




Es ist eine der ungeprüften Behauptungen, mit denen zurzeit in Berlin Politik gemacht wird: Die Grünen seien die neuen Bürgerlichen, eine Koalition mit der CDU daher angesichts der Wählermilieus eigentlich naheliegender als mit der SPD. Als Beispiele dafür werden Politiker aus dem Südwesten wie der Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder die mit ihrer Bewerbung um den Fraktionsvorsitz jüngst gescheiterte Kerstin Andreae genannt. Doch offenbar sind die beiden eher Außenseiter als die wahren Repräsentanten der grünen Wählerschaft.
Das zumindest legen unsere Auswertungen der Daten der German Longitudinal Election Study (GLES) nahe, für die seit vielen Jahren immer wieder Wähler befragt werden. Wir haben uns dafür die Positionen der Parteianhänger zu bestimmten umstrittenen Sachfragen angeschaut. Dabei zeigt sich, dass die Überschneidungen zwischen CDU und SPD deutlich größer sind als zwischen CDU und Grünen. Von zwölf Sachthemen sind sich nur bei einem einzigen die Anhänger von CDU und Grünen näher als von SPD und CDU.
Die Anhänger aller drei Parteien liegen ideologisch zwar nicht besonders weit voneinander entfernt – die Zustimmungswerte von CDU und Grünen sind dabei aber fast 50 Prozent weiter auseinander als die von SPD und CDU.
Vor allem aber fällt auf: Bei Fragen, die sich in einem klassischen Links-Rechts-Schema verorten lassen, stehen die Grünen-Anhänger links von den Genossen. So wurden die Wähler gefragt, ob die Regierung Maßnahmen ergreifen sollte, um existierende Einkommensunterschiede zu beseitigen. Auf einer Skala von -2 (klare Ablehnung) bis +2 (klare Zustimmung) lag die durchschnittliche Bewertung der CDU-Anhänger bei durchschnittlich +0,55. Bei der SPD war es +0,99, bei den Grünen +1,06. Ähnlich die Unterschiede bei der grundsätzlichen Frage „Soll sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalten?“. Die leichte Ablehnung der CDU-Anhänger (-0,19) wird von der SPD (-0,39), noch deutlicher aber von den Grünen (-0,43) unterboten. Besonders groß ist dieser Unterschied beim Thema Europa. Die Position „Deutschland sollte EU-Staaten, die wirtschaftliche Probleme haben, finanziell unterstützen“ lehnen sowohl die Anhänger der CDU (-0,23) als auch die der SPD (-0,15) ab. Die Grünen (+0,03) hingegen befürworten eine solche Umverteilung.
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Dennoch sind sich die Anhänger aller drei Parteien bei wirtschaftlichen Themen noch verhältnismäßig nahe. Deutlich umstrittener sind trotz allen politischen Konsenses nach wie vor Themen wie die Atomkraft. Der Aussage „Die Energieversorgung sollte auch durch die Nutzung von Atomkraft gesichert werden“, stehen die CDU-Anhänger recht unentschlossen gegenüber (-0,3), die Anhänger von SPD (-0,81) vor allem aber der Grünen (-1,33) lehnen das klar ab. Zwei absehbare Streitpunkte in einer neuen Regierung spiegeln sich auch in den Positionen der Anhänger zu Steuererhöhungen und gleichgeschlechtlichen Ehen. Der Aussage „Besserverdienende sollten mehr Steuern zahlen“ stehen die CDU-Anhänger gespalten gegenüber (+0,09), sowohl die Wähler von SPD (+0,97) als auch die der Grünen (+0,93) befürworten das eindeutig. Dies ist zugleich die einzige Aussage, bei der SPD und CDU weiter auseinanderliegen als Schwarz-Grün. Bei der Aussage „gleichgeschlechtliche Ehen sollten gesetzlich anerkannt werden“ liegen CDU (+0,32) und SPD (+0,89) sowie Grüne (+1,16) ebenfalls weit auseinander.
Im Durchschnitt sind die Anhänger von CDU und SPD in ihren Antworten 0,38 Punkte voneinander entfernt, die von CDU und Grünen 0,55 Punkte. Auch das dürfte allerdings kein unüberwindbarer ideologischer Graben sein. Nur bei zwei der zwölf Fragen (Frauenquote und Europa) sind die Anhänger mehrheitlich unterschiedlicher Ansicht darüber, ob einer Aussage im Grundsatz zuzustimmen oder abzulehnen sei.