Verkehrswende Klimaschutz im Verkehr braucht ein neues finanzielles Fundament

Es muss endlich mehr Geld für den Kapazitätsausbau für Bahn, Busse und Radverkehr eingesetzt werden, so Sven-Christian Kindler und Matthias Gastel Quelle: dpa

Es muss endlich mehr Geld für den Kapazitätsausbau für Bahn, Busse und Radverkehr eingesetzt werden. Mit einer geänderten Finanzierungsgrundlage steht und fällt die Verkehrswende als zentrale Säule der Klimapolitik.

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Sven-Christian Kindler ist haushaltpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Matthias Gastel ist bahnpolitischer Sprecher der Fraktion.

Rund 7,4 Milliarden Euro nahm der Bund im vergangenen Jahr – trotz Corona – durch die Lkw-Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen ein. Mit diesem Geld hätte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer umfassend in den Ausbau des Bahnnetzes, in saubere Busse und sichere Radwege investieren können. Doch statt in klimafreundliche und bezahlbare Mobilität für alle Menschen zu investieren, steckte Andreas Scheuer die Einnahmen aus der Lkw-Maut vollständig in den Straßenbau. Und das, obwohl Deutschland nicht nur über ein sehr dichtes Straßennetz verfügt, sondern auch nach China und den USA über das drittlängste Autobahnnetz auf der ganzen Welt. Einen objektiven Bedarf an großen Neubauprojekten von Autobahnen gibt es in Deutschland nicht.

Damit die Verkehrswende in der Zeit nach Straßenbau-Minister Scheuer gelingen kann, müssen die finanzpolitischen Strukturen der Verkehr- und Mobilitätspolitik in Deutschland grundlegend verändert werden. Die Einnahmen der Lkw-Maut müssen zwischen den Verkehrsträgern Straße, Schiene und Wasserstraße sowie Fahrrad neu aufgeteilt werden. In den Straßenetat sollten nur noch die zum Erhalt von Brücken und Bundesfernstraßen notwendigen Anteile der Lkw-Maut fließen. Der Großteil der Mauteinnahmen sollte für den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes genutzt werden.

Denn der Finanzbedarf bei der Bahn ist aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung gigantisch: Alleine für die heute geplanten Bahnprojekte werden zwischen 2021 und 2040 mindestens 74 Milliarden Euro benötigt. Diese Investitionen in den Aus- und Neubau sind dringend notwendig, damit die Schiene im Zuge der Verkehrswende künftig deutlich mehr Personen- und Güteverkehr abwickeln kann. Bisher drücken sich Finanz- und Verkehrsminister um eine Antwort auf die Frage, wie das finanziert werden soll.

Hinzu kommt ein Sanierungsrückstau von 57 Milliarden Euro, den die drei CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer zu verantworten haben, weil sie die Bahn-Infrastrukturen über ein Jahrzehnt hinweg auf Verschleiß fuhren. Viele Eisenbahnbrücken sind so marode, dass sie in Kürze ersetzt werden müssen. Viele Bahnhöfe und Haltepunkte sind in einem so erbärmlichen Zustand, dass sie Fahrgäste abschrecken. Und ein Sechstel aller Gleise und Weichen sind so alt, dass sie eigentlich sofort ausgetauscht werden müssten. Auf so einer Infrastruktur wird das nichts mit einer starken Bahn als Rückgrat der Verkehrswende.

Infrastruktur kostet aber viel Geld, deswegen braucht es neue Wege der Finanzierung. Da Trassenentgelte und Lkw-Maut für die erforderlichen Investitionen in ein leistungsfähiges, modernes Schienennetz nicht ausreichen werden, wollen wir einen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild schaffen, mit dem die Schiene langfristig finanziert werden kann. In diesen Fonds fließen Infrastrukturentgelte, Lkw-Mauteinnahmen, Mittel aus dem Bundeshaushalt sowie Kredite. Angesichts der historisch niedrigen Zinsen und der hohen Investitionsbedarfe wäre es wirtschaftlich unvernünftig, bei dem massiven Investitionsstau auf Kredite zur Finanzierung zu verzichten. Zumal hier neue Werte geschaffen werden und neues Vermögen entsteht. So stellen wir die Finanzierung neuer Gleise, digitaler Technik sowie von Lärmschutz und Bahnhöfen sicher. Damit entsteht ein solides Fundament, das es erlaubt, die Fahrgastzahlen zu verdoppeln und den Anteil des Güterverkehrs bis 2030 auf 30 Prozent zu steigern.

Andreas Scheuer hat in den letzten Jahren die CSU-Straßenbaupolitik stur fortgesetzt. Deutschland wird weiter mit Straßen zuasphaltiert, was das Zeug hält. Für alle anderen Verkehrsträger bleibt es bei Ankündigungen oder es gibt nur ein paar nette Fotos. Damit bleibt alles, wie es ist. Wir können uns ein simples „Weiter so“ aber nicht mehr leisten. Ohne Verkehrswende konterkarieren wir die Klimaschutzziele, und setzen so den Schutz unserer Lebensgrundlagen aufs Spiel. Ohne Verkehrswende sägen wir weiter an dem Ast, auf dem wir sitzen. Umso erstaunlicher ist, dass der Bund, vor allem im Verkehrsbereich, immer noch klimaschädliche Produktion und klimaschädliches Verhalten massiv mit Steuergeldern subventioniert.

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Deswegen müssen alle klimaschädlichen Subventionen im Verkehrssektor, allen voran die acht Milliarden Euro teure Subventionierung von Dieselkraftstoff, beendet werden. Dazu gehört es, auch den Flugverkehr und Kerosin angemessen zu besteuern und die Lkw-Maut auf alle Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen auszuweiten.

Nur mit einer Strategie, die darauf ausgerichtet ist, klimafreundliche und sichere Mobilität zu bezahlbaren Preisen für alle anzubieten und die auf einem soliden finanziellen Fundament fußt, werden wir die Klimaschutzziele Deutschlands erreichen. Die Verkehrswende gibt es nicht für lau. Aber jeder Euro, der hier investiert wird, lohnt sich.

Mehr zum ThemaHören Sie hier das Podcast-Gespräch mit Eva Kreienkamp. Die BVG-Chefin erklärt darin, wie sich die urbane Mobilität nach Corona entwickeln wird und wie sie die Hauptstadt-Busse auf Elektroantrieb umrüstet.

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