Wahlendspurt in Niedersachsen Kein Steinbrück-Effekt für Merkel-CDU

CDU und SPD läuten heute in Niedersachsen die Endphase des Landtags-Wahlkampfs ein – mit Merkel und Steinbrück. Sie sollen für Rückenwind sorgen. Doch in Wahrheit sind beide keine große Hilfe.

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Merkel und Steinbrück im Bundestag (Archivbild). Quelle: dpa

Berlin Die bundespolitische Bedeutung der Niedersachsen-Wahl ist unübersehbar. Die Grünen haben in Hannover ihr Spitzenduo für die Bundestagswahl gekürt, die CDU veranstaltete hier ihren Bundesparteitag. Und die SPD wählte hier Peer Steinbrück zu ihrem Kanzlerkandidaten. Dies alles ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Häufung an Politikerauftritten, die das Land in den ersten drei Januar-Wochen bevorsteht. Denn der Landtagswahl am 20. Januar wird von fast allen Parteien große strategische Bedeutung für das Bundestags-Wahljahr 2013 beigemessen.

Heute startet die Schlussphase des Wahlkampfs denn auch mit bundespolitischer Prominenz. In Emden treten der Spitzenkandidat des SPD-Landesverbandes, Stephan Weil, und Kanzlerkandidat Steinbrück gemeinsam auf einer Kundgebung auf. In Wilhelmshaven trifft sich der CDU-Bundesvorstand zu einer Klausur unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Morgen wird sie in Braunschweig gemeinsam mit Ministerpräsident David McAllister zu einer Partei-Veranstaltung erwartet.

Die Auftritte Merkels und Steinbrücks sind nicht überraschend. In Wahlkämpfen ist Schützenhilfe aus Berlin ein normaler Vorgang. Doch wirklich nötig ist die Unterstützung nicht. Denn nach Lage der Dinge machen beide politischen Lager alles richtig. Freuen kann sich allerdings nur eine Seite: Geht es nach den Umfragen, können SPD und Grüne in Berlin den Sekt kaltstellen.

Die bisherige schwarz-gelbe Regierung in Hannover steht demnach vor der Ablösung, Rot-Grün käme nach zehn Jahren Schwarz-Gelb wieder an die Macht an der Leine. Für Schwarz-Gelb mit CDU-Kanzlerin Merkel wäre das ein Menetekel für den Herbst. Die SPD-Spitze um Steinbrück dürfte dann genauso wie die Grünen-Spitze um die Chefs Claudia Roth und Cem Özdemir jubeln und kräftigen Schub für ihre Ambitionen sehen, Merkel vom Kanzlersessel zu verdrängen.

Eher unwahrscheinlich dürfte sein, dass die Klage Steinbrücks über ein zu geringes Kanzlergehalt vom Jahreswechsel der SPD in Hannover mit ihrem bundesweit nahezu unbekannten Spitzenkandidaten Stephan Weil noch einen Strich durch die Rechnung macht. Zwar zeichnet sich bei der Wahl laut einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Doch zwei Wochen vor der Stimmabgabe hat Rot-Grün weiter eine Mehrheit, auch wenn die CDU erneut das beste Ergebnis aller Parteien erzielen kann.


Auf die FDP kommt es an

Während die CDU stabil bei 40 Prozent bleibt, gewinnt die SPD einen Prozentpunkt im Vergleich zum Dezember und erreicht 34 Prozent. Die Steinbrück-Debatte hat sich also nicht negativ auf die Stimmung der Wähler niedergeschlagen. Das freut den Wahlkämpfer Weil, der in diesen Tagen sehr gelassen Richtung Wahltag blickt. Die Diskussionen in Sachen Kanzlergehälter hätten „keine Bremsspuren“ im Wahlkampf hinterlassen, sagt er. Und lobt dann Steinbrück über den grünen Klee: „Die SPD hat mit Peer Steinbrück einen sehr, sehr guten Kanzlerkandidaten. Wir arbeiten daran, dass aus dem Kandidaten auch ein Kanzler wird.“

Der Optimismus Weils speist sich auch aus dem Umstand, dass im Landtag in Hannover aller Wahrscheinlichkeit künftig nur noch drei Parteien vertreten sein werden. Neben der FDP liegen auch die Linkspartei und die Piraten in den Umfragen schon lange unter der für einen Einzug ins Parlament entscheidenden Fünf-Prozent-Hürde. Für die Bundes-SPD wäre ein Regierungswechsel in Hannover endlich wieder ein Erfolg, nachdem die Genossen in den Umfragen seit Monaten kaum vorankommen.

Entscheidend für die Regierungsbildung ist also in jedem Fall die Frage, ob die FDP den Einzug in das Landesparlament schafft. Laut der jüngsten NDR-Umfrage konnten sie sich immerhin leicht verbessern – von drei auf vier Prozentpunkte. Die Grünen verlieren zwei Prozentpunkte und kommen auf 13 Prozent. Ein knapper Einzug der Liberalen ins Parlament würde aber wohl nicht für eine Fortsetzung des schwarz-gelben Regierungsbündnisses ausreichen. Die CDU müsste sich einen neuen Partner suchen.

Das will aber eigentlich kein Christdemokrat. In der Bundes-CDU legt sich deshalb Merkel mit acht Auftritten im Landtagswahlkampf ins Zeug. Sie weiß, wie wichtig ein schwarz-gelbes Weiterregieren in Hannover für die Stimmung im eigenen Lager wäre. „Jeder Sieg ist ein Rückenwind. Aber auch ein gutes Ergebnis ist natürlich ein Rückenwind für Berlin“, hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, der Niedersachse Michael Grosse-Brömer (CDU), kürzlich gesagt. Und natürlich im Hinterkopf gehabt, dass McAllisters Chancen auf eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb angesichts des schwächelnden Koalitionspartners FDP eher schlecht stehen.


"Verhinderungskoalition" plant Merkel-Blockade

Also hoffte man auf einen negativen Steinbrück-Effekt. Doch, dass nun nicht einmal die Bemerkungen des Obergenossen über unterbezahlte Regierungschefs, die selbst in der SPD für einen ziemlichen Furor gesorgt hatten, die Stimmung zu Gunsten der CDU-Wahlkämpfer drehen konnten, damit hatte kaum einer gerechnet.

SPD und Grüne fühlen sich vor diesem Hintergrund schon wie sichere Sieger und planen schon für die Zeit nach der Wahl. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin skizzierten SPD-Spitzenkandidat Weil und Grünen-Spitzenkandidatin Anja Piel, wie sie Merkel das Regierungsleben schwer machen wollen. Durch eine neue rot-grüne Landesregierung gebe es eine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat, sagte Weil. Zusammen mit den anderen SPD-geführten Ländern solle dann über die Länderkammer gezielt in die Bundespolitik eingegriffen werden.

Für die Bundes-CDU ist das keine leere Drohung. Deshalb wird die Niedersachsen-Wahl auch zu einem immens wichtigen Ereignis hochstilisiert, bei dem eine „Richtungsentscheidung“ getroffen wird. Das geht aus dem Entwurf der Parteiführung für eine "Wilhelmshavener Erklärung" hervor, die der CDU-Bundesvorstand am Samstag auf seiner Klausurtagung verabschieden will. Darin wird für "eine Fortsetzung der verantwortungsvollen Politik der CDU-geführten Landesregierung mit Ministerpräsident David McAllister" geworben und vor einer rot-grünen „Verhinderungskoalition“ gewarnt, die die Erfolge der vergangenen Jahre aufs Spiel setze.

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