Ähnlich bedenklich fällt der Vergleich der Umfragen vier Monate vor der Wahl – analog zu den aktuell veröffentlichten Umfragen – mit dem tatsächlichen Ergebnis aus. Zwar weisen die Institute darauf hin, dass hier nur Stimmungen wiedergegeben werden, sie nehmen aber zumindest billigend in Kauf, dass ihre Umfragen ähnlich wie Konjunkturprognosen gelesen werden: Falls sich nichts Gravierendes ändert, wird die Wahl so wie die aktuelle Umfrage ausgehen. Dabei stimmt das mitnichten: Den Vergleich mit der naiven Prognosen (mittlere Abweichung der Parteiwerte 3,0 Punkte) gewinnen die Institute zwar, die schwächste Allensbach (2,8) und Infratest dimap (3,0) aber nur haarscharf. Allensbach liegt sogar beim Anteil der Ergebnisse außerhalb des Konfidenzintervalls (50 Prozent) nur unwesentlich vor der naiven Prognose (60 Prozent).
Umfrage vier Monate vor der Wahl | ||
Mittlere Abweichung (in Prozentpunkten) | Anteil der Ergebnisse außerhalb des Konfidenzintervalls (in Prozent) | |
Allensbach | 2,8 | 50 |
TNS Emnid | 2,4 | 25 |
Forsa | 2,4 | 30 |
Forschungsgruppe Wahlen | 2,5 | 40 |
GMS | 2,7 | 40 |
Infratest dimap | 3 | 40 |
Mittelwert (ungewichtet) | 2,4 | 40 |
Naive Prognose (letztes Wahlergebnis) | 3,1 | 60 |
Quelle: eigene Berechnungen |
Dieser Vergleich zeigt auch: Die Bundestagswahl 2013 vier Monate vorher als bereits entschieden zu bezeichnen, wäre verfrüht. Der Wahlkampf steht erst bevor und viele Wähler haben sich noch gar nicht entschieden – in Großbritannien wird deshalb in jeder Umfrage der Anteil der Befragten veröffentlicht, die "weiß nicht" antworten. Keine schlechte Idee.
Versucht man anhand dieser Ergebnisse einen Sieger zu küren, fällt die Wahl am ehesten auf die Forschungsgruppe Wahlen.* In das Urteil einfließen können nur die Prognosen eine Woche vor der Wahl. Dass die Umfragen Monate vorher weit vom Ergebnis abweichen, liegt in der Natur der „Sonntagsfrage“ – das Problem ist hier eher in der Kommunikation und der Interpretation als in der Umfrage zu suchen. In der wichtigsten Kategorie, dem Anteil der Werte innerhalb des Konfidenzintervalls, liegt die Forschungsgruppe vorne. Auch bei der Problemwahl 2005 schnitt die Forschungsgruppe am besten ab. Ähnlich gut funktioniert die Prognose von Allensbach, hier ist die mittlere Abweichung sogar ein bisschen niedriger, dafür lag das Institut 2005 weiter daneben und die Anzahl der Ergebnisse außerhalb des Intervalls ist etwas höher.
Vor allem aber zeigen die Werte, dass die Institute allesamt noch Nachholbedarf haben. Ihr Vertrauens(Konfidenz)-Versprechen können sie allesamt nicht halten, in prognostisch schwierigen Zeiten (2005) lesen sich die Ergebnisse ihrer Prognosen insgesamt bescheiden. Da es keinen ganz klaren Sieger gibt, ist es außerdem vor der Wahl schwierig zu beurteilen, wessen Umfrage diesmal am Ende die beste sein wird. Das ist ein Argument für unseren gewichteten Mittelwert, denn der sollte auf jeden Fall deutlich näher am Ergebnis liegen als das schlechteste Institut.
Über die Gründe dafür, warum Umfragen und Ergebnisse mitunter stark voneinander abweichen und was sich im Wahlkampf noch ändern kann, werden wir in einem der nächsten Beiträge berichten.
*Jan Eric Blumenstiel ist Mitarbeiter der Universität Mannheim. Mit der Forschungsgruppe Wahlen hat er jedoch weder beruflich noch privat zu tun. Um den bloßen Anschein einer Interessenkollision zu vermeiden, wurde die Entscheidung wurde an dieser Stelle dennoch allein von Konrad Fischer vorgenommen.