Volker Beck, Drogen und die Grünen „Die Politik ändert sich null Komma null durch diesen Vorfall“

Der Politiker Volker Beck ist mit harten Drogen erwischt worden. Vernichtet sein Drogenkonsum nun die historische Chance der Grünen, erstmals in einem Bundesland sogar die CDU zu überholen?

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Ein Grüner Bundespolitiker ist mit harten Drogen erwischt worden - soweit, so schlecht für seine Karriere und die Partei. Quelle: dpa

Berlin Ein Grüner Bundespolitiker ist mit harten Drogen erwischt worden - soweit, so schlecht für seine Karriere und die Partei. Doch die eigentliche Brisanz gewinnt der Fall durch die zeitliche Nähe zu den Landtagswahlen in einer Woche: Vernichtet der Drogenkonsum des Volker Beck nun die historische Chance der Grünen, erstmals in einem Bundesland – und noch dazu in Baden-Württemberg – sogar die CDU zu überholen und stärkste Partei zu werden?

Es spricht nicht allzu viel dafür. Erstens geht es um einen Politiker, der zwar unverkennbar im schwäbischen Sprachraum groß geworden ist, sonst aber keine Verbindung zum Ländle hat sondern für Köln im Bundestag sitzt und vor allem zu „denen in Berlin“ gehört.

Und von „denen“ hat sich der baden-württembergische Landesvater Winfried Kretschmann (Grüne) mehrfach deutlich distanziert – um im Zweifel – ohne Rücksicht auf die Bundespartei – sein Ding durchgezogen, beispielsweise bei der Entscheidung, Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.

Das erklärt inzwischen einen Gutteil seiner atemberaubenden Umfragewerte. Außerdem haben sich Kretschmann und seine Stuttgarter Mannschaft in den fünf Jahren der Legislaturperiode bei Schwaben und Badenern einen solch soliden Ruf als bürgerliche, solide, wertkonservative Kraft erarbeitet, dass daran die 0,6 Gramm der „betäubungsmittelverdächtigen Substanz“, bei der es sich nach Behauptung er Bild-Zeitung um das hochgefährliche Crystal Meth handeln soll, vermutlich kaum etwas ändern können.

Das prognostizieren auch Demoskopen wie Forsa-Chef Manfred Güllner. Er ist überzeugt, dass Beck Kretschmann nicht schaden kann: „An ihm prallt alles ab, was ihm in die Quere kommt. Der Kretschmann-Sog ist ungebremst.” Sicher, wenn es am nächsten Sonntagabend nur noch um wenige Zehntel Prozentpunkte geht, könnte die causa Beck fatal wirken. Immerhin ist sie geneigt, zumindest die Baden-Württemberger zu bestätigen, die dem bürgerlichen Image der Grünen nicht trauen und glauben, sei würden ruckzuck wieder zu sozialistischen radikal-ökologischen Utopisten mutieren, wenn Kretschmann einmal weg ist. Doch die wählen ohnehin nicht grün.
Zudem sind die allermeisten Wähler vermutlich informiert genug, um zwischen Cannabis, das die Grünen legalisieren wollen, und hochgefährlichen Substanzen wie Crystal Meth unterscheiden zu können.


„Wer ohne Fehl und Tadel ist, werfe den ersten Stein“

Vorsorglich hat Kretschmann das Vergehen des Volker Beck natürlich als „schweres Fehlverhalten“ gegeißelt. Bundes-Parteichef Cem Özdemir – dessen Bundestags-Wahlkreis immerhin in Stuttgart liegt – hat angedeutet, dass Beck am Ende wohl auch auf sein Mandat verzichten könnte. Auch wenn er eine Rehabilitierung seines Parteifreundes für möglich hält, wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte. Und der berühmt-berüchtigte Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer schreibt: „Die Politik im Land ändert sich null Komma null durch diesen Vorfall.“ Beck stehe schließlich nicht zur Wahl. Und dann stellt sich der grüne Rechtsaußen noch wohlwollend vor den Parteilinken Beck: „Wer ohne Fehl und Tadel ist, werfe den ersten Stein“, schreibt Palmer ganz christlich auf Facebook.

Dass der Schaden vermutlich sehr gering sein wird, zeigt auch der Blick auf das Jahr 2013. Damals brachen die Grünen im Bundestagswahlkampf ein, als kurz vor dem Urnengang zu den krassen Steuererhöhungsplänen auch noch der Ärger über den Veggie-Day kam: Der politische Gegner schaffte es im Handumdrehen, ihnen den Stempel der „Verbotspartei“ aufzudrücken. Damit nicht genug: Als dann auch noch die Pädophilie-Vorwürfe aus der grünen Urzeit auftauchten, wandten sich viele potenzielle Wähler kopfschüttelnd ab. Das dämpfte damals zwar auch die Umfrageergebnisse der Grünen in Baden-Württemberg – die Landes-Grünen, die zu dem Zeitpunkt seit zwei Jahren regierten, blieben aber immerhin bei Werten von über 20 Prozent.

Und bei den Widernissen der Bundestagswahlkampfes ging es immer um die Partei als Ganzes, ihr Programm, ihre Geschichte, ihre Ideologie. Nun geht es lediglich um das Fehlverhalten einer einzelnen Person - die sich zudem vorher große politische Verdienste erworben hat. Denn Volker Beck hat nicht nur erfolgreich für die Rechte von Homosexuellen gekämpft, sondern auch für die von Zwangsarbeitern und Wehrmachtsdeserteuren. Zuletzt bekam er gar den Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden für sein Engagement gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit.
Die Sorgen der grünen Wahlkämpfer im Ländle dürften also begrenzt sein. Das gilt spiegelbildlich auch für die Hoffnung der Südwest-CDU: um das Ruder herumzureißen, müsste ihr ein weit gravierender Fehler der Grünen zu Hilfe kommen. Wenn etwa Kretschmann seine Aussage aus den Anfängen seiner Regentschaft, dass weniger Autos generell besser sind, wiederholen würde, könnte das das Blut der Baden-Württemberger durchaus in Wallung bringen. Den Gefallen wird er den Christdemokraten aber nicht tun.

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