Wahlsager

Wähler, hört ihr die Signale?

Konrad Fischer Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Konrad Fischer Ressortleiter Unternehmen und Technologie

Mit der Entscheidung des ZDF, unmittelbar vor der Bundestagswahl eine Prognose zu veröffentlichen, wird die Gretchenfrage der Meinungsforschung aktuell: Beeinflussen Prognosen die Wahlentscheidung?

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Es galt als ungeschriebenes Gesetz in der Meinungsforschung: In der Woche vor einer Wahl wird keine Umfrage mehr veröffentlicht. Der Verdacht, die Meinungsforscher könnten aktiv auf die Wahlentscheidung einwirken, sollte gar nicht erst entstehen. Jetzt haben ZDF und Forschungsgruppe Wahlen den Kodex gebrochen. Bei der Bundestagswahl im Herbst wollen sie am Donnerstag vor der Wahl eine Prognose veröffentlichen.

Dahinter stecken zwei Überlegungen. Zum einen haben viele Meinungsforscher nach der unglücklichen Niedersachsen-Wahl – Prognosen und Ergebnis lagen recht deutlich auseinander – berichtet, dass sich diese Abweichungen in den Tagen vor der Wahl in Umfragen abzeichnete. Wegen des Schweigegelübdes hätten sie das aber für sich behalten. Nach der Wahl gab es für  die „falschen“ Prognosen dann viel Kritik. Das soll zumindest den Mannheimer Forschern nicht noch einmal passieren.

von Dieter Schnaas, Konrad Fischer, Ferdinand Knauß, Oliver Voß

Zum anderen ist das wohl eine Reaktion auf den sich zuspitzenden Wettbewerb unter den Meinungsforschern. Immer mehr kleine Institute, die vor allem mit Online-Panels arbeiten, machen den etablierten Instituten Konkurrenz. Zum einen arbeiten sie deutlich billiger. Da einige von ihnen sich schon länger nicht an den Kodex halten, lassen sie zum anderen die Ergebnisse der Alteingesessenen immer häufiger schlecht aussehen.

Die Forschungsgruppe Wahlen geht dennoch ein hohes Risiko ein. Je näher sie mit ihrer Prognose an den Wahltag rückt, desto stärker wird sie an der Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Ergebnis gemessen – und zwar auf den Prozentpunkt genau. Dass auch eine Umfrage kurz vor der Wahl dem Zufallsfehler unterliegt und eigentlich nur einen Bereich nennen kann, in dem das tatsächliche Ergebnis wahrscheinlich liegen müsste (z.B. zwischen 35 und 40 Prozent für eine Partei), fällt dann erst recht unter den Tisch.

Wegweiser durch den Steuer-Basar
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
FDP Bundesvorsitzende Philipp Rösler Quelle: dpa
Peer Steinbrück, designierter SPD-Kanzlerkandidat Quelle: dpa
Die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin Quelle: dpa
Abstimmung bei den Linken Quelle: dpa

Viel größer aber ist die politische Sprengkraft, die in der Entscheidung liegt. Denn die Nähe zwischen Prognose und Wahl gibt einer alten Frage neue Aktualität: Beeinflusst die veröffentlichte Stimmungslage das tatsächliche Wahlverhalten?

Es gibt dabei ein paar behauptete Effekte mit unterschiedlich starken Belegen. Als relativ fundiert gilt der sogenannte „bandwagon“-Effekt: Wähler wollen lieber gewinnen als verlieren. Wenn also eine Partei den Eindruck erweckt, sie sei auf der Siegerstraße, zieht sie weitere Wähler an. Ähnlich schlüssig klingt der „underdog“-Effekt, demzufolge eine deutlich unterlegene Partei ebenfalls neue Wähler anzieht, die Mitleid mit der Partei haben oder aus einer „Jetzt-erst-recht“-Denkweise für diese Partei stimmen. Auch für diese These gibt es empirische Belege, sie werden jedoch vom „bandwagon“-Effekt deutlich übertroffen. In beiden Fällen jedoch ist unklar, was den Effekt auslöst. Sowohl veröffentlichte Umfragen als auch das allgemeine mediale Klima und die Spitzenkandidaten spielen eine Rolle.

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