Von EEG bis Stromsteuer „Viele kleine Hürden bremsen die Energiewende massiv aus“

Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang? Die Energiewende, für die der grüne Minister Robert Habeck ein neues Momentum schaffen will, zeigt sich nicht im besten Zustand. Quelle: imago images

Die Familie in der Stadt freut sich über Ökostrom für Kühlschrank und Klimaanlage – und auf dem Land gucken sie auf das Windrad? Für Niedersachsens Energieminister braucht die Energiewende von Robert Habeck dringend einen Zustimmungs-Booster.

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Noch knapp elf Wochen bis Ostern. Robert Habeck dürfte sich die Feiertage irgendwo dick im inneren Kalender markiert haben. Denn bis dahin soll das erste Gesetzespaket zur Energiewende des neuen Bundeswirtschaftsministers kabinettsreif sein.

Nur noch elf Wochen.

Die jüngsten Wirren um Stopp und Wiederaufnahme der KfW-Bauförderung, horrende Gaspreise, dazu Windkraftzweifel in Bayern und stockender Ausbau von Stromleitungen lassen wenig Zweifel: Besagte Energiewende, für die der grüne Minister ein neues Momentum schaffen will, zeigt sich nicht im besten Zustand. Die Probleme, externe wie hausgemachte, häufen sich gerade.

Nach der Teil-Sanierung des KfW-Wirrwarrs am Dienstagnachmittag muss sich Habeck nun insbesondere dem einen Problem stellen, das schon sein Vorgänger Peter Altmaier (CDU) wortreich adressierte, aber nie auflösen konnte: je näher Windräder und Trassen den Bürgerinnen und Bürgern rücken, desto unpopulärer werden sie. Im Allgemeinen erfreut sich der nachhaltige Umbau der Energieversorgung großer Zustimmung, im Besonderen rührt sich der Protest.

„Wir haben ein großes Thema mit der Akzeptanz, wenn es um die konkrete Umsetzung geht“, bestätigt Olaf Lies (SPD), Habecks Landeskollege aus Niedersachsen. Der überwiegende Teil der Windprojekte werde beklagt, sagt der Energieminister aus Hannover, mittlerweile häuften sich sogar Bürgerentscheide gegen Solarprojekte auf Freiflächen. „Das steht sinnbildlich für die vielen kleinen Hürden, die in Summe die Energiewende massiv ausbremsen“, so Lies. Sein Vorschlag: „Wir brauchen ein Akzeptanz-Paket für den Ausbau der Erneuerbaren“, sagt er der WirtschaftsWoche.

Lesen Sie auch: Wie es um den Ausbau der Erneuerbaren steht, zeigt unser Energiewende-Tracking.

Akzeptanzpaket? Ein Unterhaken von Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltverbänden und gerade auch den Kommunen schwebt Lies vor. Unter der Leitung des Bundeswirtschaftsministers könnte so „ein breiter Konsens erarbeitet werden“.

von Karin Finkenzeller, Max Haerder, Vinzenz Neumaier

Der Schlüssel sei Wertschöpfung in den Regionen. Es dürfe schließlich nicht sein, dass „sich die Familie im 4. Stock in der Stadt mit Fahrstuhl, Kühlschrank und Klimaanlage über den grünen Strom aus der Steckdose freut – und die Menschen in den ländlichen Gebieten gucken auf das Windrad“. Sonst, fügt Lies hinzu, sei es „kein Wunder, dass der Ausbau vor Ort kritisch gesehen wird“. Konkret müssten Kommunen noch stärker von jeder produzierten Kilowattstunde profitieren; Bürgerinnen und Bürger sollten sich leichter an großen Windparks beteiligen können; der regional produzierte Strom könnte außerdem zuerst den Firmen vor Ort ihre Versorgung sichern.

Wohin mit den Rotoren?

Eine der umstrittensten Zielvorgaben der neuen  Bundesregierung betrifft dabei das Zwei-Prozent-Ziel. So viel Fläche soll künftig bundesweit für Windräder zur Verfügung stehen. Ob das überall zu schaffen sein wird – und was passiert, wenn nicht – ist vollkommen offen. Man dürfte, sagt Niedersachsens Minister, die Debatte deshalb nicht auf diese zwei Prozent verengen. „Wir müssen weniger darüber sprechen, was auf den zwei Prozent nicht geht, sondern was wir woanders mehr tun können. Wenn wir bundesweit etwa in einem Fonds rund eine Milliarde Euro für mehr Arten- und Naturschutz in die Hand nehmen, kommen wir sehr schnell zu sehr guten Erfolgen.“



Was auch Lies weiß: Das dürfte allerdings eher ein mittelfristiges Projekt sein. Kurzfristig müssen andere Lösungen her – gerade für die exorbitant gestiegenen Energiepreise. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bekundete in den vergangenen Tagen schon einmal seine Bereitschaft, für eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage Milliarden aus dem Bundeshaushalt locker zu machen. Auch Habeck drängt sehr darauf. Bislang sollte sie Anfang 2023 abgeschafft werden, nun könnte es bereits Mitte des Jahres so weit sein. Sogar ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren ist möglich. Allein: die Frage der Finanzierung und der Kostenprognose gestaltet sich noch komplizierter als gedacht.

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Eine Entlastung von vier Cent je Kilowattstunde würde das baldige EEG-Ende wohl bringen, rechnet das niedersächsische Energieressort vor. Ein Anfang, findet Lies. Aber: „Ein anderer Preisbestandteil ist die Stromsteuer selbst. Hier müssen wir darüber diskutieren, ob und wie wir uns möglichst zügig dem europäischen Mindestsatz annähern können.“ An die Stromsteuer will beispielsweise auch der Bundesverband der deutschen Industrie heran.

Ob Robert Habeck auch das ähnlich sieht, wird man wohl spätestens Ostern wissen.


Mehr zum Thema: Wirtschaftsminister Habeck will das große Windrad drehen. Er attestiert Deutschland einen „drastischen Rückstand“ bei der Energiewende – und provoziert politische Abwehrreaktionen.

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