
Die Drei vom Basislager der Grünen stehen einträchtig vor den Mikrofonen und stellen als erste Partei das Wahlprogramm für den 22. September vor. Knapp sieben Monaten vor der Bundestagswahl gibt Cem Özdemir als Parteichef in dieser ganz in Grün gehaltenen Wahlkampfzentrale selbstbewusst zu Protokoll, was der Vorstand von Bündnis 90 / Die Grünen auf 157 Seiten (!) erarbeitet habe, sei besser als das, was von den übrigen Parteien zu erwarten sei. "Wir sagen aber nicht, dass wir immer schon die besten Antworten geben“ - er erwarte noch eine drei- bis vierstellige Zahl an Änderungswünschen aus seiner als sehr diskussionsfreudig bekannten Partei. Am Ende sollten die Mitglieder abstimmen und rund zehn aus den 50 Projekten im Programm aussuchen, die dann „auf einer Postkarte“ und auch sonst prominent verfolgt würden.
Katrin Göring-Eckardt, die als Spitzenkandidatin ein Comeback in der ersten Reihe erlebt, ist fürs Soziale zuständig. Zu einer gerechten Gesellschaft gehöre, dass stärkere Schultern mehr trügen (deshalb die befristete Vermögensabgabe), dass alle von ihrer Arbeit leben könnten (deshalb den einheitlichen Mindestlohn) und dass vor allem Kinder ein würdigeres Leben bekämen (deshalb höhere Monatssätze für Hartz-IV-Familien). "Wir wollen, dass Armut nicht länger vererbbar ist“, begründet sie die Forderung nach mehr und besseren Kitas, Ganztagsschulen und Unis.





Schließlich Spitzenkandidat Jürgen Trittin, das Alphatier der Alternativen: Er versichert, die Grünen seien inzwischen Realos durch und durch, sie hingen keinen fernen Visionen mehr an. Zugespitzt habe das Programm eine Botschaft: „Unser Wille zur Veränderung ist realer als jedes radikale Bekenntnis.“ Die Wirtschaft müsse Schritt für Schritt umgestaltet werden. „Wir wollen das reichste Prozent der Bevölkerung heranziehen.“ Diese seien in der Finanzkrise vom Staat geschützt worden, nun sollten sie sich an den Lasten beteiligen. „Haushalte mit einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro werden von uns entlastet.“ Bei der Einkommensteuer, die unten entlasten und oben bis zu einem Satz von 49 Prozent steigen solle, durch eine Bürgerversicherung für alle bei Gesundheit und Pflege, durch ein Abschmelzen des Ehegattensplittings.
All das positioniere die Grünen nahe der SPD und meilenweit von der Union entfernt, begründet der Stratege der Partei. Er wolle nur mit einer Partei regieren, die den Wandel mittrage, sonst lohne der Einsatz nicht. Aber auch ein taktischer Punkt ist entscheidend: Potenzielle Wähler der Ökos favorisieren Rot-Grün, egal was sich Parteiobere vorstellen können. „Alle anderen Konstellationen führen dazu, dass wir die Hälfte unserer Wählerinnen und Wähler verlieren“, fasst Trittin zusammen. Doch diese Festlegung, das wissen die Drei vom Basislager, bringt die Grünen mit wachsender Wahrscheinlichkeit nicht in die Regierung. Die SPD liegt in Umfragen seit längerem deutlich unter 30 Prozent, die Grünen könnten da selbst mit 14 oder 15 Prozent nicht genug für eine Mehrheit zusammen bringen.
Und weil Opposition Mist ist, macht Katrin Göring-Eckardt ein Türchen auf. "Wir gehen sehr eigenständig in diesen Wahlkampf“, grenzt sie sich ab. „Vieles geht mit der SPD, aber manchmal ist sie eher Bremser statt Antreiber für einen grünen Wandel.“ In ihrem Heimatland Thüringen ließ sie früher bereits Sympathien für Schwarz-Grün durchblicken. Nur sagen kann sie es nun nicht. Die Wählerinnen und Wähler könnten mit Liebesentzug reagieren.