
Heute treffen sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), um erneut über die Vorratsdatenspeicherung zu diskutieren. Eine Einigung ist unwahrscheinlich. Friedrich hatte schon vor dem Treffen klar gemacht, dass er von seiner Position nicht abweichen werde. Heißt: Keine EU-internen Extrawürste für Deutschland, die Vorratsdatenspeicherung für sechs Monate muss her. Kontrahentin Leutheusser-Schnarrenberger besteht darauf, dass Daten von Personen nur bei dem konkretem Verdacht einer Straftat gespeichert werden sollen.
Was für die Vorratsdatenspeicherung spricht
Bei der Verfolgung von Kriminalität im Internet wie der Verbreitung von Kinderpornos und Datenklau kommen Ermittler mit den klassischen Ermittlungsinstrumenten nicht weit.
Das Bundeskriminalamt (BKA) verweist darauf, dass zwischen März 2010 und April 2011 rund 80 Prozent der Daten-Anfragen an Telekommunikationsanbieter nicht beantwortet wurden. Neun von zehn Anfragen betrafen den Datenverkehr zwischen Computern - hier ging es um IP-Adressen, mit denen Computer im Netz identifiziert werden.
Nach Angaben von BKA-Chef Jörg Ziercke gibt es mittlerweile Tausende von Beispielen mittlerer und schwerer Kriminalitätsfälle, die Polizei und Staatsanwaltschaft nicht umfassend aufklären konnten, weil Daten fehlten.
Auch zur Aufklärung der Kommunikationsstrukturen islamistischer Terroristen und zur Verhinderung von Anschlägen pochen die Sicherheitsbehörden auf Vorratsdaten.
Die umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist noch gültig - für die Mitgliedstaaten besteht eine Pflicht zur Umsetzung.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung nicht komplett verworfen, sondern Grenzen aufgezeigt.
Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist da - es geht also gar nicht mehr um die Frage ob Daten gespeichert werden, sondern nur noch wann, wie und wie lange.
Und was dagegen
Datenspeicherungen auf Vorrat gibt es schon in vielen Bereichen - so beim Swift-Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten aus der EU an die USA. Kritiker argumentieren, die Kombination gespeicherter Daten ermögliche individuelle Personenprofile bis hin zum gläsernen Bürger.
Die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen die besonderen Anforderungen bestimmter Berufsgruppen wie Ärzte, Journalisten, Geistliche oder Mitarbeiter von Beratungsstellen.
Es gibt keine umfassende Sicherheit. Deshalb sollte man den Preis, die Freiheit der Bürger einzuschränken, sorgsam abwägen.
Zur Aufklärung von Straftaten gibt es auch andere Ermittlungsinstrumente - gerade Kriminelle nutzen bestehende technische Möglichkeiten, um eine Erfassung ihrer Daten zu umgehen.
Ein zielgerichtetes Vorgehen mit „Quick Freeze“ - also eine Speicherung nur nach einem konkreten Verdacht - greift nicht ganz so unverhältnismäßig wie die Speicherung aller anfallenden Daten in die Freiheitsrechte der Bürger ein.
Es kann sein, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung überarbeitet wird - das sollte zunächst abgewartet werden.
Das Problem ist, dass beim ewigen Hickhack zwischen den Parteien auch Brüssel ein Wörtchen mitzureden hat und sich das Gezerre so langsam nicht mehr mit ansehen mag. Deshalb läuft am 26. April die letzte Frist der EU-Kommission aus. Wenn sich die Deutschen Parteien bis dahin nicht geeinigt haben, will Brüssel vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen. Das Urteil des EuGH könnte bis zum Herbst auf sich warten lassen.
Und das könnte für die Bundesrepublik richtig teuer werden. Wenn Brüssel Klage erheben muss, weil Leutheusser-Schnarrenberger und Friedrich nicht zueinander finden, muss Deutschland pro Tag rund 80.000 Euro Zwangsgeld zahlen. So lange, bis die EU-Richtlinie umgesetzt ist - oder der EuGH sich auf die Seite der Zauderparteien schlägt. Es wäre also deutlich besser für den Haushalt, die beiden Streithähne würden sich heute einig.