Wahlsager

Meinungsforscher im Leistungscheck

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Ergebnis vier Monate vor der Wahl

Welche Politiker die Deutschen (nicht) lieben
Angela Merkel: 65 ProzentKanzlerin Merkel baut ihren Vorsprung in der Wählergunst im ARD-Wahltrend nochmal um fünf Prozent zum Vormonat aus. Damit ist sie nicht nur die Politikerin, mit deren Arbeit die Deutschen am zufriedensten sind. Sondern sie führt als CDU-Vorsitzende auch die Partei an, die – laut aktueller Sonntagsfrage – eine unveränderte Mehrheit von 41 Prozent der Deutschen wählen würden. Bei einer Stichwahl zwischen den Kanzlerkandidaten Steinbrück und Merkel, würden 55 Prozent der Deutschen für Merkel stimmen. Im Profilvergleich mit ihrem SPD-Herausforderer schneidet sie nur beim Einsatz für soziale Gerechtigkeit schlechter ab. Quelle: dapd
Thomas de Maizière: 63 ProzentVerteidigungsminister de Maizière folgt der Kanzlerin auf den Fersen: Auch der CDU-Politiker konnte zum Vormonat nochmal fünf Prozent gutmachen. De Maizière kommt in seinem Amt als Verteidigungsminister wohl deshalb so gut an, weil er den Umbau der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee zügig vorantreibt. Außerdem macht er auf das Schicksal traumatisierter Soldaten aufmerksam und erklärt den pazifistischen Deutschen, warum mancher Bundeswehreinsatz doch nötig sein könnte. Quelle: dapd
Wolfgang Schäuble: 59 ProzentAuch auf dem dritten Platz der Zufriedenheitsrangliste steht ein CDU-Politiker aus dem merkelschen Ministerkabinett: Finanzminister Schäuble hat nochmal zwei Prozent mehr Zustimmung bekommen als im Dezember. Und das obwohl er als einer der prominenten Manager der Euro-Krise nicht gerade auf Beliebtheit abonniert ist: Glauben doch 70 Prozent der Deutschen, dass uns das schlimmste in der europäischen Schuldenkrise noch bevorsteht. 54 Prozent der Wähler machen sich Sorgen um ihre Ersparnisse. Quelle: REUTERS
Hannelore Kraft: 58 ProzentDer populärste Sozialdemokrat ist weder Parteiführer Gabriel noch die „Stones“, sondern die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen: Hannelore Kraft hat zum Vormonat nochmal zwei Prozent auf der Zufriedenheitsskala zugelegt. Ihre Beliebtheit gründet sich wohl vor allem darauf, dass sie nicht kühl und abgehoben und ihre Auftritte inszeniert wirken, wie bei vielen anderen Spitzenpolitikern. Sie wirkt immer noch wie die gute Freundin von nebenan – und diese Bodenständigkeit kommt an. Quelle: REUTERS
Frank-Walter Steinmeier: 51 ProzentVor noch nicht allzu langer Zeit hatte die SPD noch drei potentielle Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst: die „Stones“, Steinbrück und Steinmeier, und den dritten im Bunde, Parteiführer Gabriel. Zum Spitzenkandidat kürte die SPD – irgendwie über Nacht – Peer Steinbrück, der inzwischen in den Beliebtheitsumfragen abstürzt. Dagegen sind die Deutschen in der aktuellen Umfrage mit Frank-Walter Steinmeier aus dem ehemaligen SPD-Triumvirat am zufriedensten, auch wenn er seit den letzten Umfragen um 5 Prozent absackte. Quelle: dapd
Jürgen Trittin: 45 ProzentDer beliebteste Grünen-Politiker im Deutschlandtrend ist Bundesfraktionsvorsitzender Jürgen Trittin mit unverändert 45 Prozent Zustimmung. Bei der aktuellen Sonntagsfrage würden 14 Prozent der Deutschen die Grünen in den Bundestag wählen, zwei Prozent mehr als noch in der Vorwoche. Quelle: dpa
Ursula von der Leyen: 44 ProzentDie Zufriedenheit mit Arbeitsministerin von der Leyen liegt unverändert bei 44 Prozent. Sie selbst geht mit dem Thema Popularität ganz pragmatisch um: “Beliebt wollte ich zu Schulzeiten sein, das sind Poesiealbumkategorien. Als Ministerin ist das für mich kein Kriterium mehr. Die Themen, die ich behandele, polarisieren, weil sie jeden angehen.” Quelle: dpa

Ähnlich bedenklich fällt der Vergleich der Umfragen vier Monate vor der Wahl – analog zu den aktuell veröffentlichten Umfragen – mit dem tatsächlichen Ergebnis aus. Zwar weisen die Institute darauf hin, dass hier nur Stimmungen wiedergegeben werden, sie nehmen aber zumindest billigend in Kauf, dass ihre Umfragen ähnlich wie Konjunkturprognosen gelesen werden: Falls sich nichts Gravierendes ändert, wird die Wahl so wie die aktuelle Umfrage ausgehen. Dabei stimmt das mitnichten: Den Vergleich mit der naiven Prognosen (mittlere Abweichung der Parteiwerte 3,0 Punkte) gewinnen die Institute zwar, die schwächste Allensbach (2,8) und Infratest dimap (3,0) aber nur haarscharf. Allensbach liegt sogar beim Anteil der Ergebnisse außerhalb des Konfidenzintervalls (50 Prozent) nur unwesentlich vor der naiven Prognose (60 Prozent).

Umfrage vier Monate vor der Wahl
 

Mittlere Abweichung

(in Prozentpunkten)

Anteil der Ergebnisse außerhalb des Konfidenzintervalls

(in Prozent)

Allensbach2,850
TNS Emnid2,425
Forsa2,430
Forschungsgruppe Wahlen2,540
GMS2,740
Infratest dimap340
Mittelwert (ungewichtet)2,440
Naive Prognose (letztes Wahlergebnis)3,160
Quelle: eigene Berechnungen

Dieser Vergleich zeigt auch: Die Bundestagswahl 2013 vier Monate vorher als bereits entschieden zu bezeichnen, wäre verfrüht. Der Wahlkampf steht erst bevor und viele Wähler haben sich noch gar nicht entschieden – in Großbritannien wird deshalb in jeder Umfrage der Anteil der Befragten veröffentlicht, die "weiß nicht" antworten. Keine schlechte Idee.

Versucht man anhand dieser Ergebnisse einen Sieger zu küren, fällt die Wahl am ehesten auf die Forschungsgruppe Wahlen.* In das Urteil einfließen können nur die Prognosen eine Woche vor der Wahl. Dass die Umfragen Monate vorher weit vom Ergebnis abweichen, liegt in der Natur der „Sonntagsfrage“ – das Problem ist hier eher in der Kommunikation und der Interpretation als in der Umfrage zu suchen. In der wichtigsten Kategorie, dem Anteil der Werte innerhalb des Konfidenzintervalls, liegt die Forschungsgruppe vorne. Auch bei der Problemwahl 2005 schnitt die Forschungsgruppe am besten ab. Ähnlich gut funktioniert die Prognose von Allensbach, hier ist die mittlere Abweichung sogar ein bisschen niedriger, dafür lag das Institut 2005 weiter daneben und die Anzahl der Ergebnisse außerhalb des Intervalls ist etwas höher.

Vor allem aber zeigen die Werte, dass die Institute allesamt noch Nachholbedarf haben. Ihr Vertrauens(Konfidenz)-Versprechen können sie allesamt nicht halten, in prognostisch schwierigen Zeiten (2005) lesen sich die Ergebnisse ihrer Prognosen insgesamt bescheiden. Da es keinen ganz klaren Sieger gibt, ist es außerdem vor der Wahl schwierig zu beurteilen, wessen Umfrage diesmal am Ende die beste sein wird. Das ist ein Argument für unseren gewichteten Mittelwert, denn der sollte auf jeden Fall deutlich näher am Ergebnis liegen als das schlechteste Institut.

Über die Gründe dafür, warum Umfragen und Ergebnisse mitunter stark voneinander abweichen und was sich im Wahlkampf noch ändern kann, werden wir in einem der nächsten Beiträge berichten.

*Jan Eric Blumenstiel ist Mitarbeiter der Universität Mannheim. Mit der Forschungsgruppe Wahlen hat er jedoch weder beruflich noch privat zu tun. Um den bloßen Anschein einer Interessenkollision zu vermeiden, wurde die Entscheidung wurde an dieser Stelle dennoch allein von Konrad Fischer vorgenommen.

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