Vorteile für Unis Die Fachhochschulen proben den Aufstand

In Deutschland tobt ein Kampf in der Wissenschaft. Die Fachhochschulen fühlen sich durch die größeren Universitäten an den Rand gedrängt. Nun fordern sie mehr Geld – und Anerkennung für ihre Forschungsleistungen.

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Fachhochschule vs. Universität: Warum die FHs jetzt mehr Geld verlangen. Quelle: dpa, Montage

Marcus Baumann hat hart gekämpft. Bis zuletzt hatte der Rektor der Fachhochschule (FH) Aachen gefordert, auch Fachhochschulen in die Exzellenzinitiative aufzunehmen. Doch nun ist entschieden, dass das Elitenförderprogramm auch die nächsten zehn Jahre den Universitäten vorbehalten bleibt.

Zwar hat Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) ein Paket für kleinere Hochschulen, darunter auch Fachhochschulen, angekündigt. Doch das, so Kritiker, sei allenfalls ein Trostpflaster.

Die Fachhochschulen, so scheint es, müssen die Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftsbetriebes aus der zweiten Reihe beobachten. Während Bund und Länder Milliarden für die Forschung an Spitzenuniversitäten locker machen, bleibt ein Geldsegen für regionale Fachhochschulen aus. Die fühlen sich ungerecht behandelt – und proben den Aufstand.

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Platz 6: Korea Advanced Institute of Science and Technology Quelle: Presse
Platz 5: Pohang University of Science and Technology Quelle: Presse
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Angeführt wird die FH-Bewegung aus dem Norden der Republik. Muriel Helbig, Präsidentin der Fachhochschule in Lübeck, hat eine Petition gestartet, in der sie ein eigenes, vergleichbar finanziertes Programm für Fachhochschulen fordert. Nur so könnten die Ziele der Exzellenzinitiative in Deutschland erreicht werden. Eines davon – den Hochschulstandort Deutschland nachhaltig wettbewerbsfähig zu machen – sei ohne anwendungsorientierte Forschung unmöglich, so Helbig.

Der bayerische Verband der Fachhochschulen hat für ein solches Programm bereits einen Vorschlag vorgelegt. Eine Milliarde Euro sollen über zehn Jahre an bis zu 50 Fachhochschulen verteilt werden.

Die Einzelfronten sind Teil einer größeren Schlacht der Fachhochschulen. „Es mangelt an Bewusstsein für unsere Bedeutung in der Forschungslandschaft“, meint Walter Schober, der dem Fachhochschulverband in Bayern stellvertretend vorsitzt. „Wir machen keine Grundlagenforschung, die in internationalen Fachzeitschriften zitiert wird. Aber bei Forschung, die in die Gesellschaft wirkt, sind wir an der Spitze.“

Die Fachhochschulen fordern damit mehr Anerkennung für ihre Forschungsleistungen. Den Fachhochschulen kommt im deutschen Hochschulsystem eine wichtige Transferrolle zu. In Kooperation mit Unternehmen werden Anwendungsprobleme gelöst und damit vor allem der Mittelstand gestärkt. „Langfristig sichert die angewandte Wissenschaft die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands“, ist sich Rektor Baumann sicher.

Tatsächlich wurde das deutsche Modell gerade belohnt. Im internationalen Uni-Vergleich „U-Multirank“ belegten deutsche Fachhochschulen beim Thema Wissenstransfer die drei ersten Plätze: Reutlingen, Nürnberg und München.

Doch in Drittmitteln hat sich diese Exzellenz bisher nicht niedergeschlagen: Gerade mal 48 Millionen Euro beträgt der für „Forschung an Fachhochschulen“ reservierte Haushalt im Forschungsministerium dieses Jahr. Der wird zwar durch weitere kleine Projektförderungen ergänzt - bleibt aber gegenüber den mehr als 400 Millionen Euro, die der Exzellenzinitiative im Schnitt pro Jahr zur Verfügung stehen, ein Förderzwerg.

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Der schwelende Protest dürfte Wanka, selbst ehemals Fachhochschulrektorin, nicht entgangen sein. Ihr angekündigtes Paket für Fachhochschulen und kleinere Universitäten kommt gerade rechtzeitig, um ein Signal der Beruhigung zu senden.

Beruhigen könnte es auch jene Landesminister, deren Universitäten bei der verlängerten Exzellenzinitiative bisher leer ausgingen. Das zeigt ein Beispiel: Mit fünf von der Initiative geförderten Universitäten profitierte Baden-Württemberg (insgesamt hat das Land 16 Unis) überdurchschnittlich von der Exzellenzförderung des Bundes. Ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern, mit gerade mal zwei ansässigen Universitäten, hat derweil kaum Chancen auf Förderung. Bei einem erfolgreichen Antrag stellt der Bund 75 Prozent der Mittel – eine beträchtliche Subvention, auf die kleine Länder dann verzichten müssten.

Intransparenz bei der Vergabe von Drittmitteln

Doch trotz des angekündigten Pakets will keine Ruhe einkehren. Der Grund: Das neue Förderprogramm wird, wie auch die Exzellenzinitiative, im Geheimen verhandelt. Bundes- und Landesministerien verwiesen auf Anfrage nach den Zielen der neuen Förderlinie kommentarlos auf die laufenden Verhandlungen. Der Aachener Rektor Baumann kritisiert, dass die Politik die betroffenen Hochschulen nicht konsultiert. Auch sein bayerischer Kollege Schober würde bei der Ausarbeitung gerne helfen. „Stattdessen geschehen diese Besprechungen hinter verschlossenen Türen.“

Irritiert zeigen sich manche Stimmen aus dem Hochschulumfeld auch von der Intransparenz bei der Vergabe von Drittmitteln. So zum Beispiel beim Forschungsprogramm „FH Impuls“, welches ab dem Sommer Mittel für die regionale Zusammenarbeit mit Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Entscheidung, welche zehn Fachhochschulen davon profitieren, wird laut Forschungsministerium von einer unabhängigen Jury getroffen – deren Mitglieder aber auf Anfrage ungenannt bleiben. Lediglich die Vorsitzende, die schwäbische Unternehmerin Susanne Kunschert, ist bekannt.

Mit der Ankündigung der Förderlinie ist es also nicht getan. Nun sollte offen über die von den Fachhochschulen vorgetragenen Möglichkeiten diskutiert werden. Helbig fordert mit ihrer Petition die gleichwertige Anerkennung der Forschung an Fachhochschulen.

Wie diese Forschung angemessen gefördert werden kann, ohne die exzellente Lehre an den Fachhochschulen zu beeinträchtigen, ist nur eine der anstehenden Verhandlungen der Wissenschaftsminister. Sollten die Fachhochschulen sich überregional vernetzen, wird ihre Verhandlungsmacht gegenüber der Politik steigen und damit auch der Druck zu handeln.

Derzeit wird spekuliert, ob der Bund neben Lehre und Forschung neuartige Projekte an kleinen Hochschulen fördern will. Dazu könnten beispielsweise Bürgerdialoge oder Beiträge zum lebenslangen Lernen gehören. Doch das ist ein Ziel, das an den Forderungen der Fachhochschulen vorbeigeht – sie wollen mehr Geld für Forschungsprojekte.

Ob für die Forschung eine oder mehrere Milliarden angemessen wären, sind für Baumann Detailfragen: „Eine Milliarde wären nicht schlecht, zwei möglicherweise noch besser. Diese Beträge können wir uns doch bislang gar nicht richtig vorstellen.“

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