Vorstandsbeschluss Essener Tafel nimmt wieder Ausländer als Neukunden auf

Knapp drei Monate hat die Essener Tafel keine Ausländer mehr als Neukunden angenommen. Auch wenn die Regelung nun aufgehoben wird, bleibt das grundlegende Problem bestehen.

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Essener Tafel nimmt wieder Ausländer als Neukunden auf Quelle: dpa

Essen Die Essener Tafel nimmt von Mittwoch an wieder Ausländer als Neukunden auf. Das hat der Vorstand des Trägervereins am Dienstag beschlossen. Zuvor sollen alle elf Außenstellen des Vereins über die Details des Beschlusses informiert werden, wie der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor sagte.

Die Aufhebung des Aufnahmestopps für Ausländer war erwartet worden. Sartor hatte stets betont, dieser sei von vornherein als eine vorübergehende Maßnahme für sechs bis acht Wochen, maximal drei Monaten, geplant gewesen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Entscheidung kritisiert. Ende Februar sagte sie in einem Interview des Fernsehsenders RTL: „Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut.“ Aber die Entscheidung der Ehrenamtlichen in Essen zeige auch „den Druck, den es gibt“, und wie viele Bedürftige auf Lebensmittelspenden angewiesen seien.

Der Chef des Tafel-Bundesverbandes hatte die Kritik der Kanzlerin zurückgewiesen. „Wir lassen uns nicht von der Kanzlerin rügen, denn die aktuelle Entwicklung ist eine Konsequenz ihrer Politik“, hatte der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gesagt.

Bei einem „Runden Tisch“ wurde jedoch eine neue Lösung gefunden: Demnach soll bei Kapazitätsengpässen der Tafel die Herkunft der Bedürftigen künftig kein Kriterium mehr sein. Stattdessen sollen Alleinerziehende, Familien mit minderjährigen Kindern sowie Senioren unabhängig von ihrer Nationalität bevorzugt aufgenommen werden.

Das eigentliche Problem bleibt aber bestehen. Viele Tafeln sind überlastet. „Lebensmittelspenden sind gut, doch darf in unserem Sozialstaat niemand darauf angewiesen sein“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider.

Ursache sei die „gewachsene Armut in diesem reichen Land“. Vor allem die Hartz-IV-Leistungen seien viel zu niedrig. Die Flüchtlinge hätten die bestehenden sozialen Probleme für viele noch einmal neu deutlich gemacht, sagte Schneider.

Seit dem 10. Januar hatte die Hilfsorganisation vorübergehend Ausländer als Neukunden bei der Essensausgabe abgelehnt - und damit bundesweit eine kontroverse Diskussion auch um die Sozialpolitik und das Ausmaß der Armut ausgelöst.

Die Tafel hatte diesen Schritt mit einem sehr hohen Anteil an Ausländern unter ihren Kunden begründet. Gerade ältere Menschen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt.

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