Inhaltliche Positionen scheinen daher offenbar nicht mehr nötig zu sein. Stattdessen verlegten sich die CDU-Spitzenleute darauf, die eigenen Anhänger auf das klare Feindbild einzuschwören. Merkel: „Die CDU ist nicht die Partei, die den Menschen vorschreibt, wann sie was zu essen haben.“ Und weiter: „Wir schreiben den Menschen nicht vor, ob sie ihr Kind zu Hause betreuen oder in die Kita schicken.“ Sogar die Bevorzugung von ehelichen Partnerschaften wird da als ein Akt der Freiheitlichkeit umgedeutet: „Wir benachteiligen die Menschen nicht, weil sie in einer Ehe leben.“ Vor allem die Angst vor einer rot-rot-grünen Koalition soll dafür sorgen, dass die Beliebtheit der Kanzlerin sich auch am Wahltag in CDU-Stimmen umsetzt. Hessens Ministerpräsident steuerte als Beispiel die Beinahe-Regierung der Andrea Ypsilanti bei, Armin Laschet verwies auf die NRW-Landesregierung unter Hannelore Kraft, die zeitweise von der Linken toleriert wurde.
Was Merkel in der vergangenen Legislaturperiode verpasste
Das Verhältnis zum wichtigsten außenpolitischen Verbündeten hat sich dramatisch abgekühlt, obwohl die transrheinische Partnerschaft traditionell stark vom persönlichen Verhältnis der Spitzenleute abhängt. Mit Frankreichs neuem Präsidenten Francois Hollande hat Merkel keinen Draht gefunden, der die großen inhaltlichen Unterschiede - gerade in puncto Eurorettung - ausgleichen könnte.
Für eine Vision, wohin Deutschland für die nächsten zehn Jahre aufbrechen sollte, reichte es nicht. Und eines der wichtigsten Zukunftsthemen blieb fast gänzlich liegen: der demographische Wandel.
Nach der Veranstaltung bleibt dennoch das Gefühl, dass das unfreiwillige Wegdösen enthusiastischer CDU-Wähler die größte Gefahr werden könnte. Der Vorsprung der CDU auf den theoretischen Verfolger SPD ist zumindest in den Umfragen so groß, dass es auf ein paar Prozentpunkte nicht anzukommen scheint. Und die als Schreckgespenst beschworene Alternative Rot-Rot-Grün ist aus Sicht der meisten Wähler wohl zu unsicher um als klares Feindbild zu sorgen.
Das große Wahlkampfevent wäre daher die Chance gewesen, mit einem positiven Versprechen auf die Zielgerade einzubiegen. Stattdessen rutscht der Kanzlerin am Ende sogar ein Adenauer-Zitat raus, dass ihren Regierungsstil wohl tatsächlich so beschreibt, wie ihn die meisten empfinden: „Wer keine Experimente will, muss CDU wählen.“