Wahlsager

Wie der Wahl-O-Mat die Wahl beeinflusst

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Mobilisierende Wirkung auf Parteianhänger

Das bekannte Tool, mit dem Millionen Deutsche ihre Wahlabsicht überprüfen, startet. Parteien messen dem Wahl-O-Mat eine hohe Bedeutung zu - und tricksen zuweilen bei ihren Antworten.
von Tim Rahmann

Diese Zahlen alleine verleiten jedoch dazu, die Bedeutung des Wahlautomaten zu überschätzen. Denn die Unterschiede werden ganz stark davon überlagert, dass der Test in erster Linie von politisch Interessierten ausgefüllt wird. Doch selbst wenn man das beachtet hat der Wahl-O-Mat dennoch eine mobilisierende Wirkung, die über den Effekt von politischem Interesse, Bildung oder Alter hinausgeht. Er kann also offensichtlich bei der Mobilisierung der Parteianhänger helfen. Insgesamt ist bei Parteianhängern, die den Selbsttest nutzen und sich vom Ergebnis bestätigt sehen, die Wahrscheinlichkeit um bis zu zehn Prozent höher, die Stimme auch tatsächlich für die Partei abzugeben. Widerspricht das Wahl-O-Mat Ergebnis dagegen den eigenen Erwartungen, lassen sich nur sehr wenige Wähler davon überzeugen – der Wahl-O-Mat kann also bestehende Wahlabsichten verstärken, aber kaum umstimmen.

Das bedeutet: Wenn eine Partei ohne Wahl-O-Mat 20 Prozent der Stimmen erhält, könnte sie diesen Anteil auf maximal 22 Prozent steigern – wenn alle Anhänger den Selbsttest nutzen und sich von diesem bestätigt fühlen. Zugegeben: Das sind eine ganze Menge Randbedingungen. Für ein kleines Online-Tool ist es dennoch erstaunlich viel, verglichen mit der nicht nachweisbaren Wirkung von lastwagenweise Kugelschreibern.

Dabei gibt es zudem Unterschiede zwischen den Parteien. Besonders beliebt war der Wahl-O-Mat  2009 offenbar bei den Anhängern der Grünen. In der GLES-Befragung gaben 23 Prozent der Grünen-Sympathisanten an, das Instrument genutzt zu haben. Bei der FDP waren es immerhin 17 Prozent bei CDU und SPD hingegen weniger als zehn Prozent. Das heißt jedoch keineswegs, dass die Grünen auch an meisten von der Existenz des Wahl-O-Mat profitierten. Denn bei Ihnen ist zugleich die Quote derjenigen, die sich durch den Test bestätigt fühlen, recht gering. Nur 70 Prozent der Grünen-Wähler geben an, dass das Ergebnis Ihrer Erwartung entsprach. Nur bei der Linken waren es noch weniger (65 Prozent), bei der CDU hingegen waren 81 Prozent und bei der SPD sogar 87 Prozent. Dennoch  dürfte ein leichter Vorteil für die Grünen geblieben sein. Auch die FDP, die eine recht hohe Beteiligungsquote mit einer ausgezeichneten Übereinstimmungsquote (86 Prozent) verbindet, gewinnt einige Stimmen durch den Wahl-O-Mat. Als Verlierer steht hingegen die Linke dar: Ein leicht überdurchschnittlicher Anteil der Sympathisanten (14 Prozent) beteiligt sich zwar an dem Test. Zugleich merken besonders viele Linken-Sympathisanten dabei, dass die Forderungen der Partei gar nicht zu ihren persönlichen Einstellungen passen.

Die Beliebtheit des Wahl-O-Mat hat inzwischen einen kleinen Markt entstehen lassen. Neben dem Vorreiter gibt es inzwischen einige weitere Online-Wahlhilfen. Dazu zählen der „Bundeswahlkompass“, der an die erfolgreichste niederländische Wahlhilfe angelehnt ist oder das „Parteinavi“. Beide Tools bieten dem Nutzer graphische Darstellungsformen der Ergebnisse, die über die reine Zahl übereinstimmender Aussagen hinausgeht.

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