Monika Zimmermann etwa kam dieser Gedanke das erste Mal, als sie 2009 ihre Wohnung renovierte. Nach über 25 Jahren musste sich mal etwas ändern. Zimmermann, die fast 40 Jahre lang beim Südwestfunk gearbeitet hatte, zuletzt als Aufnahmeleiterin, investierte 15.000 Euro. Die heute über 70-Jährige bestellte eine neue Küche, ließ den Boden schleifen, packte tagelang das Hab und Gut in ihrer 160-Quadratmeter-Wohnung ein, um und wieder aus. „Noch bin ich ja fit. Aber das kann sich schnell ändern. Und wer kümmert sich dann um all das hier?“, dachte sie.
Wie auf jedem funktionierenden Markt – und dies hier ist zweifellos einer – gehört zum Angebot eine Nachfrage: Sinnsuchende und Kapitalgebende treffen auf Dienstleister, die sich um die wachsenden Vermögen balgen. Ihre Zahl steigt – kaum bekannt – ebenfalls seit Jahren. Immer mehr kleine und mittelgroße Organisationen machen den großen, etablierten Konkurrenz. Jede Stiftung, die etwas auf sich hält, hat nun eigene Abteilungen zum Geldeintreiben, eine Heerschar von Anwälten und Bankern berät Erblasser bei Gründungen von Stiftungen, Trusts oder Vereinen. Selbst die CDU will im Jahr des Bundestagswahlkampfs ins Erbschaftsgeschäft einsteigen.
So ist das Gute ein einträgliches Geschäft geworden, weil alle Seiten mit einem unschlagbaren Produkt handeln: dem reinen Gewissen.
Monika Zimmermann jedenfalls las einige Wochen nach ihrer Renovierung eine Zeitungsannonce. Die Malteser warben darin um Erbschaften. Also nahm sie in Baden-Baden das Telefon in die Hand und in Köln Monika Willich den Anruf entgegen. Zwei Tage später saß die Malteser-Fundraiserin tatsächlich an ihrem Esstisch. Zimmermann kochte, Willich sprach. Seither steht ein Briefumschlag auf der Holzkommode im Flur neben dem Telefon: „Im Falle meines Todes“, hat die Rentnerin in dicker, schwarzer Schrift darauf gemalt. In dem Schreiben steht, dass ihr Testament in der kleinen Kassette im Sekretär zu finden ist. Sie hat die Adresse des Anwalts und die der besten Freundin notiert und festgelegt, dass sie das cremefarbene Kleid angezogen bekommen möchte, das hinten im Schrank hängt – es brennt besser im Krematorium.
Im Übrigen stehen da die Anschrift der Malteser und die Nummer von Frau Willich – der katholische Orden soll all ihren Besitz bekommen. Dafür übernimmt er Wohnungsauflösung und Beerdigung. „Ich wollte, dass alles gut geregelt ist. Ich möchte, dass sorgsam mit meinen Dingen umgegangen wird“, sagt Zimmermann.
Dabei hätte sie sogar Verwandte. Keine eigenen Kinder zwar und auch keinen Ehemann, aber da wäre ihr Neffe, zum Beispiel. Ein netter Kerl, die Seniorin versteht sich gut mit ihm. Doch ist er eben auch ein wohlhabender Architekt mit Eigenheim in Stuttgart. „Mit meinem Erbe“, sagt Zimmermann, „würde ich sein Konsumdenken nur weiter unterstützen.“
Dass Monika Zimmermann über ihren Tod hinaus Gutes tun möchte – es ist nur konsequent zu Ende gedacht. Einerseits. Es ist, andererseits, aber auch Ergebnis der beständigen Abbrucharbeiten an einem der letzten Tabus: dem eigenen Vermögen.
Gerade in der Bundesrepublik galt lange der eherne Satz: Über Geld spricht man nicht. Erst in den vergangenen Jahren ist das Thema salonfähig geworden: Dank Spendenaufrufen in ICE-Reiseplänen, dank Werbeanzeigen in Lokalzeitungen, auch dank Ausstellungen und Veranstaltungen der großen Kirchen im Lande ist ein Feld entstanden, das die spenden- und erbesammelnden Organisationen heute bewirtschaften können.
Über Geld spricht man in Deutschland inzwischen eben doch, wenn auch weiterhin höchst pietätvoll, würdig, mit der gebotenen Unaufdringlichkeit: etwa in der evangelischen Ausstellungsreihe „Was bleibt“ in Witten. Auf der Seniorenmesse „Die 66“ in München. Oder auf der Veranstaltung „Leben und Tod“ in Bremen, wo sich auch die Initiative „Mein Erbe tut Gutes“ der potenziellen Kundschaft präsentiert.