Wahlsager

Piratenpartei - Erst geentert, dann gekentert

Konrad Fischer Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Konrad Fischer Ressortleiter Unternehmen und Technologie

Die Piratenpartei ist vom bewunderten Aufsteiger zum Paradebeispiel dafür geworden, was bei der Etablierung einer neuen Partei alles schief gehen kann. Der Zerfall droht ihr dennoch nicht.

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Schon ein Jahr nach dem Höhepunkt klingt der Hype um die Piraten kaum vorstellbar. Ende März 2012 gaben bei der Forschungsgruppe Wahlen unglaubliche 11 Prozent der Befragten an, dass sie momentan wohl die Piraten wählen würden. Seit Mitte April diesen Jahres sind die Zustimmungswerte, die von der Mannheimer Forschungsgruppe erfasst werden, so gering, dass die Partei gar nicht mehr separat ausgewiesen wird.
Dazu gibt es viele naheliegende Erklärungen und ein paar statistische Belege. Klar, die Piraten haben sich viel gestritten. Sicher, keiner ihrer Kandidaten ist wirklich bekannt. Natürlich, in den Parlamenten haben sie kaum zählbare Erfolge errungen. Bloß: Erwartet man all das überhaupt von einer jungen Partei? Eher nicht.

Messen lassen muss die Partei sich daher nicht unbedingt an den Umfragewerten aus dem vergangenen Jahr, wie es ihr von vielen nahegelegt wird. Wer Parteiveranstaltungen im Sommer 2012 miterlebt hat, weiß, dass zu dieser Zeit vieles auf die Piraten projiziert wurde, was nichts mit der Partei zu tun hatte. Die Partei zog zu dieser Zeit Protestwähler an, die ihre Verärgerung über das System oder ganz persönliche Ziele mit der Stimme für die Partei ausdrücken wollten. Doch diese Wähler sind so zahlreich wie unzuverlässig. Viele haben sich eine andere Heimat gesucht, manche sind bei der AfD gelandet.

Entwicklung der Mitgliederzahl bei der Piratenpartei Quelle: Piratenpartei

Fairer, wenn auch keineswegs schmeichelhafter, ist daher vielleicht der Vergleich mit der vergangenen Bundestagswahl. 2009 hatte die Partei sich in ihrem Kernmillieu schon eine hohe Bekanntheit erarbeitet, jenseits dessen war sie jedoch entweder nicht bekannt oder bekam keine Sympathien. Dennoch reichte es bei der Wahl für knapp 850.000 Stimmen oder 2,0 Prozent. Dieser Wert ist in der Rückschau erstaunlich hoch, wenn man bedenkt wie wenig die Partei zu dieser Zeit in der Öffentlichkeit stattfand. So ergibt eine Archivauswertung von zehn tages- oder wochenaktuellen Titeln (FAZ, SZ, Welt, FTD, Handelsblatt, Zeit, Spiegel, Stern, WiWo, WamS) für das Jahr 2009 insgesamt 79 Artikel, in denen die Piratenpartei vorkommt, im Hype-Jahr 2012 waren es 396 oder fünfmal so viele. Zudem traten die Piraten bei der Bundestagswahl 2009 in Sachsen gar nicht an, hier dürften ihr noch einmal rund 50.000 Stimmen verloren gegangen sein.

Versucht man daraus realistische Ambitionen für 2013 abzuleiten, ist zunächst zu konstatieren, dass sich die Partei in der Zwischenzeit immens verändert hat. Neben einer Vielzahl von Vorständen, welche die Partei kommen und gehen gesehen hat, ist die Piratenpartei vor allem stark gewachsen. Hatte sie Mitte 2009 ungefähr 12.000 Mitglieder, sind es heute rund 32.000.

Setzt man diese Mitgliederzahlen ins Verhältnis zur Stimmenzahl, kommt man zu dem Ergebnis, dass 2009 auf jedes Mitglied ungefähr 74 Wähler kamen. Im Vergleich zu anderen Parteien ist das eine relativ hohe Rate, so kamen beispielsweise bei der SPD auf jedes Mitglied nur 18,5 Wähler, bei der CDU waren es 22,7. Nur die FDP erreichte bei ihrer Rekordwahl 2009 mit 97 Wählern pro Mitglied einen noch höheren Wert als die Piraten.

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