Vermögensabgabe statt Transferunion So wären die EU-Staaten sanierbar – und auch die SPD

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Vermögensabgaben haben sich historisch bewährt

Betrachtet man Reichtum sinnvollerweise weniger als Fließgröße der Einkommen, sondern als Bestandsgröße der Vermögen, so wird klar: Deutschland ist mitnichten schon deshalb ein reicheres Land, weil seine Unternehmen prosperieren und seine Einwohner weniger oft arbeitslos sind als die Italiener oder andere.

Gerade eine Partei wie die SPD, die „Solidarität“ zu ihren Grundwerten zählt, sollte den Begriff ernst nehmen: So wie eine nationale Solidargemeinschaft von jedem potentiellen Empfänger von Sozialleistungen zunächst erwarten kann, dass er etwaige eigene Vermögenswerte verbraucht, sollte man auch von verschuldeten Staaten in einem „Europa der Demokratie und Solidarität“ (GroKo-Sondierungspapier) zunächst die Vermögen der nationalen Privathaushalte zur Konsolidierung der nationalen Staatsfinanzen heranziehen. Schließlich haben die Bürger der Nationalstaaten auch die unsolide wirtschaftenden Regierungen gewählt – und von deren überzogenen Ausgaben in der Regel profitiert.

Natürlich ist die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe zur Sanierung der Staatsfinanzen mit Schwierigkeiten verbunden. Vom Aufwand für die Erhebung der Bemessungsgrundlagen bei den vermögenden Bürgern bis zur Vermeidung von Ausweichreaktionen der Betroffenen. Aber einmalige Vermögensabgaben oder Zwangsanleihen für besonders Vermögende sind keine spinnerte Erfindung von Theoretikern. Sie kamen in der Geschichte immer wieder vor, haben funktioniert und ihren Zweck erfüllt, nämlich die Staatsfinanzen zu stabilisieren und gleichzeitig extreme gesellschaftliche Ungleichheit zu mäßigen.

Was 2018 auf Europa zukommt
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In Deutschland zum Beispiel nach beiden Weltkriegen. Am bekanntesten: Der „Lastenausgleich“, für den ab 1949 eine Vermögensabgabe erhoben wurde, vor allem auf Grund- und Betriebsvermögen und oberhalb einer hohen Freigrenze auch auf Finanzvermögen.

Als der Ökonom Stefan Bach vom DIW 2012 auf dem Höhepunkt der Eurokrise einen lesenswerten Aufsatz über „Vermögensabgaben – ein Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen in Europa“ veröffentlichte, erregte das viel Aufsehen. Sein Telefon stand damals tagelang nicht still, erinnert sich Bach. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ließ Sympathie für die Idee durchblicken. Der Internationale Währungsfonds zitierte die Studie.

Von diesem Interesse ist nichts mehr zu spüren. Nachdem die Grünen 2012 eine Vermögensabgabe – allerdings nur für Deutschland – vorgeschlagen hatten, ist es still geworden um das Thema. Dass es in anderen europäischen Staaten nicht auf die Agenda kommt, ist weniger verwunderlich. Warum sollten Regierungen überschuldeter Staaten ihre vermögenden Bürger zur Kasse bitten und damit innenpolitische Konflikte riskieren, wenn Brüsseler Lösungen mit Geld aus anderen Staaten - konkreter: Deutschland - in Aussicht stehen?

Aber dass ausgerechnet die deutschen Sozialdemokraten Vermögensabgaben oder Zwangsanleihen für besonders Vermögende nicht zumindest vorschlagen, wenn von einem Europa der Solidarität die Rede ist, bleibt sachlich unverständlich. Nachvollziehbar ist es jedoch aus einem emotionalen Grund: Die Akzeptanz dieser Maßnahmen in der Vergangenheit beruhte meist auf der allgemeinen Wahrnehmung einer existentiellen Krise. Der Ruf nach einer Vermögensabgabe könnte nun als Eingeständnis gewertet werden, dass die gesamte bisherige Politik der vergangenen Jahrzehnte, an der schließlich auch die SPD regierend beteiligt war, und insbesondere die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion in eine fiskalische Krise geführt haben, die in früheren Zeiten meist nur Kriege verursachten.

Daran kann ein Mann wie Schulz, der sein Leben nicht nur der SPD, sondern auch der EU verschrieben hat, kein Interesse haben.

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