsbereich bietet sich dafür besonders an, weil hier die Emissionen seit Jahrzehnten nicht gesunken sind. Auch Experten zweifeln weiterhin, dass die Verkehrswende mit Subvention und Anreizen allein gelingen kann.

Scheuers Klima-Stunde der Wahrheit kommt spätestens ab 2021, wenn die CO2-Minderungsziele der EU für die einzelnen Sektoren verbindlich gelten. Verfehlt der Verkehr sein Ziel, droht ein Vertragsverletzungsverfahren samt Strafzahlungen. Für Scheuer wäre das allerdings nur dann ein Problem, wenn er dann noch Verkehrsminister ist.

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