Vermeintlicher Reform-Kraftakt Jenseits der Grundrente drohen neue Gerechtigkeitslücken

Nach monatelangem Streit bringt die große Koalition die Grundrente für Geringverdiener zusammen mit Anreizen für die Wirtschaft auf den Weg. Quelle: dpa

Union und SPD haben einen Kompromiss bei der Grundrente gefunden. Viel mehr aber auch nicht. Wie wäre es, wenn nun endlich über die großen Fragen debattiert würde?

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Das „Habemus Grundrente“, das seit gestern Nachmittag durchs Regierungsviertel hallt, ist zu laut und zu erleichtert, als dass es nicht verdächtig sein könnte. Der Kompromiss ist bei näherem Hinsehen nicht viel mehr als das: ein Kompromiss. Nicht so teuer wie zu befürchten war, dazu garniert mit allerlei weiteren Vorhaben, aber doch voller Probleme. Die Prognose sei gewagt: Jede Gerechtigkeitslücke, die die Grundrente schließen könnte, wird eine neue aufreißen.

Viele gravierende Fragen an die Legitimität und Leistungsfähigkeit, die sich gerade für Kleinverdiener in der gesetzlichen Rente heute schon stellen, bleiben unbeantwortet. Das Prinzip, wer mehr einzahlt, der hat auch mehr – ist nun durchbrochen. Der vermeintliche Reform-Kraftakt der Großen Koalition gleicht einem rissigen Pflaster auf einer Wunde, die nicht recht verheilen will.

Dabei gäbe es Ideen, die gesetzliche Renten nachhaltiger, fairer und zugleich zukunftsfester zu gestalten. Nach einem Jahrzehnt der verschwendeten Milliarden (Mütterrente! Rente ab 63!) wäre es an der Zeit, sich ihnen zuzuwenden.

Es geht dabei auch um die Frage der längeren Lebensarbeitszeit – aber eben nur unter anderem. Vor allem müsste endlich offen darüber nachgedacht werden, wie sich das Einzahlen in die Altersvorsorge auch tatsächlich für alle lohnt. Für alle.

Konzepte gibt es. In der CDU denken junge Abgeordnete über einen Umstieg auf eine steuerfinanzierte Sockelrente ohne Wenn und Aber nach. Das ist zugegeben ein Riesenprojekt für Übermorgen, aber ein durchaus bestechendes.

Und bei den Liberalen plädieren sie – das wäre viel leichter umsetzbar – für eine so genannte Basisrente, die jedem Grundsicherungsempfänger im Alter einen Freibetrag bei der gesetzlichen Rente zusichern würde. Klingt kompliziert? Bedeutet aber einfach nur, dass jeder, der Hartz im Alter beantragen muss, von einem gesetzlichen Rentenanspruch etwas behalten darf. Es würde sich also immer auszahlen, eingezahlt zu haben.

Die Grundrente hätte dann ihr Gutes, wenn sie nicht das Ende der Debatte markierte. Sondern ihren Anfang.

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