Wäre da nicht Konkurrent Brüderle mit seinen Wünschen und jüngst Wirrungen. Brüderle hatte nämlich bereits signalisiert, dass ihm die Spitzenkandidatur allein nicht ausreichen würde. Als gewiefter Taktiker und erprobter Macchiavellist hatte der Pfälzer darauf bestanden, nicht unter einem Chef Rösler vorturnen zu wollen. Er beanspruchte auch die Führung der Partei, was mancher Stratege durchaus für verständlich bis selbstverständlich hält.
Auch das wäre mit den sensationellen 9,9 Prozent für Rösler noch ohne allzu großen Gesichtsverlust machbar gewesen, er hätte dadurch auch noch seinen eigenen Verbleib im Wirtschaftsministerium sichern können – hätte Brüderle nicht einen fatalen Fehler gemacht. Am Freitagmorgen, also nur zwei Tage vor der Wahl, verlangte er im Frühstücksfernsehen, den FDP-Bundesparteitag vom Mai vorzuziehen. Das wirkte wie eine Attacke auf den taumelnden Rösler, dem nun der bislang öffentlich äußerst loyale Brüderle praktisch kurz vor der Zielgeraden die Beine wegzog.
„Der Rainer hat es kaputt gemacht“, zürnten etliche Führungsleute der FDP am Wahlabend. Denn nun wird es schwieriger, Rösler zum zumindest partiellen Aufgeben zu bewegen. Denn der will sich eben gerade nicht zwingen lassen. Unberechenbar auch, auf welche Seite sich Christian Lindner schlägt, der Vorsitzende des größten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Er hat alle Führungsleute seines Verbandes – die Mitglieder von Präsidium, Bundesvorstand und den geschäftsführenden Landesvorstand – zu einer telefonischen Schaltkonferenz um 8 Uhr bestellt, eine Stunde vor dem Beginn der Präsidiumssitzung, in der über das Schicksal der Führung gesprochen werden soll. Will er den Vorsitzenden stützen oder stürzen? Die Eingeladenen jedenfalls sind verwundert: „So etwas hat es noch nie gegeben“, berichtet ein Mitglied des Landesvorstandes.
Niedersächsische Polit-Prominenz
Der ehemalige SPD-Politiker war von 1990 bis 1998 Ministerpräsident in Niedersachsen und von 1998 bis 2005 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem Ende seiner politischen Karriere hat er als Lobbyist und Rechtsanwalt verschiedene Positionen inne. Unter anderem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG.
Christian Wulff war von 2003 bis 2010 niedersächsischer Ministerpräsident. Im Juni 2010 wurde er zum zehnten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Dieses Amt bekleidete er bis Anfang 2012. Er traf zurück, nachdem gleich mehrere Affären (Ungereimtheiten beim Hauskredit, Drohanruf bei der "Bild"-Zeitung) das Amt beschädigten.
Von 1990 bis 1994 war der Grünen-Politiker und gebürtige Bremer niedersächsischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten im Kabinett Schröder, von 1998 bis 2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Seit 2009 ist er Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen und einer der Spitzenkandidaten der Bundestagswahl 2013.
Nur etwa ein Jahr nach Gerhard Schröders Wahl zum Bundeskanzler, wurde Sigmar Gabriel Ministerpräsident von Niedersachsen. Das Amt hatte der SPD-Politiker bis 2003 inne. Von 2005 bis 2009 war er Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Seit 2009 ist er Parteivorsitzender der SPD.
2003 wurde Von der Leyen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit im Kabinett Wulff. Bis 2005 saß sie im niedersächsischen Landtag. Seit 2005 ist sie unter Kanzlerin Merkel Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Im Jahr 2000 wurde Rösler nach einigen Jahren bei den Jungen Liberalen Generalsekretär der FDP in Niedersachsen. Im Februar 2009 wurde er Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie stellvertretender Ministerpräsident von Niedersachsen im Kabinett Wulff. Im Herbst 2009 wechselte er nach Berlin. Knapp zwei Jahre lang war Rösler Bundesminister für Gesundheit, im Mai 2011 wurde er zum Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ernannt und gleichzeitig zum deutschen Vizekanzler. Rösler ist zudem Bundesvorsitzender der FDP.
In der Zeit des Nationalsozialismus war er Mitglied der SPD und unterstützte seine Parteigenossen. Dafür wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, anschließend verbrachte er mehrere Monate im KZ Esterwegen. 1948–1949 war er als Mitglied des verfassunggebenden Organs, dem Parlamentarischen Rat, an der Gestaltung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beteiligt und ist so als einer der "Väter der Grundgesetzes" bekannt. Von 1952 bis 1955 hatte Diederichs maßgeblichen Einfluss auf die Neugestaltung der niedersächsischen Gemeindeverfassung. 1957 wurde er Sozialminister von Niedersachsen, von 1962 bis 1970 Ministerpräsident. Diederichs starb am 19. Juni 1983.
Nun geht sie in der FDP wieder um, die Angst vor dem Soufflé. Denn der tolle Wahlerfolg könnte wie die empfindliche Süßspeise schon bald wieder in sich zusammenfallen, falls es Rösler und Co. nicht gelingt, den Schub des Wahlergebnisses für eine überzeugende Präsentation ihrerselbst und ihrer Arbeit zu nutzen. Denn schon nach den überraschend erfolgreichen Landtagswahlen im Frühjahr 2012, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, hatte die FDP auch im Bundeschnitt einen kurzen Hupfer gemacht, war dann aber auf die Mickerwerte von drei Prozent zurückgefallen. Das, so fürchten Röslers Kritiker, werde auch diesmal wieder geschehen.