Vor den Sondierungen SPD und CSU fordern – die CDU schweigt

Konfliktträchtige Positionierungen: Thorsten Schäfer-Gümbel, Manuela Schwesig (beide SPD), Joachim Herrmann, Alexander Dobrindt (beide CSU) Quelle: Illustration

Die GroKo-Spitzen laufen sich für die Sondierungen zur Fortsetzung ihrer Koalition warm. Konfliktträchtige Forderungen zu Einwanderung und Bildung kommen von SPD und CSU, nur die CDU hält sich auffallend zurück.

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Wenn am Mittwoch die Spitzen der Unionsparteien und der SPD zusammenkommen, um die Sondierungen für eine mögliche Große Koalition vorzubereiten, liegen bereits einige konkrete Forderungen auf dem Tisch. Die steuer-, bildungs- und einwanderungspolitischen Konflikte zwischen SPD und CSU dürften hart werden. Die Kanzlerin und ihre CDU fielen dagegen im Vorfeld der Gespräche kaum mit inhaltlichen Positionierungen auf.

An dem Gespräch werden wohl wie schon vor Weihnachten neben der CDU-Vorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel, die Parteichefs Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) teilnehmen, die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU) und Andrea Nahles (SPD) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Sondierungen in größerer Runde beginnen dann offiziell am 7. Januar und sollen schon am 12. Januar abgeschlossen sein. Am 21. Januar entscheidet dann ein SPD-Parteitag über das weitere Vorgehen. Sollte es danach förmliche Koalitionsverhandlungen geben, bräuchte der ausgehandelte Vertragstext noch die Billigung durch einen SPD-Mitgliederentscheid.

Bayrisches Feuerwerk an Forderungen

Im Gegensatz zu Merkels CDU zündet die Schwesterpartei aus Bayern zu Beginn dieses Jahres ein ganzes Feuerwerk an Forderungen. Bei ihrer Klausurtagung in Kloster Seeon am Donnerstag will die CSU-Landesgruppe im Bundestag einen „Wachstumsplan für Deutschland“ beschließen, der dem möglichen Koalitionspartner SPD übel aufstoßen dürfte. Dazu zählen insbesondere eine Absenkung der Körperschaftsteuer und ein vollständiger Abbau des Soli, darüber hinaus auch eine steuerliche Forschungsförderung und bessere Abschreibungsbedingungen für Unternehmen. Im Gegensatz dazu hatte die SPD-Vizevorsitzende Andrea Nahles vor Weihnachten eine Anhebung der Steuern für Reiche gefordert.   

Profil will die CSU weiterhin bei der inneren Sicherheit und dem Umgang mit Flüchtlingen zeigen. Ärger mit der SPD dürfte es vor allem bei den beiden Punkten „Menschen ohne Bleiberecht schieben wir noch konsequenter ab“ sowie „Wir wollen die Sozialleistungen für Asylbewerber kürzen“ geben. Aber auch die Forderung „Wir lehnen eine generelle doppelte Staatsangehörigkeit ab“ ist bei den anstehenden Sondierungsgesprächen in der kommenden Woche konfliktträchtig.

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Julia Klöckner Quelle: dpa
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Michael Kretschmer, CDU Quelle: dpa
Lars Klingbeil, SPD Quelle: dpa
Katarina Barley, SPD Quelle: dpa
Jörg Meuthen, AfD Quelle: dpa
Marco Buschmann, FDP Quelle: dpa

„Damit Deutschland nicht weiter Anziehungspunkt für Flüchtlinge aus der ganzen Welt ist, wollen wir die Sozialleistungen für Asylbewerber kürzen“, sagte Dobrindt dem „Münchner Merkur“. Dazu will die CSU den Zeitraum von bisher 15 auf 36 Monate verlängern, in dem Asylbewerber nur einen Grundbedarf erstattet bekommen, bevor sie dann Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe erhalten. Zudem wolle man für abgelehnte Asylbewerber „die Leistungen weitergehend einschränken beziehungsweise auf Sachleistungen umstellen“, wurde das Beschlusspapier zitiert.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte außerdem mehr Transparenz über die Abschiebepraxis der Länder – eine Spitze gegen die SPD-regierten Länder. „Es muss eine Verpflichtung für die Länder geben, die Zahl der Abschiebungen monatlich zu veröffentlichen, einschließlich der Gründe für nicht erfolgte Abschiebungen“, ließ Dobrindt verlauten.

Seehofer: Familiennachzug bleibt ausgesetzt

Seehofer sagte zum Streitthema Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus: „Wir knicken nicht ein. Wir haben eine klare Vereinbarung mit der CDU. Darin ist vorgesehen, dass der Familiennachzug für Menschen, die nur vorübergehend hier sind, weiter ausgesetzt bleibt. Diese Position ist unsere Verhandlungsgrundlage mit der SPD.“
Antragssteller sollten Asyl und Schutzstatus erst dann erhalten, wenn ihre Identität in Entscheidungs- und Rückführungszentren zweifelsfrei geklärt wurde. Die Altersangaben angeblich minderjähriger Flüchtlinge sollten obligatorisch überprüft werden. Zur Abwehr von Terrorgefahren soll der Verfassungsschutz auch Minderjährige überwachen dürfen.

Dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz wollen die CSU-Abgeordneten quasi persönlich eins auswischen. Auf dessen Herzblutthema Europa wollen die CSUler bei ihrer Klausurtagung mit einem „Wir kämpfen für ein schlankes Europa der Stärke“ reagieren  – und wenden sich damit gegen „europaradikale Politiker“, die mit der Forderungen nach den Vereinigten Staaten von Europa nur noch mehr Austritte aus der EU provozieren würden. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel kritisierte das. „Wir können die Globalisierung nur gestalten, wenn wir in der EU zusammenrücken“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. „Wer sich dem verweigert, gefährdet die Zukunft Deutschlands wie Europas.“

Für Schäfer-Gümbel ist eine neue große Koalition keineswegs ausgemachte Sache. „Einige Äußerungen aus der Union der letzten zwei Wochen lassen mich erheblich am Willen zweifeln“, sagte er. CDU und CSU seien auf die SPD angewiesen, weil eine Jamaika-Koalition nicht zustande gekommen sei. „Das scheinen viele in der Union noch immer nicht begriffen zu haben“, sagte er. „Die Minderheitsregierung bleibt eine Option, auch wenn Kanzlerin Angela Merkel das nicht wahrhaben will.“

Entsprechend deutlich bringen führende SPD-Politiker schon jetzt konkrete Forderungen vor. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagte, die SPD habe bei wichtigen Themen wie der Ost-West-Angleichung der Rente oder beim Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit in der vergangenen Legislaturperiode erleben müssen, dass die Union Verabredungen nicht eingehalten habe. Die Union sei „jetzt gut beraten, auf die SPD zuzugehen und nicht gleich wieder zu allem Nein zu sagen“.

Nicht zuletzt in der Steuer- und Sozialpolitik deutet vieles auf schwierige Sondierungen hin. Während für die Union Steuererhöhungen nicht verhandelbar sein dürften, wollen viele Genossen unbedingt Spitzenverdiener stärker belasten. Auch eine Reform der Erbschaftsteuer – ein rotes Tuch gerade für die CSU – ist für viele SPDler ein Gebot der Gerechtigkeit.

Kaum weniger konfliktreich ist die Reform der Alterssicherung. Der mächtige SPD-Landesvorsitzende aus NRW, Michael Groschek, hat ein höheres Rentenniveau gerade erst zur Koalitions-Bedingung erklärt. Das würde allerdings Milliarden kosten, die CDU und CSU lieber anderweitig verplanen würden – Stichwort: Mütterrente.

Streit um Bildungspolitik

Als wäre das nicht schon genug Zündstoff, wollen einflussreiche Sozialdemokraten endlich Ernst machen mit der langjährigen Forderung nach einer Bürgerversicherung. Genauso vehement allerdings wird von Unionsseite bisher jeder Angriff auf die privaten Krankenkassen blockiert.

Immerhin: Über Weihnachten sendete SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles ein Kompromisssignal. Zwar sprach auch sie in einem Spiegel-Interview von der „Zwei-Klassen-Medizin“, im Detail aber waren ihre Forderungen dann weniger radikal. Vielleicht also endet die Bürgerversicherung wieder als Tauschpfand.

Besonders stark machten sich SPD-Politiker zuletzt gegen das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich. Bildung ist primär Ländersache, die Trennung der Kompetenzen wurde 2006 im Grundgesetz verankert. Die SPD-regierten Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen hatten im September im Bundesrat gefordert, das Verbot abzuschaffen. „Dass das Verbot fallen muss, davon bin ich überzeugt“, sagte Schäfer-Gümbel. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) äußerte sich etwas weniger radikal für eine Aufweichung: „Angesichts der nationalen Bedeutung von Bildung ist es richtig, dass es mehr Möglichkeiten für den Bund gibt, Deutschland als Bildungsstandort zu stärken.“  Allerdings müsse Bildung auch künftig „von Ländern und Kommunen organisiert und im Wesentlichen finanziert werden“, sagte Scholz. Schwesig kritisierte, das Kooperationsverbot stehe der Chancengleichheit im Wege. „Es muss jetzt die kostenfreie Kita kommen und auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsschule. Dafür müssen entsprechende Gelder bereitgestellt werden, die der Bund ja durchaus auch hat“

Auch in der Bildungspolitik ist es vor allem die CSU, die einen strammen Kurs gegen die SPD setzt. In einer der Beschlussvorlagen für die Klausurtagung in Seeon ist davon die Rede, dass die „linke Bildungspolitik gescheitert“ sei.

Unkonkrete Kanzlerin

Und die Kanzlerinnenpartei CDU? Sie bleibt auffällig still. In ihrer Neujahrsansprache machte Merkel sehr deutlich, dass Sie eine rasche Regierungsbildung wünscht – „Die Welt wartet nicht auf uns“ -, und sprach generell von der Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass es Deutschland auch in zehn, fünfzehn Jahren gut gehe. Sie nannte die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Digitalisierung, aber auch die finanzielle Entlastung von Familien, gute Pflege und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land.

Konkreter wurde nur der CDU-Wirtschaftsrat. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa forderte der Generalsekretär der Vereinigung, Wolfgang Steiger, finanzielle Erleichterungen für Bürger und Unternehmen. Angesichts von Rekord-Steuereinnahmen und Haushaltsüberschüssen seien „umfassende steuerliche Entlastungen solide ohne Gegenfinanzierung umzusetzen.“ Forderungen der SPD etwa nach Steueranhebungen für hohe Einkommen lägen fern der globalen Realitäten.

In einem anderen Gespräch richtete Steiger bezeichnenderweise einen Appell nicht an seine eigene, sondern an die bayerische Schwesterpartei, lieber eine Minderheitsregierung zu bilden, als auf eine Fortsetzung der großen Koalition zu setzen. „Wenn aber in Berlin die Weichen durch eine Weiter-so-GroKo falsch gestellt werden, wirkt sich das auch südlich des Mains negativ aus“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen".

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