Wahlsager

Die Wahlrechts-Lüge

Konrad Fischer Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Konrad Fischer Ressortleiter Unternehmen und Technologie

Im Herbst wird zum ersten Mal nach neuem Wahlrecht gewählt, das den Bundestag angeblich massiv vergrößert. Unsere Berechnungen zeigen: Das stimmt nicht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Braucht Deutschland einen neuen Reichstag? Zumindest wenn es nach den besonders finsteren Orakeln geht, dann steht im Winter die nächste große Baumaßnahme in der Berlin an. Denn: Der Bundestag könnte auf mehr als 800 Personen anwachsen, aktuell sind es 622. Laut Bund der Steuerzahler würde das mindestens 60 Millionen Euro im Jahr allein an Personalkosten verursachen, neue Büros oder Parlamentsbauten nicht eingeschlossen. Das Horrorszenario erklärt sich so: Nach dem neuen Wahlrecht werden alle entstehenden Überhangsmandate ausgeglichen. Das erhöht zwar die Fairness der Sitzverteilung, könnte aber auch die Stuhlzahl im Parlament extrem aufblähen.

Bloß: Soweit wird es wohl nicht kommen. Das zumindest zeigen unsere Berechnungen auf Basis der aktuellen Projektionen. Sollten die aktuellen Projektionen dem Wahlergebnis ungefähr entsprechen, würde der Bundestag nur um zwei Sitze größer werden als aktuell. Selbst im ungünstigsten denkbaren Fall müssten kaum mehr als 40 neue Plätze geschaffen werden.

Zur Erinnerung: Anfang des Jahres hat der Bundestag endlich eine grundlegende Reform des Wahlrechts beschlossen, nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits zweimal die geltende Rechtlage gerügt hatte. Grund dafür waren die Überhangmandate, die zustande kommen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr direkte Mandate (über die Erststimme) als Listenmandate (über die Zweitstimme) erringt. Da die Direktmandate fast immer an CDU und SPD gehen, hatten diese Überhangmandate zur Folge, dass diese Parteien im Bundestag stärker vertreten waren, als es ihrem Zweitstimmenanteil (der eigentlich die Proportionen regeln soll) entsprochen hätte.

Was die Grünen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik durchsetzen wollen

Jetzt ist eine Neuregelung gekommen, die auf den ersten Blick sehr einfach klingt: Alle Überhangmandate werden ausgeglichen. Das heißt: Nach Zuteilung der Überhangmandate wird die Zahl der Abgeordneten aller anderen Parteien so lange erhöht, bis die Sitzverhältnissen den Proportionen des Zweitstimmenergebnisses entsprechen.

Das klingt dramatisch. Als der Innenausschuss sich Anfang des Jahres mit dem Thema befasste, wurde eine wissenschaftliche Expertise von Joachim Behnke (Universität Friedrichshafen) vorgetragen, die auf Basis des Ergebnisses von 2009 das neue Wahlrecht simulierte. Ergebnis: Der Bundestag hätte statt 620 heute 674 Sitze. Darüber hinaus aber ist es bei vagen Prognosen geblieben. Doch die Vermutung lag nahe: Wenn es schon bei der vergangenen Wahl so viel mehr Sitze gegeben hätte, warum sollten es dann nicht beim nächsten Mal viel mehr sein?

Aktuelle Projektion mit neuem Wahlrecht

Die Alternative für Deutschland darf zu den Bundestagswahlen antreten. Parteichef Lucke will ihren Bekanntheitsgrad steigern, um die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. Doch der Erfolg ist von äußeren Umständen abhängig.
von Ferdinand Knauß

Wir wollen ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Dazu haben wir versucht, auf die aktuelle Projektion das neue  Wahlrecht anzuwenden. Zunächst müssen dafür Erst- und Zweitstimmenergebnisse für die Länder errechnet werden. Da beide unbekannt sind, arbeiten wir mit folgenden Näherungswerten:

  • Für die Erststimmen verwenden wir die Prognosen von election.de für alle Wahlkreise. Sie haben  zum einen in der Vergangenheit recht genau die tatsächlichen Ergebnisse getroffen und decken sich außerdem größtenteils mit den Ergebnissen von 2009.

  • Für die Zweitstimmen übertragen wir eine aktuelle Projektion (KW 25) auf die Bundesländer. Dafür setzen wir zunächst die Zweitstimmenanteile der Parteien in den Ländern im Verhältnis zum jeweiligen Bundesergebnis einer Partei. Diese Proportionen übertragen wir dann auf die aktuelle Projektion. Ein Beispiel: Im Saarland erreichte die CDU (ohne CSU) 2009 30,7 Prozent der Zweitstimmen, bundesweit waren es 33,8 Prozent. Das saarländische Ergebnis entsprach also 90,98 Prozent des bundesweiten Wertes. Auf die aktuelle Projektion von 40,2 Prozent für die CDU im Bund übertragen bedeutet das, dass die CDU im Saarland 36,5 Prozent der Stimmen erreichen würde.

Mit den Ergebnissen verfahren wir dann wie es der Bundeswahlleiter am 22. September auch tun wird. Zunächst werden mit dem Höchstzahlverfahren nach Saint Laguë (LINK http://de.wikipedia.org/wiki/Sainte-Lagu%C3%AB-Verfahren) die Sitze entsprechend der Zweitstimmen in den Ländern verteilt. Dabei wird jeweils die doppelte Zahl der Direktmandate in Sitzen ausgewiesen. Wenn eine Partei mehr Direktmandate als Listenmandate holt, ergibt sich aus der Differenz die Anzahl der Überhangmandate.

Schon an dieser Stelle zeigt sich, warum die Anzahl der Sitze im nächsten Bundestag wohl deutlich  unter der für 2009 errechneten Zahl von 674 liegen wird. Grundsätzlich ergeben sich Überhangmandate, wenn eine Partei in einem Land ein eher schwaches Zweitstimmenergebnis erringt, zugleich aber viele Direktmandate holt. Das traf zuletzt vor allem auf die CDU holt, die fast in allen Bundesländern die Mehrzahl der Direktmandate gewann. Bei der bevorstehenden Wahl wird die CDU aller Voraussicht nach aber ein deutlich besseres Ergebnis als bei der vergangenen Wahl holen. Sollte sie die aktuell erhobenen 40 Prozent holen, würde es sogar in einigen Bundesländern, in denen die CDU alle Mandate holt, keine Überhänge geben!

Für die aktuelle Projektion (unter der Annahme, dass die FDP den Sprung ins Parlament mit 5,0 Prozent knapp schafft) ergeben sich insgesamt 10 Überhangmandate:

 

 

CDU/CSU

SPD

Listen-

mandate

Direkt-

mandate

Überhang-

mandate

Listen-

mandate

Direkt-

mandate

Überhang-

mandate

Schleswig-Holstein

9

9

0

7

2

0

Mecklenburg-Vorpommern

6

6

0

3

0

0

Hamburg

4

1

0

4

5

1

Niedersachsen

25

16

0

20

14

0

Bremen

1

0

0

2

2

0

Brandenburg

7

1

0

6

8

2

Sachsen-Anhalt

8

9

1

4

0

0

Berlin

8

5

0

6

3

0

NRW

53

37

0

43

27

0

Sachsen

16

16

0

6

0

0

Hessen

18

17

0

13

5

0

Thüringen

7

9

2

4

0

0

Rheinland-Pfalz

14

13

0

8

2

0

Bayern

49

45

0

18

0

0

Baden-Württemberg

34

37

3

18

1

0

Saarland

3

4

1

3

0

0

gesamt

262

225

7

165

69

3

davon CSU:

25

45

 

 

 

 

 

Und was wäre, wenn die SPD mehr und die CDU weniger Prozentpunkte bekäme?

Zum Vergleich haben wir auch das Ergebnis für einen alternativen Ausgang simuliert, bei dem die SPD fünf Prozentpunkte mehr  und die CDU fünf Prozent weniger holt. Die Verteilung der Direktmandate bliebe in diesem Vergleichsszenario konstant. Es ergeben sich gut  doppelt so viele Überhangmandate:

 

 

CDU/CSU

SPD

 

Listen-

mandate

Direkt-

mandate

Überhang-

mandate

Listen-

mandate

Direkt-

mandate

Überhang-

mandate

Schleswig-Holstein

8

9

1

8

2

0

Mecklenburg-Vorpommern

5

6

1

3

0

0

Hamburg

4

1

0

4

5

1

Niedersachsen

21

16

0

24

14

0

Bremen

1

0

0

2

2

0

Brandenburg

6

1

0

7

8

1

Sachsen-Anhalt

7

9

2

5

0

0

Berlin

7

5

0

7

3

0

NRW

46

37

0

50

27

0

Sachsen

14

16

2

7

0

0

Hessen

16

17

1

16

5

0

Thüringen

6

9

3

5

0

0

Rheinland-Pfalz

12

13

1

10

2

0

Bayern

45

45

0

22

0

0

Baden-Württemberg

30

37

7

21

1

0

Saarland

3

4

1

3

0

0

gesamt

231

225

19

194

69

2

davon CSU:

45

 

 

 

 

 

 

Der Vergleich der beiden Tabellen zeigt, dass die Wahl 2009 in Sachen Überhangmandate eher ein Extrem- als ein Durchschnittsergebnis war. Je stärker die kleinen Parteien werden (2009 vor allem die FDP), desto deutlicher weichen Zweit- und Erststimmenergebnis voneinander ab, entsprechend steigt die Anzahl der Überhangmandate.

 

Ausgleichsmandate hinzuzählen

Das alternative Kompetenzteam von Peer Steinbrück
Frank-Walter SteinmeierDer ehemalige Außenminister und jetzige Chef der SPD-Bundestagsfraktion ist einer der beliebtesten Politiker des Landes: sachlich, ruhig, angesehen über alle Parteien. Ins K-Team, so die Absprache mit Steinbrück, sollte und wollte er nicht – stattdessen will  er aus seiner Parlamentsrolle Wahlkampf machen. Das aber bisher eher unauffällig. Quelle: dpa
Olaf ScholzDer einstige SPD-Generalsekretär mit dem Spitznamen „Scholzomat“ hat sich in Hamburg zum unumstrittenen Bürgermeister entwickelt. Mit Forderungen nach bezahlbaren Mieten und Konzepten gegen Wohnungsnot hat Scholz die Wähler  überzeugt, die meisten sozialdemokratischen Konzepte für den Bundestagswahlkampf berufen sich auf Hamburger Ideen. Für dieses Thema wäre Scholz der beste Verkäufer gewesen. Quelle: dpa
Franz MünteferingWeniger für die Abteilung Verkopft, aber für das empfindsame sozialdemokratische Herz wäre der ehemalige SPD-Vorsitzende und Vizekanzler a.D. Müntefering der ideale Kandidat. Aus dem Bundestag scheidet der 73-Jährige in diesem Herbst zwar endgültig aus – aber kaum ein lebender Genosse steht so sehr für reformorientierte Politik gepaart mit sozialem Bewusstsein. Quelle: REUTERS
Jörg AsmussenJung, smart, belastbar: Peer Steinbrück und Jörg Asmussen kennen sich bestens aus gemeinsamen Jahren im Bundesfinanzministerium. Asmussen war als Staatsekretär Steinbrücks Ein-Mann-Kompetenzzentrum nach dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers im September 2008. Heute ist Asmussen aber lieber Mitglied im EZB-Direktorium als einer wenig aussichtsreichen Kampagne anzugehören. Quelle: REUTERS
Klaus von DohnanyiDohnanyi, von 1981 bis 1988 Bürgermeister in Hamburg, wäre so etwas wie ein Helmut-Schmidt-Double im Steinbrücks Kompetenzteam: ein kluger, streitbarer und unabhängiger Kopf für die weiten Linien jenseits des tagesaktuellen Theaterdonners. Natürlich: Mit fast 85 Jahren kein Mann mehr für ein zukünftiges Kabinett – aber ein Sozialdemokrat mit Strahlkraft weit über das angestammte Milieu hinaus. Quelle: dpa/dpaweb

Um die endgültige Sitzverteilung zu errechnen, müssen dann die Ausgleichsmandate hinzugezählt werden. Dazu wird zunächst für jede Partei ein „Zielanteil“ an den Sitzen im Parlament errechnet. Dafür fallen die Prozentpunkte der Parteien, die es nicht ins Parlament geschafft haben, weg. Der Anteil an den verbleibenden Prozentwerten ergibt dann den Zielwert. Im aktuellen Szenario (plus FDP) müsste die SPD beispielsweise statt auf 25,3 Prozent (Stimmanteil) auf 27,6 Prozent Sitzanteil kommen.

Der Wert der Partei mit den meisten Überhangmandaten wird dann als Zielmarke verwendet. In dem Fall entsprechen die  32,5 Prozent der CDU (ohne Bayern) einer Sitzzahl von 220. Für die anderen Parteien ergeben sich folgende Werte:

Das entspricht Ausgleichmandaten und einer Gesamtsitzzahl von:

 

 

Sitzanteil im Parlament

Sitze gesamt

davon Ausgleichmandate

CDU

35,4

220

0

CSU

8,4

52

3

SPD

27,6

172

6

FDP

5,4

34

1

Grüne

15,4

96

5

Linke

7,8

48

1

gesamt

622

16

 

Im Vergleich zu den aktuellen Zahlen von 622 also alles andere als ein Ausreißer nach Oben. Selbst für den Fall, dass sich das Verhältnis zwischen SPD und CDU noch um die genannten fünf Prozent verschöbe, ergäben sich neben den 21 Überhangmandaten nur 41 Ausgleichsmandate und der Bundestag würde 661 Parlamentarier fassen.

 

 

Sitzanteil im Parlament

Sitze gesamt

davon Ausgleichmandate

CDU

31

205

0

CSU

7,3

48

3

SPD

32,9

218

22

FDP

5,5

36

3

Grüne

15,4

102

11

Linke

7,9

52

3

gesamt

661

42

 

Und wenn die FDP es nicht schaffen sollte?

Die Krisen der Freien Demokraten
Retter Brüderle?Als starker Mann in der Partei gilt derzeit Fraktionschef Rainer Brüderle (hier mit dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler am 17.04.2013 in Berlin während eines Empfangs zum Geburtstag von Dirk Niebel). Die Aufschrei-Affäre um sein angeblich sexistisches Verhalten gegenüber einer Journalistin brachte ihn zwar zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Bedrängnis. Aber peinlich war die Indiskretion für den Spitzenkandidaten in jedem Fall. Zumal sie wohl auch die Erinnerung an seinen alten Ruf als „Weinköniginnenküsser“ beförderte. Brüderle war als rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister auch für den Weinbau zuständig. Und er galt seinerzeit nicht gerade als politisches Schwergewicht. Quelle: dpa
Der Riesenerfolg 2009 - und der steile Absturz danachDer damalige FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle, rechts, und der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher, links, am 3. September 2009 beim Auftakt des bundesweiten Wahlkampfes. Es war das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten, das die FDP feiern konnte: 14,6 Prozent. Fünf Minister konnte sie im Koalitionsvertrag mit Angela Merkel durchsetzen. Doch schnell stürzte die FDP in den Umfragen auf Minus-Rekorde. Die Kritik an Parteichef Guido Westerwelle spitzte sich nach schwachen Landtagswahlergebnissen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu. Aber auch der neue Parteichef Philipp Rösler steht seither unter medialer Dauerkritik. Auch innerhalb der Partei halten ihn viele für  führungsschwach und wenig überzeugend. Quelle: AP
Die PlagiatorinDie einst von Westerwelle protegierte EU-Parlamentarierin Silvana Koch-Mehrin stürzte im Mai 2011, über ihre abgeschriebene Doktorarbeit. Schon vorher hatte sich Koch-Mehrin in Talkshows durch offensichtliche Inkompetenz und in Brüssel durch Abwesenheit bei Sitzungen diskreditiert. Hier ist sie am 16. Mai 2009 vor ihrem Wahlplakat auf dem FDP Bundesparteitag in Hannover zu sehen. Der Doktor-Titel fehlte auf keinem Plakat. Quelle: AP
Der PlagiatorAuch EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis fiel vor allem durch häufige Talkshow-Auftritte (hier bei "Anne Will") und geschwätzige Wortmeldungen auf. Unter anderem schlug er vor, nicht mehr von „Griechenland“ zu sprechen sondern von „Hellas“, um das Image des Landes zu heben. Sein eigenes Image leidet seit Juli 2011 unter dem Entzug des Doktortitels aufgrund der zum größten Teil abgeschriebenen Doktorarbeit.    Quelle: dapd
Möllemann stürzt abJürgen Möllemann war die wohl kontroverseste Persönlichkeit der bisherigen FDP-Geschichte. Der Fallschirmjäger-Oberleutnant. Nach der „Briefbogen-Affäre“ und seinem Rücktritt als Bundeswirtschaftsminister 1993 gelang ihm als Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen 2000 ein erstaunlicher Wahlerfolg. Möllemann galt als Kopf hinter der Strategie 18. 2002 eskalierte dann ein Konflikt um seine Unterstützung für einen palästinensischen Aktivisten, der Israel einen „Vernichtungskrieg“ vorwarf. Möllemann wurde vom Zentralrat der Juden scharf angegriffen. Hildegard Hamm-Brücher trat seinetwegen aus der FDP aus.  Nach einem Flugblatt mit erneuten Vorwürfen gegen die israelische Regierung drehte sich die Stimmung innerhalb der FDP zuungunsten Möllemanns, der aus der Partei austrat. Am 5. Juni 2003 starb er bei einem Fallschirmabsturz, vermutlich wählte er den Freitod. Quelle: dpa
Projekt 18So nannte die FDP ihre Wahlkampfstrategie zur Bundestagswahl 2002, beschlossen im Mai 2001 auf dem Düsseldorfer Bundesparteitag unter wesentlicher Mitwirkung von Jürgen Möllemann (Bild). Ziel: „mit neuen Formen der Kommunikation und Darstellung … neue Wählerschichten“ für die Partei erschließen und die FDP als eigenständige und unabhängige politische Kraft außerhalb eines vorgegebenen Lagers darstellen. Der Name bezog sich auf das Ziel, den Anteil an den Wählerstimmen von 6 auf 18 Prozent zu verdreifachen. Viele empfanden die Kampagne als Inbegriff einer plakativen Spaß-Politik.
Guido im ContainerEine Aura des Unernsthaftigkeit verpasste sich die FDP-Führung spätestens zu Anfang des neuen Jahrtausends. Als Sinnbild der damals neuen politischen Spaßkultur wurde vor allem der Besuch des damaligen Generalsekretärs Westerwelle im Big-Brother-Container 2000 gesehen. Als Mitbringsel hatte er Alkoholika und Zigaretten dabei. Quelle: dpa

Sollte es die FDP bei ansonsten aktuellen Projektionswerten nicht ins Parlament schaffen (4,9 Prozent), würden sogar nur 611 Mandate vergeben.

 

 

Sitzanteil im Parlament

Sitze gesamt

davon Ausgleichmandate

CDU

37,4

229

0

CSU

8,9

54

2

SPD

29,1

178

2

FDP

0

0

0

Grüne

16,2

99

2

Linke

8,3

51

2

gesamt

 

611

8

 

Die Wahl 2009 war somit in Sachen Überhangmandate eine wirkliche Ausnahmewahl. Bei allen momentan halbwegs wahrscheinlichen Ergebnissen wird die Zahl der Sitze deutlich unter der Marke von 674 liegen, wahrscheinlich ist ein Wert im Bereich der aktuellen Zahl von 620 sein. Die Berechnungen zeigen, dass die Folgen der neuen Regelung weitaus weniger dramatisch sind, als profitiert.  Damit die Zahl der Sitze tatsächlich über 800 steigt, müsste sich vor allem bei der CSU viel verändern. Sie ist die einzige „kleine“ Partei ist (bundesweiter Stimmanteil 2009: 6,5 Prozent), die eine größere Zahl von Überhangmandate erwerben könnte.

Aufgrund der geringen Größe der Fraktion würde das die relative Größe aber deutlich stärker beeinflussen als bei den großen Parteien, die dann ja angepasst werden müsste. Sollte die CSU in Bayern nur 35 oder 36 Prozent holen und trotzdem wie zuletzt alle Direktmandate, käme es tatsächlich zu einem Bundestag mit mehr als 800 Abgeordneten. Zumindest für die nächsten Wahlen ist das aber nichts als rot-grüne Utopie.

Die Parlamentarier sollten sich also lieber auf Stabilität als auf Wachstum einstellen. Für die FDP, die als Kleinpartei formal zu den Gewinnern der Neuregelung zählt, ist sogar Schrumpfung angesagt. Von den aktuell 93 Sitzen dürfte nach aktuellen Projektionen wenig mehr als ein Drittel erhalten bleiben. Rund sechzig Abgeordnete müssten sich einen neuen Job suchen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%