VW-Dieselskandal Das VW-Problem des Martin Schulz

Eine Millionenabfindung einer VW-Managerin und Parteigenossin hielt SPD-Mann Schulz für nicht gerechtfertigt. Zu den vielen geschädigten VW-Kunden im Dieselskandal verliert er kein Wort. Das sorgt für Unmut.

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SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: Doppelmoral im VW-Skandal? Quelle: AP

Berlin Anfang des Jahres war Martin Schulz frohen Mutes. „Ich trete mit dem Anspruch an, Bundeskanzler zu werden“, erklärte er im Berliner Willy-Brandt-Haus vor über 1.000 Mitgliedern und Gästen. Und er stimmte alle auf einen kämpferischen Wahlkampf ein: „Lasst uns anpacken und unser Land gerechter machen und das mutlose ‚Weiter-so’ beenden.“

Mit dem „Weiter-so“ ist das so eines Sache bei Martin Schulz. Jedenfalls meint das Renate Künast (Grüne). Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz hält den angekündigten Gerechtigkeitswahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten für wenig glaubwürdig. Als Beleg führt sie den VW-Diesel-Skandal an.

„Ich frage mich, wann die SPD mal ihr Wort erheben und sich für Gerechtigkeit für die Millionen von geschädigten Verbrauchern stark machen will“, sagte Künast dem Handelsblatt. „Von Martin Schulz, dem Fürsprecher der sozialen Gerechtigkeit, war zu diesem Thema bisher nichts zu hören.“ Dabei wäre auch hier „Zeit für mehr Gerechtigkeit“, fügte die Grünen-Politikerin unter Anspielung auf einen gleichlautenden Wahl-Slogan der Sozialdemokraten hinzu. „Für die SPD“, so Künast, „könnte sich diese Doppelmoral noch zu einem gefährlichen Wahlkampfthema entwickeln.“

Künasts Kritik kommt für Schulz zur Unzeit. Jetzt, wo am Sonntag in Schleswig-Holstein die SPD-geführte Landesregierung abgewählt wurde. Die erdrutschartige Niederlage wurde auch als herber Dämpfer für den SPD-Vorsitzenden gewertet. Sozialdemokratische Wunschträume, auf einer Welle der Schulz-Euphorie gen Kanzleramt zu reiten, scheinen jedenfalls erst einmal ausgeträumt. Als personifizierter Glücksbringer für Landeswahlkämpfer hat der 100-Prozent-Parteichef jedenfalls nicht gestochen.

Seine Ausrufung zum Kanzlerkandidaten im Januar bescherte den Sozialdemokraten zwar einen Höhenflug in den Umfragen, der sich auch auf Befragungen zu den Landtagswahlen übertrug - bei der Stimmabgabe an den Wahlurnen wie im Saarland auch in Schleswig-Holstein aber ausblieb.

Vor der Wahl im Norden gab es in der Partei durchaus Stimmen, die die zuletzt geringere Präsenz des Kanzlerkandidaten in der Bundespolitik monierten. In einer Umfrage von Infratest dimap bescheinigten 55 Prozent der Befragten in Schleswig-Holstein Schulz, dass er gut für die Profilbildung zwischen SPD und CDU sei. Zugleich sagten aber 63 Prozent, sie hätten zuletzt vom SPD-Kanzlerkandidaten nichts mehr gehört.


„Statt klare Kante, auf Kuschelkurs mit der Autolobby“

In Sachen VW, wo Schulz sich als Gerechtigkeitswahlkämpfer profilieren könnte, macht er sich rar. Nur einmal meldete er sich pointiert zu Wort, als der Fall von Ex-VW-Vorstandsmitglied Christine Hohmann-Dennhardt bekannt wird, die nach 13 Monaten im Amt 12 Millionen Euro Abfindung bekam. Für Schulz wurde hier eine Grenze überschritten, weil die Managerin auch noch eine Parteigenossin ist.

Der Kanzlerkandidat ging deutlich auf Distanz und erklärte: „Leute, die unserer Partei angehören und für 13 Monate zwölf Millionen kriegen, halte ich nicht für gerechtfertigt. Ich sage in aller Klarheit, dass ich damit nur schwer leben kann.“ Der Vorgang ist auch deshalb pikant, weil der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) qua Amt dem VW-Aufsichtsrat angehört und der Millionenabfindung also zugestimmt hat.

Dass die Debatte womöglich deshalb Schulz als Kanzlerkandidaten schaden könnte, verneinte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel seinerzeit vehement, „weil der Kanzlerkandidat und die Sozialdemokratie“, wie er sagte, „völlig unabhängig davon, um wen es hier geht, klipp und klar sagen, dass millionenschwere Abfindungen und Gehälter weder in die Zeit passen, noch unserem Anspruch an den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerecht werden.“ Zugleich kündigte die SPD an, gesetzlich gegen hohe Managerbezüge vorzugehen.

Beim VW-Skandal sind die Sozialdemokraten hingegen deutlich zurückhaltender. Jedenfalls sind sie mit der Union einig, dass sich die Bundesregierung nichts vorzuwerfen hat. Der von der Opposition erhobene Vorwurf des Staatsversagens habe sich „als PR-Floskel ohne jegliche Grundlage herausgestellt“, heißt es in der Bewertung von Union und SPD für den Abschlussbericht des Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Nach Bekanntwerden der Abgas-Manipulationen in den USA habe die Regierung für Deutschland den Sachverhalt „unverzüglich aufgeklärt“. Als Konsequenz sollten unter anderem EU-Regeln verschärft und für die Nutzung unzulässiger Abgasvorrichtungen Bußgelder eingeführt werden.

Das ist für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Künast völlig unzureichend. Sie wertet den Skandal des Abgasbetruges vielmehr als Blamage sowohl für die Automobilkonzerne, allen voran VW, als auch für die Bundesregierung. „Statt klare Kante zu zeigen, fährt sie auf Kuschelkurs mit der Autolobby“, kritisierte die Abgeordnete. „Eine wirkliche Nachrüstung für die Fahrzeuge fordert sie nicht und lässt die Autofahrer allein, die Fahrverbote in den Städten fürchten müssen, weil ihre Autos die Werte überschreiten.“

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