Verteidigung Bundeswehr-Reform ohne Konzept

Wären die deutschen Streitkräfte ein Unternehmen, drohte der Ruin: Verteidigungsminister Thomas de Maizière muss einen ineffizienten und überalterten Konzern wieder flottmachen – und dabei noch Milliarden einsparen.

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Allein unter Soldaten: Quelle: dpa

Diesen Gedanken hatte man einem Bundespräsidenten übel genommen. "Als rohstoffarmes und exportorientiertes Land müssen wir Vorsorge treffen für die Sicherheit unserer Transport- und Kommunikationswege sowie für den sicheren Zugang zu Energie- und Rohstoffressourcen“, warnte der Redner. „Auch die Arbeitsteilung, dass wir diese Rohstoffe gerne haben und andere für die Sicherheit sorgen, wird auf Dauer nicht so bleiben.“

Vor drei Jahren trug Thomas de Maizière, damals noch Chef des Bundeskanzleramtes, diese Überlegungen vor der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und der Clausewitz-Gesellschaft in Berlin vor. Ex-Bundespräsident Horst Köhler schied aufgrund der Kritik an einer im Kern ähnlichen Äußerung aus dem Amt. De Maizière muss sich jetzt als neuer oberster Befehlshaber deutscher Soldaten darüber Gedanken machen, wie die Bundeswehr nicht nur die Sicherheit deutscher Bürger gewährleisten kann – sondern auch, ob und wie die Truppe nationalen Wirtschaftsinteressen dienen soll.

Nach dem ruhmlosen Abgang seines Vorgängers Karl-Theodor zu Guttenberg übernimmt der nüchterne und wenig glamouröse de Maizière eine Truppe im Umbau. Für die tief greifende Reform, die die Armee auf ihre geringste Personalstärke seit der Gründung reduzieren soll, gibt es bislang allerdings nur wenige Leitlinien.

Ineffizienter Staatskonzern

Kein kommerzielles Unternehmen überstände diese Lage, ohne pleitezugehen: veralteter Maschinenpark, milliardenschwere Abnahmeverpflichtungen für längst überflüssiges Gerät, kein Geld für Investitionen in neue Anlagen. Und auf je drei Mann in Produktion und Vertrieb kommt eine Verwaltungs- oder Hilfskraft. Der Staatskonzern Bundeswehr muss mit all diesen Zwängen neue Aufgaben in aller Welt erfüllen – und soll dabei noch sparen.

Was müssen die Streitkräfte künftig können? Wie viel will der Steuerzahler dafür ausgeben? Wo bleiben wie viele Soldaten stationiert? Und: Weniger Soldaten, weniger Standorte, weniger Investitionen – was bedeutet das für die Wirtschaft, regional in den Garnisonsorten wie national für die Verteidigungsindustrie?

Dem Problem hat sich die Politik von hinten genähert: von den Kosten. Zu Guttenberg hatte im vergangenen Jahr den Haushalt zum bestimmenden Merkmal der Streitkräfte ausgerufen. Eine modernisierte Aufgabenbeschreibung gab es nicht.

Immerhin stellte im vergangenen Jahr eine Strukturkommission unter Leitung von Frank-Jürgen Weise, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, Grundzüge der neuen Bundeswehr zusammen. Die Bestandsaufnahme klang erschütternd: „Die allgemeine Verantwortungsdiffusion im Ministerium macht eine gezielte, sachgerechte und energische Steuerung unmöglich.“ Und weiter: „Gut ausgebildete und hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behindern sich gegenseitig in Strukturen, die nicht erfolgsfähig sind.“ Gleichzeitig präsentierten die Experten eine lange Vorschlagsliste. Der rote Faden: Die Effizienz der Bundeswehr müsse gestärkt werden, und zwar flott. „Gefordert sind schnelle Entscheidungen und, wenn nötig, umgehende Verfügbarkeit hochqualifizierter Streitkräfte.“ Ein halbiertes Ministerium, gestraffte Führungsstrukturen, ein beschleunigter Prozess für die Beschaffung von Rüstungsmaterial – bislang blieb es jedoch bei diesen Vorschlägen.

Schon der Umbau der Spitze von Verteidigungsministerium und Generalität geriet ins Stocken: Noch im Auftrag des früheren Ministers hatte Staatssekretär Walther Otremba auf Grundlage der Weise-Vorschläge ein Papier für die künftige Ressortstruktur erarbeitet. Doch kurz bevor zu Guttenberg darüber entscheiden wollte, trat er zurück – und der neue Amtsinhaber de Maizière trennte sich schnell, ohne Angabe von Gründen, von Otremba.

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