Den Bürgern muss man jedoch zugute halten, dass sie den direkten Zusammenhang zwischen staatlichen Aufgaben und persönlicher Abgabenlast kaum durchschauen können. Sie zahlen ihre Steuern und Abgaben in eine Black Box ein, dort teilen Bund, Länder und Kommunen das Geld zunächst untereinander, um es später dann wieder in gemeinsame Töpfe zu werfen.
Der Bundesrechnungshof wies bereits 2004 darauf hin, dass es bei der Mischfinanzierung zu "Abrechnungen von nicht erbrachten Leistungen oder nicht förderfähigen Maßnahmen" kommt. Oder zu unsinnigen Projekten (früher besonders beliebt: Freibäder), weil Bürgermeister ihrem kommunalen Instinkt folgen und angebotene Fördermittel von Bund, Ländern und EU-Fonds abgreifen.
Die Lösung wäre eine schärfere Trennung von Bundes- und Länderangelegenheiten. Eigentlich ist das Ende sogar in Sicht. Im Rahmen der Föderalismusreform I wurde 2006 ein Ausstieg des Bundes aus der Gemeindeverkehrsfinanzierung beschlossen, ab 2019 sollten die Länder allein zuständig sein.
Nun aber rücken die Länder von der vereinbarten Entflechtung wieder ab und versuchen die Bundesregierung zu erpressen: Der Bundesrat will der Umsetzung des europäischen Fiskalpaktes in nationales Recht erst zustimmen, wenn der Bund zusätzlich 12,7 Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren für den kommunalen Straßenbau, Hochschulen und Kindertagesstätten zahlt – also alles originäre Länderaufgaben.
Erpressen lassen muss sich das Bundesfinanzministerium indes nicht. Beim Fiskalpaktumsetzungsgesetz handelt es sich nur um ein deklaratorisches Gesetz. Den eigentlichen Fiskalpakt, in dem sich 25 EU-Staaten zum strikten Schuldenabbau verpflichten, haben Bund und Länder bereits ratifiziert.
Reformbedürftig wäre auch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Jedes Jahr überweist der Bund 1,3 Milliarden Euro an die Kommunen, die damit wichtige Verkehrsprojekte in ihrer Region bauen. Allerdings gibt es für bestimmte eine gesetzliche Hürde: Die kommunalen Vorhaben müssen die "zuwendungsfähigen Kosten von 50 Millionen Euro überschreiten". Christian Böttger, Ökonom an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, hält derartige Grenzwerte für problematisch: "Es gehört zu der edelsten Disziplin von Bürgermeistern und Landräten, die Finanztöpfe von Bund und Land auszuschöpfen", sagt Böttger. "Um die Mindestvolumina für Förderungen zu erreichen, werden nicht selten Projekte künstlich aufgeblasen."
Effizientes und Ehrliches Projektmanagement
Umgekehrt stapeln Politiker zunächst gerne tief, damit umstrittene Projekte erst einmal ans Laufen zu kommen. Die Kostenexplosionen beim Großflughafen Berlin Brandenburg, beim Bahnhof Stuttgart 21 und bei der Elbphilharmonie sind zum Teil darauf zurückzuführen. So wurden beim Berliner Skandalflughafen die künftigen Passagierzahlen oder der Lärmschutz zunächst viel zu niedrig angesetzt, wie sich später herausstellte.
Getrickst wird gerade bei Infrastrukturmaßnahmen. Ein Projekt kommt nur dann in den Bundesverkehrswegeplan, wenn der zu erwartende Nutzen in Euro größer ist als der geplante Aufwand. Also wird oft der Bedarf hoch und die Kosten niedrig angesetzt. Wenn dann schon halb fertig gebaut worden ist, muss Geld nachgeschossen werden. "Deutschland baut relativ schlechte Projekte und lässt gute Projekte hinten rüberfallen", lautet Böttgers Fazit und fügt hinzu: "Die Infrastrukturplanung ist völlig verrottet." Die Projektauswahl erfolgt vor allem in informellen Runden ohne demokratische Legitimierung. So wird die Bahn-Neubaustrecke Stuttgart–Ulm finanziert, nicht jedoch die wirtschaftlich viel sinnvollere Strecke Frankfurt–Mannheim.
Abhilfe leisten könnten mehr Öffentlich-Private Partnerschaften, kurz ÖPP. Sie sind zwar nicht per se günstiger, da sich der deutsche Staat derzeit äußerst preiswert am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Doch ÖPP-Projekte haben einen besonderen Vorteil. "Private Investoren berechnen die Kosten eines Projektes, das sie anschließend über Jahrzehnte betreiben sollen, realistischer und nachhaltiger", sagt Dieter Jacob, Ökonom an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Die Lebenszyklusanalyse von ÖPP-Projekten vermeidet böse Überraschungen im Nachhinein. Der Flughafen BER, der einst als ÖPP-Projekt angedacht wurde, sollte 1,7 Milliarden Euro plus Risikoaufschlag von circa 400 Millionen Euro kosten. Den Politikern war das zu viel. Nun wird er mindestens doppelt so teuer und Jahre später fertig.