Vor dem Sonderparteitag Schicksalstag für die SPD

Das SPD-Logo Quelle: dpa

Mit drei unausgesprochen Drohungen hofft SPD-Chef Martin Schulz die Parteibasis am Sonntag von einer neuen GroKo zu überzeugen. Doch zwei mächtige Landesverbände stellen neue unerfüllbare Bedingungen.

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Untergang oder Selbsterlösung, drunter geht's nicht. Was die SPD nicht begreifen will: Ein Zurück zur Kanzlermacht ist nur gegen eine sozialdemokratische Agenda möglich - und mit Olaf Scholz.
von Dieter Schnaas

Nach über zwei Stunden Diskussion stand das Ergebnis in der Gaststätte Ruhmöller im münsterländischen Saerbeck fest. Und es fiel deutlich aus: Rund 70 Prozent der 120 Mitglieder der SPD-Steinfurt stimmten gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. „Wir sind als SPD in den vergangenen Jahren zu oft enttäuscht worden“, fasste SPD-Kreisgeschäftsführerin Katharina Biegi die Stimmung zusammen. Nun werde es auf dem Sonderparteitag am Sonntag „spannend“.

Nicht nur im Münsterland, in vielen SPD-Ortsvereinen im ganzen Land ist die Skepsis gegenüber eine neuen Großen Koalition förmlich zu greifen. Der SPD steht daher am Sonntag in Bonn ein historischer Parteitag bevor: Deutschland, SPD-Parteivize Olaf Scholz meint sogar ganz Europa, schaut darauf, ob die SPD den Weg für die Bildung einer neuen Regierung in Europas größter Volkswirtschaft frei macht – oder ob sie Deutschland in eine Regierungskrise stürzt und die deutsche Sozialdemokratie vor eine Zerreißprobe stellt.

SPD-Chef Martin Schulz kämpfte in den vergangenen Tagen in Einzelgesprächen um jeden Delegierten. Die SPD habe große Verhandlungserfolge in den Sondierungen erzielt, hämmerte er seinen Leuten ein. Einlösen könne man diese nur, „wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen“, schrieb er am Freitag in einem Brief an alle SPD-Mitglieder. Landes- und Kommunalpolitiker verfassten ebenfalls Appelle an die Basis, auch frühere SPD-Chefs wie Franz Müntefering oder Partei-Urgesteine wie Erhard Eppler sprangen Schulz bei. „Es gibt innenpolitisch ein paar Ergebnisse, die ich sehr erfreulich finde“, schreibt Eppler in einem Gastkommentar für das Handelsblatt.

Doch den GroKo-Gegnern reicht das nicht. So wollen die beiden großen Landesverbände NRW und Hessen am Sonntag einen gemeinsamen Antrag einbringen, in dem sie „substanzielle Verbesserungen“ gegenüber dem Ergebnis der Sondierungen fordern. Konkret fordern die beiden Landesverbände die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen und die Angleichung der Honorarordnungen für gesetzlich und privat Krankenversicherte – was eine Art Einstieg in eine Bürgerversicherung wäre. Zudem spricht sich der Antrag für eine Härtefallregelung für den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus aus.

Drei Drohungen stehen im Raum

Was passieren soll, wenn sich die Parteispitze nicht auf diese Forderungen einlässt, steht nicht in dem Antrag. Doch solche Nachbesserungen wird die SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht herausholen können, das weiß die SPD-Spitze, die am Samstagnachmittag und -abend den Parteitag in Gremiensitzungen vorbereitet. Denkbar wäre allenfalls, dass Schulz einen Punkt aus dem Antrag aufnimmt. So ähnlich hatte die SPD-Spitze schon auf dem Parteitag im Dezember agiert, als sie den Antrag aus NRW aufgriff, statt eines kleinen einen großen Parteitag über die Sondierungsergebnisse abstimmen zu lassen – und so die aufgebrachten Gemüter beruhigte.

Neben solch taktischen Spielchen wird es am Sonntag sehr auf die Rede von Martin Schulz ankommen. Der SPD-Chef wird versuchen, die Sondierungserfolge herauszustellen. Insbesondere der neue Europa-Kurs dürfte ein Schwerpunkt in seiner Rede werden. Neben den Inhalten stehen aber vor allem drei Drohungen im Raum, um die potenziellen GroKo-Gegner zu überzeugen.

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