




Manche Bruckhausener verkauften unter diesem Druck. In den Straßen stehen leere und noch bewohnte Häuser direkt nebeneinander, viele Fenster und Eingänge sind verbrettert. Hausbesitzer Senel beklagt, dass auf dem angrenzenden Grundstück, das der Stadt gehört, ein Müll- und Sperrmüllberg wächst: „Das wird im Sommer Ratten anziehen.“ Auch gegen den Vandalismus solle die Stadt etwas unternehmen.
Überall sind Scheiben eingeworfen – Ghetto-Atmosphäre. Dabei sollten Abriss und Grüngürtel der „Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität“ dienen, verkündete Duisburgs Stadtrat, als er 2007 das Sanierungsverfahren beschloss. 70 Millionen Euro soll das Programm kosten – die Hälfte davon kommt vom heute schwer angeschlagenen Konzern ThyssenKrupp.
Im Stadtteil Hamborn ist die Konfliktlage ähnlich wie in Bruckhausen. Auch dort will die Stadt Straßenzüge abreißen, damit Investoren ein Factory Outlet Center bauen können – erwünschter Strukturwandel aus Sicht der Kommunalpolitiker. Aber die Bürgerinitiative Zinkhüttenplatz leistet Widerstand. Wer hat recht in den Konflikten? Der in Duisburg führende Immobilienmakler Axel Quester sagt hin- und hergerissen: „Beide Seiten.“
Dresden - Abriss storniert
Wenige Schritte von Dresdens Hauptbahnhof entfernt, am Wiener Platz, klafft seit 14 Jahren eine fußballfeldgroße Baugrube. Sie ist ein Überbleibsel eines gescheiterten Kaufhausprojekts, dessen Investor die Jahrhundertflut 2002 regelrecht davongespült hatte.
Der Schandfleck kostet die Stadt seitdem 30 000 Euro, jeden Monat. Permanent muss Grundwasser abgepumpt werden, das umliegende Tiefgaragen bedroht. Nun soll das Elend ein Ende haben. Der Hamburger Investor Revitalis Real Estate baut auf dem zentralen Filetgrundstück jedoch keinen Shoppingtempel und auch keine Büros, sondern 250 Wohnungen. Als Bagger 1998 die Baugrube aushoben, war das noch völlig undenkbar.
Denn Dresden schrumpft heute nicht mehr, es wächst – und zwar rasant. Hatte die Metropole 1999 nur noch rund 450 000 Einwohner, waren es 2012 schon 530 000 – mehr als vor der Wende. Bis 2025 soll die Zahl der Bewohner auf 557 000 steigen, prognostizieren die kommunalen Statistiker. Europas Mikroelektronikstandort Nummer eins, die Exzellenzhochschule TU Dresden und andere wissenschaftliche Einrichtungen ziehen Zuwanderer an – deutlich mehr beispielsweise als Leipzig. Zudem hat Dresden eine der höchsten Geburtenraten deutscher Großstädte.
Vor zwölf Jahren standen in der Elbmetropole 60 000 Wohnungen leer, jetzt sind es nur noch rund 15 000, sagt Chef-Stadtplaner Stefan Szuggat. In vier bis fünf Jahren werde diese Reserve auch noch aufgebraucht sein. Damit keine Wohnungsnot entsteht, stoppen Dresdens Regenten jetzt sogar den Abriss alter DDR-Plattenbauten. 136 Standard-Ostwohnungen sollten etwa im Stadtteil Johannstadt fallen. Nun bleiben sie erhalten.
Der triste Wohnkoloss in Johannstadt gilt plötzlich als unverzichtbar. Als Dresden 2006 rund 48 000 städtische Wohnungen an die zum US-Finanzinvestor Fortress gehörende Immobiliengesellschaft Gagfah verkaufte, um sich zu entschulden, vereinbarten beide Seiten, dass die Gagfah davon 4000 abreißen müsse. Vor allem am Stadtrand verschwanden Dutzende Arbeitersilos – wie sich heute zeigt, das eine oder andere zu viel. „Es gibt inzwischen sogar Überlegungen, neben dem Block, der jetzt erhalten bleibt, einen weiteren zu bauen“, sagt ein Gagfah-Sprecher