




Von Christian Ramthun, Christian Schlesiger, Henning Krumrey, Konrad Fischer und Max Haerder
705 Milliarden Euro sind eine große Versuchung. Insbesondere für Staatsdiener, die mit dem Geld der anderen hantieren. Versuchung und Verschwendung liegen dicht beieinander – ob nun in Berlin, Mainz oder Kahla. Das thüringische Städtchen verzockt zwei Millionen Euro mit hoch komplizierten Derivaten, die Landeshauptstadt verjubelt am Nürburgring eine halbe Milliarde Euro, Spree-Athen leistet sich für vier bis fünf Milliarden Euro einen noch lange nicht funktionierenden Flughafen, und das Bundesverteidigungsministerium versenkt mal eben 656 Millionen Euro für eine flugunfähige Drohne.
Die Liste der öffentlichen Verschwendung ist unendlich lang, und manche Millionenvergeudung entzieht sich dabei gern dem kritischen Auge. So gab die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen im vorigen Jahr 4,6 Millionen Euro für diverse Studien aus, darunter auch für eine Umfrage zum Thema "Schwanzbeißen bei Schweinen". Nun weiß zwar jeder Kenner, dass sich Ferkel gern am hinteren Ende verstümmeln und es sich dabei um ein gravierendes wirtschaftliches und tiergesundheitliches Problem handelt. Dennoch müsste sich jeder Steuerzahler an Rhein und Ruhr die Frage stellen, warum er die Studie bezahlt – und nicht der Rheinische Erzeugerring für Qualitätsferkel oder der Tierschutzbund?
Empörung über Steuerhinterzieher statt -verschwender
Leider stellen die deutschen Steuerzahler bislang viel zu wenig Fragen. Und das, obwohl der Staat ihnen mehr als zwei Drittel ihres Einkommens abknöpft, so der Leiter des Instituts für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover, Stefan Homburg: an Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Sozialabgaben, Erbschaftsteuer, EEG-Umlagen, Mehrwertsteuer, Stromsteuer, Rundfunkgebühr, Versicherungsteuer...
Die Öffentlichkeit empört sich vor allem über die Steuerhinterzieher, über Klaus Zumwinkel und Uli Hoeneß. Oder über die internationalen Steuergestalter wie Apple, Amazon und Google. Was diese nicht an Steuern abführen – bis zu 100 Milliarden Euro sollen es laut DIW sein –, fehlt dem Staat und müssen die Steuerehrlichen zusätzlich berappen.
Doch wie viel geht durch die öffentliche Hand verloren? "Bei den Verschwendungen und Effizienzverlusten des Staates haben wir es mit einer viel größeren Dimension als bei der Steuerhinterziehung zu tun", sagt Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, der seit 40 Jahren regelmäßig ein Schwarzbuch veröffentlicht und darin nicht nur Milliardenprojekte von BER bis Stuttgart 21 anprangert, sondern auch "Soda-Brücken" (die ohne Straßenanbindung in der Landschaft so dastehen) oder zweifelhafte Mini-Verkehrskreisel für je 156 000 Euro unter die Lupe nimmt.
Einsparvolumen in dreistelliger Milliardenhöhe
Allein beim Bund gebe es 25 Milliarden Euro "Luft im Haushalt", schätzt Dieter Engels, seit mehr als zehn Jahren Präsident des Bundesrechnungshofes, der einmal im Jahr im Bericht mit dem prosaischen Titel "Bemerkungen" die größten und peinlichsten Verschwendungen auflistet – und der nun auch im Bundesverteidigungsministerium den Drohnen-Skandal untersucht. Hochgerechnet auf alle staatlichen Haushalte, ergäbe sich ein Einsparvolumen in dreistelliger Milliardenhöhe.
"100 Milliarden Euro sind immer drin", meint Axel Koetz aus Köln. Der Organisationsexperte, der mit seinem Unternehmen KPI öffentliche Auftraggeber von der deutschen Kommune bis zur Weltbank berät, hat über die Jahre drei grundlegende Probleme in der Verwaltung ausgemacht: "In dem Bermuda-Dreieck aus Inkompetenz, Unverantwortung und Klientelpolitik verschwinden die Steuergelder."
Das System selbst ist anfällig
Steuerverschwendung und Steuerhinterziehung sind zwei Seiten einer Medaille. Womöglich schaden die Wowereits und Platzecks mit ihrer ineffizienten BER-Aufsicht dem Gemeinwesen sogar noch mehr, sie schüren nämlich den Staatsverdruss und stacheln damit schwankende Gemüter zur Steuerhinterziehung an, stellten die Ökonomen Sauro Mocetti und Guglielmo Barone in einer neuen Studie fest: Die Steuermoral der Bürger ist höher, wenn der Staat seine Mittel effizienter verwendet, ermittelten die beiden Wissenschaftler am Beispiel von Italien.
Bei staatlicher Verschwendung muss nicht immer gleich die Mafia ihre Finger im Spiel haben. Vielmehr ist das System selbst anfällig. Und bei Verfehlungen drohen Bürgermeistern, Landes- und Bundesministern keine massiven öffentlichen Demütigungen und schon gar keine Geld- oder Haftstrafen, wie etwa im Fall des fränkischen Wurstfabrikanten und Münchner Fußballpräsidenten. Höchstens rotieren ein Regierender Bürgermeister und ein Ministerpräsident im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft.
"Genauso wie Steuerhinterziehung sollte Steuerverschwendung ein Straftatbestand werden", fordert der Krefelder Unternehmer Lutz Goebel, der auch Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer ist. Schließlich gehe es in beiden Fällen um das Geld der Steuerzahler.
Des Unternehmers Wut hat einen weiteren Grund: Trotz Rekordeinnahmen wollen SPD und Grüne im Falle ihres Sieges bei der nächsten Bundestagswahl die Steuern um rund 90 Milliarden Euro erhöhen, rechnen Die Familienunternehmer vor. Goebel fordert: "Solange die öffentliche Hand immer wieder durch grottenschlechtes Controlling bei Großprojekten Milliarden verschleudert, darf überhaupt nicht über Steuererhöhungen nachgedacht werden."
Tatsächlich ist die öffentliche Verschwendung nicht gottgegeben, Widerstand ist gewiss nicht zwecklos. Die WirtschaftsWoche listet anhand von sieben Aktionsfeldern auf, wie der Staat viele Milliarden Euro einsparen – und seinen Steuerzahlern ersparen – kann.
Aufgaben durchforsten
Deutschland hat eine Staatsquote von 45 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die Schweiz nur von 35 Prozent. Kaum jemand wird sagen, dass die Schweiz eine schlechte Infrastruktur oder ein mieseres Bildungssystem hat, die innere oder äußere Sicherheit schleifen lässt oder ein unsozialer Staat ist. Für die Erfüllung ihrer staatlichen Aufgaben benötigen die Eidgenossen trotzdem zehn Prozentpunkte ihres Volkseinkommens weniger als die Deutschen. Anders ausgedrückt: "Der deutsche Staat gibt 264 Milliarden Euro mehr als der Schweizer Staat aus", rechnet Ökonom Homburg aus Hannover vor. Das entspricht dem gesamten Aufkommen aus der Einkommensteuer oder der Summe aus Mehrwert- und Gewerbesteuer. Selbst unter der Annahme, dass ein großer Staat mehr öffentliche Ausgaben tätigen muss als ein kleiner, bleibt der Unterschied gewaltig. Und damit die Gefahr der Verschwendung öffentlicher Mittel.
Umso wichtiger ist es, den Staat von überflüssigen Aufgaben zu befreien. "Privat geht vor Staat" wäre ein Kriterium. Oder ob wir wirklich Opern und Filme subventionieren müssen. Oder ein Betreuungsgeld brauchen.
Die Schuld den Politikern zu geben wäre allerdings zu billig. Jeder Souverän sucht sich seine Volksvertreter aus. So entschieden sich die Wähler in Nordrhein-Westfalen beispielsweise 2012 für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition, die unter Leitung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mittlerweile den dritten verfassungswidrigen Landeshaushalt zu verantworten hat.
Da nützt es wenig, wenn Christian Lindner als Chef der oppositionellen FDP-Fraktion in Düsseldorf schimpft: "Das Geld der Bürgerinnen und Bürger wird verschossen für rot-grüne Wohlfühlprojekte." Zu diesen zählt der Liberale den Wegfall der Studiengebühren (249 Millionen Euro) und der Kindergartenbeiträge (148 Millionen), das Sozialticket (30 Millionen), die Landesinitiative Frau und Wirtschaft (fünf Millionen) oder die Schaffung von 2000 zusätzlichen Stellen im öffentlichen Dienst (100 Millionen).
Entflechtung der Finanzierung





Den Bürgern muss man jedoch zugute halten, dass sie den direkten Zusammenhang zwischen staatlichen Aufgaben und persönlicher Abgabenlast kaum durchschauen können. Sie zahlen ihre Steuern und Abgaben in eine Black Box ein, dort teilen Bund, Länder und Kommunen das Geld zunächst untereinander, um es später dann wieder in gemeinsame Töpfe zu werfen.
Der Bundesrechnungshof wies bereits 2004 darauf hin, dass es bei der Mischfinanzierung zu "Abrechnungen von nicht erbrachten Leistungen oder nicht förderfähigen Maßnahmen" kommt. Oder zu unsinnigen Projekten (früher besonders beliebt: Freibäder), weil Bürgermeister ihrem kommunalen Instinkt folgen und angebotene Fördermittel von Bund, Ländern und EU-Fonds abgreifen.
Die Lösung wäre eine schärfere Trennung von Bundes- und Länderangelegenheiten. Eigentlich ist das Ende sogar in Sicht. Im Rahmen der Föderalismusreform I wurde 2006 ein Ausstieg des Bundes aus der Gemeindeverkehrsfinanzierung beschlossen, ab 2019 sollten die Länder allein zuständig sein.
Nun aber rücken die Länder von der vereinbarten Entflechtung wieder ab und versuchen die Bundesregierung zu erpressen: Der Bundesrat will der Umsetzung des europäischen Fiskalpaktes in nationales Recht erst zustimmen, wenn der Bund zusätzlich 12,7 Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren für den kommunalen Straßenbau, Hochschulen und Kindertagesstätten zahlt – also alles originäre Länderaufgaben.
Erpressen lassen muss sich das Bundesfinanzministerium indes nicht. Beim Fiskalpaktumsetzungsgesetz handelt es sich nur um ein deklaratorisches Gesetz. Den eigentlichen Fiskalpakt, in dem sich 25 EU-Staaten zum strikten Schuldenabbau verpflichten, haben Bund und Länder bereits ratifiziert.
Reformbedürftig wäre auch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Jedes Jahr überweist der Bund 1,3 Milliarden Euro an die Kommunen, die damit wichtige Verkehrsprojekte in ihrer Region bauen. Allerdings gibt es für bestimmte eine gesetzliche Hürde: Die kommunalen Vorhaben müssen die "zuwendungsfähigen Kosten von 50 Millionen Euro überschreiten". Christian Böttger, Ökonom an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, hält derartige Grenzwerte für problematisch: "Es gehört zu der edelsten Disziplin von Bürgermeistern und Landräten, die Finanztöpfe von Bund und Land auszuschöpfen", sagt Böttger. "Um die Mindestvolumina für Förderungen zu erreichen, werden nicht selten Projekte künstlich aufgeblasen."
Effizientes und Ehrliches Projektmanagement
Umgekehrt stapeln Politiker zunächst gerne tief, damit umstrittene Projekte erst einmal ans Laufen zu kommen. Die Kostenexplosionen beim Großflughafen Berlin Brandenburg, beim Bahnhof Stuttgart 21 und bei der Elbphilharmonie sind zum Teil darauf zurückzuführen. So wurden beim Berliner Skandalflughafen die künftigen Passagierzahlen oder der Lärmschutz zunächst viel zu niedrig angesetzt, wie sich später herausstellte.
Getrickst wird gerade bei Infrastrukturmaßnahmen. Ein Projekt kommt nur dann in den Bundesverkehrswegeplan, wenn der zu erwartende Nutzen in Euro größer ist als der geplante Aufwand. Also wird oft der Bedarf hoch und die Kosten niedrig angesetzt. Wenn dann schon halb fertig gebaut worden ist, muss Geld nachgeschossen werden. "Deutschland baut relativ schlechte Projekte und lässt gute Projekte hinten rüberfallen", lautet Böttgers Fazit und fügt hinzu: "Die Infrastrukturplanung ist völlig verrottet." Die Projektauswahl erfolgt vor allem in informellen Runden ohne demokratische Legitimierung. So wird die Bahn-Neubaustrecke Stuttgart–Ulm finanziert, nicht jedoch die wirtschaftlich viel sinnvollere Strecke Frankfurt–Mannheim.
Abhilfe leisten könnten mehr Öffentlich-Private Partnerschaften, kurz ÖPP. Sie sind zwar nicht per se günstiger, da sich der deutsche Staat derzeit äußerst preiswert am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Doch ÖPP-Projekte haben einen besonderen Vorteil. "Private Investoren berechnen die Kosten eines Projektes, das sie anschließend über Jahrzehnte betreiben sollen, realistischer und nachhaltiger", sagt Dieter Jacob, Ökonom an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Die Lebenszyklusanalyse von ÖPP-Projekten vermeidet böse Überraschungen im Nachhinein. Der Flughafen BER, der einst als ÖPP-Projekt angedacht wurde, sollte 1,7 Milliarden Euro plus Risikoaufschlag von circa 400 Millionen Euro kosten. Den Politikern war das zu viel. Nun wird er mindestens doppelt so teuer und Jahre später fertig.
Schärferes Strafrecht





Die Verschwendung von Steuergeld zu bestrafen fordert der Steuerzahlerbund. Er will vor allem öffentlich Bedienstete unter Druck setzen, die vorsätzlich haushaltsrechtliche Vorschriften missachten. Berater Koetz fordert "die volle zivil-, straf- und dienstrechtliche Verantwortung für unbedachtes Handeln und Schlamperei". Seine Begründung: "Wenn keiner Verantwortung hat, setzt man gerne mal eine Milliarde in den Sand. Das ist wie bei den Finanzjongleuren – die würden das mit ihrem eigenen Geld auch nicht machen."

Zwar ist schon bisher Untreue strafbar, auch zulasten des Staates. Aber dies setzt Vorsatz voraus und einen eingetretenen Vermögensschaden. "Bei einem öffentlichen Großprojekt ist der Vermögensschaden oft nicht nachweisbar, weil es für diese Güter gar keinen Markt gibt", sagt Oberstaatsanwalt Peter Schneiderhan, der seinen Berufsstand im Präsidium des Deutschen Richterbundes vertritt. "Eine Differenz zwischen den angenommenen und den tatsächlichen Baukosten reicht dafür nicht aus." Wenn der Flughafen BER statt der geplanten zwei am Ende fünf Milliarden Euro kostet, wurde er zwar offensichtlich viel teurer. Aber ein Vermögensschaden wäre nur dann eingetreten, wenn die fertige Anlage weniger als jene fünf Milliarden Euro wert wäre; wenn es also eine Differenz gebe zwischen dem gezahlten Preis und dem erhaltenen Wert. "Aber wie will man feststellen, was eine Landebahn wert ist", fragt Oberstaatsanwalt Schneiderhan.
Auch Vorsatz ist schwierig nachzuweisen. Zwar genügt es schon, wenn der Bedienstete billigend in Kauf nimmt, dass ein Schaden eintreten könnte ("ist mir doch egal"). Deutlich erkennbar sei das aber nur, wenn etwa andere Stellen vor den Risiken gewarnt hätten. In jedem Fall aber erwartet Schneiderhan "sehr aufwendige Ermittlungen, für die wir derzeit gar nicht personell ausgestattet sind". Ein Teil der Fälle ließe sich mit einem enger gefassten Paragrafen zur Haushaltsuntreue, wie ihn der Steuerzahlerbund vorschlägt, durchaus erfassen. Nämlich jene Fälle, in denen sich die Beamten nicht an die Verfahrensvorschriften halten. Dazu zählt etwa der widerrechtliche Verzicht auf Ausschreibungen.
Dagegen warnt der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU:) "Ich halte nichts davon, jeden einzelnen Beamten zu kriminalisieren. Regelmäßige Berichte und ein klares Controlling genügen – mehr machen Unternehmen auch nicht". Der Beamtenbund übrigens mag sich zu der Frage, ob es einen Straftatbestand der Steuerverschwendung geben sollte, gar nicht äußern. Stattdessen verbreitet sich sein Bundesvorsitzender Klaus Dauderstädt über eine "in Teilen fehlgeleitete mediale und politische Debatte über den öffentlichen Dienst".
Mehr Effizienz in der Verwaltung
Die Beharrungskräfte des öffentlichen Dienstes sind immens. "Der Verwaltung fehlt die Fähigkeit, sich selbst zu modernisieren", urteil Jobst Fiedler von der Hertie School of Governance. Allerdings müssten einige Länder jetzt ihre Verwaltungen zwangsreformieren, so Fiedler, weil die Schuldenbremse teilweise einen zehnprozentigen Personalabbau erzwinge.
Eine weitere Peitsche ist die Demografie. Vor allem bei Behörden gleiche die Altersstruktur einem auf der Spitze stehenden Dreieck, so Thomas Northoff von der Beratungsgesellschaft Deloitte. Spätestens ab 2020 stelle sich die Frage, wie die öffentliche Verwaltung ihre Aufgaben mit dem verbleibenden Personal erfüllen könne.
Verbesserungspotenzial gibt es reichlich. Kommunen, die sich für die doppelte Buchführung entschieden haben, können gegenüber denen mit hergebrachter Kameralistik Verschwendungen besser erkennen – und beseitigen.
Wo die Beharrungskräfte schwinden, wachsen schließlich auch die Chancen für die ganz große Lösung: eine föderale Neuordnung. Berlin und Brandenburg hätten durch eine Fusion jährlich zwei Milliarden Euro einsparen können, rechnete der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin vor. Indes verweigerten die Bürger die Gefolgschaft und stimmten gegen den Zusammenschluss.
Mehr Kompetenz in den Amtsstuben





Das durch die Euro-Hawk-Drohne wieder ins Gerede gekommene Verteidigungsressort ist schon auf den ersten Blick ein aufgeblähtes Gebilde. Allein beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr kümmern sich 9500 Mitarbeiter um die Ausschreibung der Entwicklungsaufträge, die Erprobung, Beschaffung, den Einsatz und schließlich die Verwertung des Rüstungsmaterials – vom Panzer bis zur Unterhose der Soldaten. "Einkaufsabteilungen deutscher Großunternehmen wickeln vergleichbare Volumina mit einem Zehntel der Belegschaft ab", sagt ein externer Berater, der die Bundeswehr im Kampf mit der internen Bürokratie unterstützt.
"Manche Fälle erinnern an Schilda", sagt die Bundestagsabgeordnete Claudia Winterstein, die im Rechnungsprüfungsausschuss sitzt. Die FDP-Politikerin kennt Hunderte von Kopfschütteln auslösenden Fällen: etwa eine 16 Millionen Euro teure Zielsimulationshalle für die Bundeswehr, die seit 2004 fertig steht, aber nicht funktioniert, weil die Projektionsfläche verschmiert ist. Auch eine Bürstenanlage mit Ohrenhaaren von südamerikanischen Rindern (Kosten: eine Million Euro) konnte das Problem nicht lösen, dafür aber genehmigte die Bundeswehr inzwischen weitere 2,4 Millionen Euro zur Erweiterung des Projekts.
Mal passen Tragen nicht in Rettungshubschrauber, mal sind Zugmaschinen zu leicht, um Flugzeuge an den Haken zu nehmen. Wintersteins Tipp an die Beschaffer: "Einfach mehr Gedanken machen und Sorgfalt walten lassen."
Grenze auch für Staaten
Die Fantasie der Politiker, die Begehrlichkeiten der Lobbyisten und die Empfänglichkeit der Bürger haben eines gemeinsam: Sie scheinen unerschöpflich. Ein klares Ausgabenlimit ist deshalb unverzichtbar. Früher sollte Artikel 115 Grundgesetz die Ausgaben begrenzen. Das ging nicht gut. Die Verschuldungsbremse – eine Nettokreditaufnahme war bis zur Höhe der staatlichen Nettoinvestitionen erlaubt – entpuppte sich als Lizenz zum Schuldenmachen, auch in guten Zeiten. Seit 2009 gibt es daher eine neue Schuldenbremse in der Verfassung. Bund und Länder müssen ihre Neuverschuldung binnen zehn Jahren kontinuierlich herunterfahren. Das funktioniert bislang erstaunlich gut.
Doch es gibt ein weiteres, noch effektiveres Instrument: das Top-down-Verfahren. Bei der Aufstellung eines Haushalts gibt der Finanzminister für jedes Ressort die maximale Etathöhe vor, unterhalb der jeder Fachminister werkeln kann. Beim klassischen Bottom-up-Verfahren stellt dagegen jeder Minister erst sein Wunschprogramm vor, der Kassenwart muss dann die Ausgaben nach unten verhandeln, wobei die Kompromisslinie in der Regel bei der zulässigen Schuldengrenze liegt.
Die Bundesregierung hat sich das Top-down-Verfahren von den nordischen Ländern abgeschaut, erklärt Finanzstaatssekretär Werner Gatzer. Die Wirkung ist verblüffend groß: Allein der Bund hätte jetzt 100 Milliarden Euro mehr Schulden, wenn er sich nach dem alten Verfahren auf dem Abbaupfad der Schuldenbremse bewegt hätte. Mit der Top-down-Methode konnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble indes die Ausgaben im Griff behalten und die zusätzlichen Steuereinnahmen vollständig in den Defizitabbau stecken. Ein Modell für alle Länder und Kommunen!
Ohne die schwere Finanzkrise und den bedrohlichen Anstieg der Staatsverschuldung hätte der Kampf gegen die öffentliche Verschwendung weiterhin an Don Quichotte und die Windmühlen erinnert. So aber zeigt sich: Verschwendung ist kein gottgegebenes Schicksal. Aber auch kein Selbstläufer.