
Wenn sich die Vertreter der rund 370.000 Ärzte ab Dienstag in Hamburg bei Kammermusik und Sekt mit Häppchen zusammenfinden, könnte alles so sein wie immer. Auch der 119. Deutsche Ärztetag wird etwas verstaubt und sehr festlich beginnen. Redner werden die Bedeutung des Berufsstandes für die Gesellschaft hervorheben. Unter den Delegierten des „Ärzteparlaments“ wird ein bestimmter Typus überwiegen: Männer jenseits der 50, fleißig und intelligent, aber auch leicht reizbar und immer mal überzeugt, zu kurz zu kommen.
Soweit zur Fassade. Denn hinter den Kulissen herrscht offener Kampf: Zwischen Fachärzten und Hausärzten um Honorare und Einfluss, zwischen Ärztekammer und privaten Krankenversicherungen um die Vergütung für Privatpatienten.
Schon vor dem Beginn des Ärztetag treffen sich am heutigen Montag verschiedene Verbände, von den Hausärzten bis zu den Krankenhausmedizinern. Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geht es besonders hoch her. Gegen die Kassenärzte hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (SPD) gleich mehrere Strafanzeigen gestellt. Es gab bereits Razzien. Gerichtsverfahren laufen.
Längst stellt sich die Frage, ob die Mediziner, die ähnlich wie die Krankenkassen viel im Gesundheitssystem selbst organisieren dürfen, ihren Aufgaben gewachsen sind.
Was Ärzte verdienen
Allgemeinmediziner verdienen im Vergleich am wenigsten. Ihr Jahreseinkommen liegt nach Abzug der Praxiskosten, aber noch mit persönlichen Abgaben und Steuern bei 116.000 Euro. Das hat das Statistische Bundesamt 2013 ausgerechnet.
Um die kleinsten und schon etwas größeren Erdenbewohner kümmert sich der Kinderarzt. Er verdient 124.000 Euro im Jahr.
Eine Schädigung des Gehirns nach einen Schlaganfall zeigt dieses Bild eines Professors aus Jena. Neurologen und Psychiater liegen mit ihrem Einkommen von 128.000 Euro auf dem drittletzten Platz.
Künstliche Hüftgelenkkugeln aus Biokeramik mit einem vergrößerten Durchmesser von 36 Millimetern sind eine Entwicklung einer Orthopädie-Firma aus Ostthüringen. Neue Hüften, aber auch Prothesen verschreibt der Orthopäde. Mit 186.000 Euro Jahreseinkommen hätte es beinahe für den Spitzenplatz gereicht.
Radiologen verdienen mit Abstand am besten: Ihr Jahreseinkommen liegt bei 264.000 Euro; damit verdienen sie knapp 80.000 Euro mehr als der zweitplatzierte Orthopäde.
Nach dem Organskandal - hier die Entnahme einer Niere im Universitätsklinikum Jena - haben vor allem Urologen an Prestige verloren. Ihrem Verdienst hat das bislang nicht geschadet: Mit 167.000 Euro Jahreseinkommen liegen sie auf Platz 4
Erkrankungen wie der graue Star lassen sich mit diesem Gerät besonders gut erkennen. Mit einem Jahreseinkommen von 170.000 Euro im Jahr liegt der Augenarzt auf Platz 3 der bestverdienenden Mediziner in Deutschland.
Hier bereitet sich der Chirurg auf die Operation einer gebrochenen Hand vor. Er hat ein Jahreseinkommen von 148.000 Euro im Jahr.
Jedes Jahr sterben etwa 18.000 Frauen an Brustkrebs, 48.000 Fälle werden diagnostiziert. Vorsorgeuntersuchungen sollten beim Frauenarzt gemacht werden. Er verdient mit 145.000 Euro etwas mehr als der HNO-Arzt.
Mit diesem Vergrößerungsglas wird hier die Hautkrebs-Früherkennung durchgeführt. Für mehr als 218 000 Menschen ist die Diagnose tödlich. Der Hautarzt hat 155.000 Euro zur Verfügung.
Über 100 Jahre alt ist der Ohrstöpsel schon alt. Um die Gesundheit drei unserer Sinnesorgane kümmert sich der Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Dafür wird er mit jährlich 144.000 Euro entlohnt.
Der Internist, der sich vor allem um Organe im inneren des Menschen wie Herz und Nieren kümmert, liegt mit seinem Verdienst bei 158.000 Euro im Jahr.
Minister Gröhe hat der KBV nach langem Zögern nun das äußerste angedroht – die Zwangsverwaltung. Dann könnte diese zum Beispiel nicht länger allein über die Verteilung der Honorare für 165.000 Praxisärzte und Psychotherapeuten entscheiden. Ein Staatskommissar würde die Geschäfte führen.
Gröhe droht mit Zwangsverwaltung
Der Chef der Kassenärzte, der Orthopäde Andreas Gassen, gab sich zwar betont optimistisch: „Ich habe keine wirkliche Sorge, dass der Staatskommissar in die KBV kommt." Doch könnte eine Mehrheit seiner auf Krawall gebürsteten Ärztefunktionäre auch die letzte Frist missachten.
Bis zum heutigen Montag muss seine Organisation beschließen, ihre zahlreichen Skandale aufzuarbeiten. Sonst "wird das Bundesministerium für Gesundheit auf Kosten der KBV die Geschäfte der Körperschaft selbst führen", ließ Gröhe schriftlich ausrichten.
Der Streit schaukelt sich seit längerem schon hoch. Das Ministerium hatte Gassens Vorgänger Andreas Köhler verklagt, weil der einen Mietkostenzuschuss von gut 95.000 Euro erhalten hatte – wohl zu Unrecht. Gröhe verlangt, dass die KBV endlich aufräumt: Der frühere Chef der Kassenärzte, Andreas Köhler, bekommt offenbar gut 21.000 Euro Ruhestandsgeld im Monat, bezahlt aus Kassenbeiträgen.
Die KBV-Vertreterversammlung soll auf Druck des Ministeriums beschließen, die Zahlung anzufechten. Ebenso offensichtlich zu hohe Versorgungsleistungen an Mitarbeiter, die der Ex-Chef bewilligt haben soll. Gröhe verlangt zudem ein Konzept, wie die Ärzte dubiose Immobiliengeschäfte abwickeln wollen. Die KBV soll ohne Genehmigung eine Tochter der Ärzte- und Apothekerbank samt Immobilien übernommen haben.