Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Vorwurf des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Nato sei „hirntot“, mit deutlichen Worten zurückgewiesen. Merkel sagte am Donnerstag in Berlin am Rande eines Besuchs von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Diese Sichtweise entspricht nicht meiner.“ Macron habe „drastische Worte“ gewählt. „Ein solcher Rundumschlag ist nicht nötig“, auch wenn sich die Nato-Partner zusammenraufen müssten. Europa müsse sein Schicksal etwas mehr in die eigenen Hände nehmen, aber das transatlantische Bündnis sei unabdingbar.
Stoltenberg sagte dazu, die Nato sei stark. Sie habe ihre kollektive Sicherheit vorangetrieben. Aber jeder Versuch, Europa von Amerika zu entfernen, gefährde auch die EU. Man müsse zusammenarbeiten, und die Nato weiter stärken. Merkel und Stoltenberg bereiteten in Berlin das Treffen zum 70. Jahrestag der Nato Anfang Dezember vor.
Die Kanzlerin bekräftigte, dass Deutschland seine Ausgaben für die Verteidigung bis 2024 auf 1,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) anheben werde. Man liege damit nicht in der Spitzengruppe, aber man habe diese Ausgaben in den vergangenen Jahres gesteigert. Stoltenberg zeigte sich zufrieden, dass Nato-Mitglieder nach Jahren der Reduzierung ihrer Verteidigungsausgaben diese jetzt wieder steigerten.
Schneller schlau: Nato
Der Kurzname Nato steht für
North
Atlantic
Treaty
Organization
– auf Deutsch: Organisation des Nordatlantikvertrags
Die Nato ist eine Allianz von europäischen und nordamerikanischen Ländern. Grundsätzlich heißt es bei der Nato, eine Nato-Mitgliedschaft sei offen für „jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen.“
Um Mitglied zu werden, muss man den sogenannten „Membership Action Plan“ der Nato erfüllen. Zu diesem Plan wird man von der Nato eingeladen.
Mit Schwedens Beitritt im März 2024 und dem Beitritt Finnlands im April 2023 hat die Nato aktuell insgesamt 32 Mitglieder.
Seit 1949 sind Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA dabei. Sie gelten als Gründungsmitglieder.
Später traten Griechenland und die Türkei (1952), Deutschland (1955), Spanien (1982), Polen, die tschechische Republik und Ungarn (1999), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2004), Albanien und Kroatien (2009), Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020) bei.
Stand: 11. März 2024
Die Nato und all ihre Mitglieder haben sich dazu verpflichtet, dass ein Angriff gegen eines oder mehrere ihrer Mitglieder einen Angriff gegen alle darstellt. Dies ist das sogenannte Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung. Es ist in Artikel 5 des Washingtoner Vertrags festgeschrieben und fand in der Geschichte der Nato erst einmal Anwendung: als Antwort auf die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 in den USA.
Laut Angaben der Nato beraten sich die Mitglieder täglich zu Sicherheitsfragen. Demnach kommen hunderte Beamte sowie zivile und militärische Experten jeden Tag zusammen.
Ein Nato-Beschluss ist „der Ausdruck des kollektiven Willens aller Mitgliedsstaaten“, schreibt die Nato fest. Alle Entscheidungen werden konsensbasiert getroffen, also nach Diskussion und Konsultation zwischen den Mitgliedsländern. Bei der Nato gibt es keine Abstimmungen. Ein Beschluss ist immer das Ergebnis von Beratungen, bis eine für alle akzeptable Entscheidung getroffen ist.
Der Nato-Generalsekretär ist der höchste internationale Beamte im Bündnis. Er ist das öffentliche Gesicht der Nato, leitet den Internationalen Stab der Organisation und verantwortet die Steuerung der Beratungen und die Entscheidungsfindung in der Allianz.
Die Nato hat sich dazu verpflichtet, nach friedlichen Lösungen von Konflikten zu suchen. „Doch wenn diplomatische Anstrengungen scheitern, hat sie die militärische Macht, Operationen des Krisenmanagements durchzuführen“, heißt es bei der Nato. Diese müssen den eigenen Auflagen zufolge „im Rahmen der Beistandsklausel im Gründungsvertrag der Nato – Artikel 5 des Washingtoner Vertrags – oder mit einem Mandat der Vereinten Nationen erfolgen, entweder allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Ländern und internationalen Organisationen.“
Das von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vorgeschlagene Ziel, die Verteidigungsausgaben bis 2031 auf die in der Nato schon für 2024 vereinbarten 2,0 Prozent zu heben, nannte die Kanzlerin realistisch. Auch Kramp-Karrenbauers Vorschlag eines nationalen Sicherheitsrates hat die Kanzlerin als richtige Idee bezeichnet. Merkel sagte, man habe dies innerhalb der Unionsparteien schon seit Jahren erwogen: Doch bisher sei es nicht möglich gewesen, dies in Koalitionsverträgen zu verankern. Dies könnte jedenfalls helfen, die gemeinsamen Anstrengungen zu verstärken.
Iran im Fokus
Eine der Problematiken, der sich das Verteidigungsbündnis derzeit stellen muss, ist die Iran-Krise. Merkel hat die Ankündigung des Irans kritisiert, die Urananreicherung am Wochenende wieder aufzunehmen. „Mit jedem Schritt wird aber natürlich die Situation schwieriger“, sagte Merkel am Donnerstag nach einem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin. Sie betonte aber zugleich, man sei nach wie vor mit dem Iran im Gespräch.
Außenminister Heiko Maas (SPD) habe schon am Vortag darauf hingewiesen, „dass das natürlich Schritte sind, die in die falsche Richtung gehen seitens Iran“, sagte Merkel. Eine abschließende Bewertung habe die Bundesregierung aber noch nicht vorgenommen.
Stoltenberg sagte, alle Verbündeten innerhalb der Nato machten sich Sorgen über diese Entwicklung im Iran und die destabilisierenden Aktivitäten des Irans in der Golfregion. Alle Verbündeten seien einer Meinung, dass Iran auf keine Fall in die Lage versetzt werden sollte, Nuklearwaffen zu entwickeln.
Am Wochenende will der Iran die Urananreicherung in der Atomanlage Fordo südlich von Teheran wieder aufnehmen. Inzwischen sei bereits Urangas in die 1044 Zentrifugen in Fordo injiziert worden, sie müssten aber vor der Anreicherung noch stabilisiert werden, erklärte der Sprecher der iranischen Atomorganisation (AEOI), Behrus Kamalwandi, am Donnerstag. Das werde noch bis Samstag dauern.
Die Maßnahmen sind ein Verstoß gegen das von den USA aufgekündigte Atomabkommen von 2015. Nach dem mühsam ausgehandelten Wiener Vertrag sollte Fordo nur für wissenschaftliche Projekte genutzt werden - die Zentrifugen dort durften ohne Gasinjektion lediglich getestet werden.