
Die EU-Kommission macht in Sachen Vorratsdatenspeicherung ernst: Noch diese Woche soll Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden. Wie aus einem Dokument hervorgeht, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, ist der Beschluss für Donnerstag geplant.
Ende April war eine letzte Frist verstrichen, in der die Bundesrepublik zumindest hätte beginnen müssen, die EU-Richtlinie in nationales Recht zu übertragen. Doch die schwarz-gelbe Koalition kann sich nicht auf einen Gesetzentwurf einigen.
Der EuGH könnte gegen Deutschland eine Geldbuße verhängen, die sich nach Berechnungen des Innenministeriums auf 32,5 Millionen Euro belaufen könnte. Verbindungsdaten von Telefonen oder Internetanschlüssen sollen nach dem EU-Gesetz zur Verbrechensbekämpfung gesammelt und ausgewertet werden können.
Telekommunikationsunternehmen in Europa sollen bestimmte Daten von Bürgern auf Vorrat speichern - für den Fall, dass Terrorfahnder oder Polizei sie später einmal brauchen. Basis dafür ist eine EU-Richtlinie zur Terrorabwehr und Strafverfolgung von 2006. Sie verpflichtet die Staaten, dafür zu sorgen, dass Telekom-Unternehmen ohne Anfangsverdacht oder konkrete Gefahr Verbindungsdaten von Privatleuten über Telefonate und E-Mails festhalten.
Ziel der Vorratsdatenspeicherung ist es, schwere Straftaten zu verhüten und Kriminelle besser verfolgen zu können. Laut EU-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten für die Datenspeicherung sorgen. Festgehalten werden sollen Name und Anschrift des Teilnehmers sowie Rufnummer, Uhrzeit und Datum einer Telefonverbindung - bei Handys auch der Standort zu Gesprächsbeginn. Verbindungsdaten zu SMS, Internet-Nutzung und E-Mails gehören ebenfalls dazu.
Keine Einigung bei der Regierungskoalition
Der Inhalt des Gesprächs ist demnach nicht betroffen. In Deutschland ist die Vorratsdatenspeicherung gesetzlich aber noch nicht geregelt. Zwar trat im Januar 2008 ein entsprechendes Gesetz in Kraft, das die Speicherung der Verbindungsdaten von Telefon oder Internet für sechs Monate vorsah.
Im März 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Regelung allerdings für verfassungswidrig - bis dahin gesammelte Daten mussten gelöscht werden. Nach Ansicht der Richter war der Datenschutz nicht ausreichend und die Hürden für den staatlichen Zugriff zu niedrig. Die EU-Richtlinie selbst stellten die Richter dabei nicht infrage und sprachen sich für eine Neufassung des deutschen Gesetzes aus.
Doch die Regierungskoalition ist darüber zerstritten, seit Monaten gibt es keine Bewegung in dem Streit zwischen CDU/CSU und FDP. Mit ihrer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) will die EU-Kommission Deutschland nun zu einem nationalen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zwingen.
Die FDP lehnt die von der EU verlangte anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten für einen Zeitraum von sechs Monaten strikt ab. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert dagegen, die Daten nur im Verdachtsfall zu speichern. Die Industrie unterstützt die Blockade der FDP. Sie argumentieren, mit der Umsetzung des Gesetzes solle erst die schon angelaufene Reform der EU-Richtlinie abgewartet werden.
Die EU-Kommission dagegen beharrt darauf, dass dennoch geltendes Recht eingehalten werden muss. Zudem ist noch kein Termin absehbar, wann Innenkommissarin Cecilia Malmström die Revision vorschlägt. Sie hatte früher erklärt, den Datenschutz dabei verbessern zu wollen - es bleibt aber abzuwarten, ob sie so weit gehen wird wie Leutheusser-Schnarrenberger fordert
Mit Material von dpa und Reuters