Verschwendung Es reicht! - Weniger Steuern sind möglich

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Entflechtung der Finanzierung

Deutschlands sündhaft teure Prestigebauten
Die Elbphilharmonie ist das teuerste Kulturprojekt in Deutschland. Die Kostenexplosion und Bauverzögerung wird ein Fall für die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt, ob Straftaten vorliegen. Laut Abschlussbericht sind eine unfertige Planung, mangelnde Kontrolle vonseiten der Politik und ein Chaos auf der Baustelle schuld am Desaster beim Bau. Die Kosten für den Steuerzahler bei dem Projekt sind von ursprünglich 77 Millionen auf 789 Millionen Euro gestiegen, die Eröffnung wurde von 2010 auf 2017 verschoben. Erstmals nennt der Abschlussbericht, der die Ereignisse bis Ende 2008 untersucht, auch die Namen der Verantwortlichen. Demnach ist die städtische Realisierungsgesellschaft (Rege) mit ihrem Chef Hartmut Wegener für wichtige Fehlentscheidungen verantwortlich. Die politisch Verantwortlichen, allen voran Hamburgs damaliger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und sein Chef der Senatskanzlei Volkmar Schön (CDU), seien dagegen ihrer Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden. Aber auch die Architekten Herzog & de Meuron und der Baukonzern Hochtief kommen in dem Bericht nicht gut weg. „Wenn wir konkrete Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat finden würden, würden wir entweder einen Ermittlungsvorgang gegen einen bestimmten namentlich bekannten Beschuldigten oder mehrere einleiten oder wir würden ein Unbekannt-Verfahren einleiten, wenn wir noch nicht wüssten, wer der Beschuldigte ist“, erklärt die Sprecherin Nana Frombach. Quelle: dpa
Deutschlands teuerstes Kulturprojekt, die Hamburger Elbphilharmonie, wird die Steuerzahler laut Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stolze 789 Millionen Euro kosten - und soll 2017 eröffnet werden. Das Prestigeprojekt würde damit gut zehnmal teurer als 2005 vom damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) veranschlagt. Damals war von rund 77 Millionen Euro die Rede. Auf der Baustelle im Hafen herrscht mittlerweile seit rund anderthalb Jahren Stillstand, weil sich die Vertragspartner lange nicht einigen konnten. Erst im März hatte Scholz mit Hochtief einen Vertrag geschlossen, wonach der Essener Baukonzern künftig sämtliche Risiken übernimmt und das Konzerthaus bis Ende Oktober 2016 zum „Globalpauschalfestpreis“ von 575 Millionen Euro zu Ende baut. Nicht berücksichtigt waren dabei jedoch unter anderem die Finanzierungs- und Baukosten für den kommerziellen Teil und die Vorplanungskosten. Nun geht aus dem vertraulichen zweiten Entwurfs des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses hervor, der Spiegel Online vorliegt. Die Schuldigen sollen die Projektkoordination, Bauunternehmer und Architekt, sowie auch der damalige Erster Oberbürgermeister, Ole von Beust, sein. Quelle: REUTERS
Die sogenannte 'Kanzlerbahn', die derzeit zwischen dem Hauptbahnhof, Kanzleramt und dem Brandenburger Tor verkehrt, soll um 92 Millionen Euro teurer werden. Laut Berliner Morgenpost beläuft sich das Gesamtvolumen künftig auf 525 Euro, die das Land und der Bund zahlen müssen. Quelle: dpa
In Schlangen winden sich Hunderte Besucher durch den Saal, bestaunen historische Exponate, erhaschen per Kurzfilm einen Einblick in die Arbeit der Bundestagsabgeordneten. In einem Miniplenarsaal mit originalgetreuen blauen Sesseln lauschen sie einer gespielten Debatte und ergreifen selbst das Wort. Dann geht es durch den unterirdischen Gang ins Reichstagsgebäude, hinauf in die gläserne Kuppel. Zum Abschluss noch ein Imbiss an einem der 16 Bistro-Tische, die die 16 Bundesländer repräsentieren. So soll es aussehen, das Besucher- und Informationszentrum des Bundestages (BIZ). Ursprünglich sollte es 200 Millionen Euro kosten. Im Januar dann lag der anvisierte Preis schon bei 330 Millionen Euro. "Ein Bau für 330 Millionen Euro, das wird nicht kommen", sagte damals Eduard Oswald, CSU-Bundestagsvizepräsident und Vorsitzender der inneren Kommission, gegenüber WirtschaftsWoche. Nun heißt es in einem Bericht der Welt, dass der Bau mit bis zu 500 Millionen Euro zu Buche schlagen werde. das gehe aus einem Bericht der 36-köpfigen "Reformkommission Bau von Großprojekten" der Bundesregierung hervor. Quelle: dpa
Die Stuttgarter waren nicht ohnmächtig: Stuttgart 21 steht für einen politischen Umbruch in Baden-Württemberg und den Einzug neuer Formulierungen in die deutsche Sprache, wie zum Beispiel das Wort „Wutbürger”. Der alte Kopfbahnhof soll zu einem Tunnelbahnhof umgebaut werden. Eine riesige Protestwelle überrollte die baden-württembergische Landeshauptstadt, seit der Abriss des alten Bahnhofs startete. In einer Abstimmung Ende 2011 sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung jedoch für das Projekt aus. Gestritten wird vor allem über die Kosten des Umbaus... Quelle: dpa
Immer wieder wurden die prognostizierten Baukosten nach oben korrigiert. Zwischenzeitlich sprach die Deutsche Bahn von 4,5 Milliarden Euro, mittlerweile hat sie die Zahlen um ganze zwei Milliarden erhöht.. Andere Experten veranschlagen Kosten von bis zu elf Milliarden Euro. Auch der Bundesrechnungshof hat diese Summe bereits vor drei Jahren als viel zu gering bezeichnet. Die DB hatte damals die Einschätzung zurückgewiesen. Inzwischen sind viele Dokumente ans Tageslicht gekommen, die beweisen, dass die Bahn hohe Mehrkosten vorsätzlich verschwiegen hat. Nicht zuletzt die mangelnde Transparenz bezüglich der Gesamtkosten des Projekts hat viele Bürger auf die Straße getrieben. Die ersten Züge werden wohl nicht vor 2022 im unterirdischen Bahnhof einfahren. Quelle: dpa
Eigentlich sollte die Erweiterung des Saarland-Museums und der Modernen Galerie in Saarbrücken ein Prestigeprojekt werden. Allerdings haben sich die veranschlagten Kosten mehr als verdreifacht. Ursprünglich sollte der Bau neun Millionen Euro kosten. Wie tief der Steuerzahler dafür in die Tasche greifen muss, ist noch offen. Bisher steht in bester Lage in Saarbrücken unweit des Staatstheaters ein hässlicher Betonklotz im Rohbau, dem ein Gutachten jetzt zahlreiche Mängel bescheinigt hat. Die Landesregierung will aber auf jeden Fall an dem schon weit vorangeschrittenen Projekt festhalten, obwohl viele vor einer „zweiten Elbphilharmonie“, wenn auch in sehr viel kleinerer Größenordnung, warnen. Quelle: dpa

Den Bürgern muss man jedoch zugute halten, dass sie den direkten Zusammenhang zwischen staatlichen Aufgaben und persönlicher Abgabenlast kaum durchschauen können. Sie zahlen ihre Steuern und Abgaben in eine Black Box ein, dort teilen Bund, Länder und Kommunen das Geld zunächst untereinander, um es später dann wieder in gemeinsame Töpfe zu werfen.

Der Bundesrechnungshof wies bereits 2004 darauf hin, dass es bei der Mischfinanzierung zu "Abrechnungen von nicht erbrachten Leistungen oder nicht förderfähigen Maßnahmen" kommt. Oder zu unsinnigen Projekten (früher besonders beliebt: Freibäder), weil Bürgermeister ihrem kommunalen Instinkt folgen und angebotene Fördermittel von Bund, Ländern und EU-Fonds abgreifen.

Die Lösung wäre eine schärfere Trennung von Bundes- und Länderangelegenheiten. Eigentlich ist das Ende sogar in Sicht. Im Rahmen der Föderalismusreform I wurde 2006 ein Ausstieg des Bundes aus der Gemeindeverkehrsfinanzierung beschlossen, ab 2019 sollten die Länder allein zuständig sein.

Nun aber rücken die Länder von der vereinbarten Entflechtung wieder ab und versuchen die Bundesregierung zu erpressen: Der Bundesrat will der Umsetzung des europäischen Fiskalpaktes in nationales Recht erst zustimmen, wenn der Bund zusätzlich 12,7 Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren für den kommunalen Straßenbau, Hochschulen und Kindertagesstätten zahlt – also alles originäre Länderaufgaben.

Erpressen lassen muss sich das Bundesfinanzministerium indes nicht. Beim Fiskalpaktumsetzungsgesetz handelt es sich nur um ein deklaratorisches Gesetz. Den eigentlichen Fiskalpakt, in dem sich 25 EU-Staaten zum strikten Schuldenabbau verpflichten, haben Bund und Länder bereits ratifiziert.

Reformbedürftig wäre auch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Jedes Jahr überweist der Bund 1,3 Milliarden Euro an die Kommunen, die damit wichtige Verkehrsprojekte in ihrer Region bauen. Allerdings gibt es für bestimmte eine gesetzliche Hürde: Die kommunalen Vorhaben müssen die "zuwendungsfähigen Kosten von 50 Millionen Euro überschreiten". Christian Böttger, Ökonom an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, hält derartige Grenzwerte für problematisch: "Es gehört zu der edelsten Disziplin von Bürgermeistern und Landräten, die Finanztöpfe von Bund und Land auszuschöpfen", sagt Böttger. "Um die Mindestvolumina für Förderungen zu erreichen, werden nicht selten Projekte künstlich aufgeblasen."
Effizientes und Ehrliches Projektmanagement

Umgekehrt stapeln Politiker zunächst gerne tief, damit umstrittene Projekte erst einmal ans Laufen zu kommen. Die Kostenexplosionen beim Großflughafen Berlin Brandenburg, beim Bahnhof Stuttgart 21 und bei der Elbphilharmonie sind zum Teil darauf zurückzuführen. So wurden beim Berliner Skandalflughafen die künftigen Passagierzahlen oder der Lärmschutz zunächst viel zu niedrig angesetzt, wie sich später herausstellte.

Getrickst wird gerade bei Infrastrukturmaßnahmen. Ein Projekt kommt nur dann in den Bundesverkehrswegeplan, wenn der zu erwartende Nutzen in Euro größer ist als der geplante Aufwand. Also wird oft der Bedarf hoch und die Kosten niedrig angesetzt. Wenn dann schon halb fertig gebaut worden ist, muss Geld nachgeschossen werden. "Deutschland baut relativ schlechte Projekte und lässt gute Projekte hinten rüberfallen", lautet Böttgers Fazit und fügt hinzu: "Die Infrastrukturplanung ist völlig verrottet." Die Projektauswahl erfolgt vor allem in informellen Runden ohne demokratische Legitimierung. So wird die Bahn-Neubaustrecke Stuttgart–Ulm finanziert, nicht jedoch die wirtschaftlich viel sinnvollere Strecke Frankfurt–Mannheim.

Abhilfe leisten könnten mehr Öffentlich-Private Partnerschaften, kurz ÖPP. Sie sind zwar nicht per se günstiger, da sich der deutsche Staat derzeit äußerst preiswert am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Doch ÖPP-Projekte haben einen besonderen Vorteil. "Private Investoren berechnen die Kosten eines Projektes, das sie anschließend über Jahrzehnte betreiben sollen, realistischer und nachhaltiger", sagt Dieter Jacob, Ökonom an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Die Lebenszyklusanalyse von ÖPP-Projekten vermeidet böse Überraschungen im Nachhinein. Der Flughafen BER, der einst als ÖPP-Projekt angedacht wurde, sollte 1,7 Milliarden Euro plus Risikoaufschlag von circa 400 Millionen Euro kosten. Den Politikern war das zu viel. Nun wird er mindestens doppelt so teuer und Jahre später fertig.

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