Walther Otremba Kreativer Geist

Er ist der intellektuelle Kopf hinter Wirtschaftsminister Michael Glos: Walther Otremba verpasst dem Haus wieder marktwirtschaftliches Profil.

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Zaghaften Schrittes tritt Walther Otremba ans Rednerpult. Die Herren vom Verband Deutscher Papierfabriken im Festsaal des Berliner Marriott Hotels mustern den 55-Jährigen skeptisch: „Walther wer?“ Otremba erklärt es, auf seine Weise: „Ich bin hier der Ersatz für meine Kollegin Dagmar Wöhrl – und das ist äußerst bedauerlich für Sie, denn sie weiß nicht nur viel mehr als ich, sie sieht auch besser aus.“ Die Fabrikanten schmunzeln über so viel Selbstironie. Dabei ist die Bühne nicht gerade der Lieblingsplatz des beamteten Staatssekretärs, der Anfang September seinen Dienst im Bundeswirtschaftsministerium begonnen hat. Er hält sich lieber bedeckt und zieht im Hintergrund die Strippen. Horst Köhler entdeckte den gebürtigen Ahrensburger einst als jungen Redenschreiber. „Wir Texter sind meist Kopfmenschen“, sagt Otremba, „keine Showtalente.“ Zu Sätzen wie diesen lächelt er verschmitzt, seine wachen Augen blitzen. Die Schüchternheit nimmt ihm an seinem neuen Arbeitsplatz keiner mehr ab. Der Nachfolger von Georg Wilhelm Adamowitsch gilt als starker Mann im Haus, seine Stimme hat Gewicht. Der promovierte Ökonom übernimmt gleich mehrere wichtige Funktionen: Er leitet die Abteilung Z – für Zentrales wie Personal und Haushalt. Zudem ist er Chef des Bereichs Mittelstandspolitik und führt die wichtige Grundsatzabteilung, zuvor die Domäne von Staatssekretär Bernd Pfaffenbach. Dort schuf er neue Strukturen, stärkte die Unterabteilung Grundsatzfragen und strich andere Referate, deren Leiter als SPD-nah gelten. All das dient vor allem einem Ziel: Otremba soll das ordnungspolitische Profil von Wirtschaftsminister Michael Glos schärfen. Die Offensive Otrembas kommt gerade noch rechtzeitig. Der Stolperstart von CSU-Mann Glos hat das Wirtschaftsministerium in den ersten Monaten geschwächt. Wirtschaftsverbände kritisierten offen die inhaltliche Zurückhaltung des Ministers. Ob Kündigungsschutz, Ausbildungspakt oder Mindestlöhne – es schien, als ob Glos, sonst immer für ein Statement gut, der SPD kampflos das Feld überlassen würde. Der Minister fremdelte in seinem Amt, das er nur deswegen angetreten hat, weil CSU-Parteichef Edmund Stoiber den Posten in dem von ihm zurechtgezimmerten Wirtschaftsministerium im letzten Augenblick verweigerte und zurück nach München flüchtete. Bei öffentlichen Auftritten wirkte Glos tapsig und musste sich mit dem bayrischen Problembären Bruno vergleichen lassen. Schließlich jedoch erwachte der alte Instinkt, aus dem Gejagten wurde wieder der Jäger Glos. Von seinem CSU-Freund Theo Waigel erhielt er den Tipp: Wenn du einen Spitzenmann brauchst, hol dir Otremba. Dessen Heimat war lange Zeit das Finanzministerium. Dort diente er nach seinem VWL-Studium in Köln und seiner Arbeit als wissenschaft‧licher Mitarbeiter bei der Monopolkommission knapp 20 Jahre wechselnden Ministern. Zuerst als Referent von Gerhard Stoltenberg, später, unter Finanzminister Waigel, war er zum Leiter des Referats Steuerpolitik, dann zum Chef der Unterabteilung Grundsatzfragen aufgestiegen. Waigel schwärmt noch heute von Otremba: „Ein erstklassiger Ökonom. Einer der besten, der mir im Finanzministerium je begegnet ist.“ Und grundsatztreu. Als Oskar Lafon‧taine (SPD) erster Finanzminister der rot-grünen Koalition wurde, kritisierte Otremba dessen nachfrageorientierten Ansatz in einem Fachartikel. Mit der Folge, dass der verärgerte Lafontaine ihn kaltstellte. Doch wer wie Otremba schon als Schüler durch Skandinavien tourte und am Nordkap im Nebel zeltete, hält auch eine solche berufliche Schlechtwetterphase aus. Die Person Lafontaine habe ihm damals „so sehr gestunken“, sagt er, dass er in die CDU eingetreten ist.

Unter Kollegen gilt Otremba als kreativer Geist, persönlich zugänglich und integer. Lafontaine-Nachfolger Hans Eichel (SPD) holte ihn deshalb aus der politischen Verbannung zurück und ließ sich von ihm in Grundsatzfragen der Finanzpolitik und Wirtschaftsförderung beraten. Danach leitete der passionierte Schachspieler vier Jahre lang die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation. Jetzt arbeitet Otremba für Wirtschaftsminister Glos, mit dem er täglich seine Vorschläge bespricht. Sein Büro hat er im ersten Stock des historischen Invalidenhauses, das Preußenkönig Friedrich II. einst für kriegsversehrte Soldaten bauen ließ. Der schlichte Schreibtisch wirkt angesichts der hohen Decken winzig, die Wände sind – bis auf Fotografien seiner vier Kinder – bilderlos. Jedes Wochenende zieht es Otremba zurück zu seiner Familie nach Sankt Augustin. Dort wohnt er zwischen Ex-Außenminister Klaus Kinkel, KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier und weiterer Politprominenz. Auf den langen Fluren des Gebäudes nahe des Berliner Schifffahrtskanals will Otremba langfristig „weniger Häuptlinge, mehr Indianer“ sehen. Vorbild ist das wesentlich straffer geführte Bundesfinanzministerium. Er will dem Haus zu einem neuen Image verhelfen: als „Ministerium für Wirtschaftlichkeit“, das künftig jede sozialpolitische Initiative auf wirtschaftliche Verträglichkeit prüft. Keine Mindestlöhne, eine stärkere Liberalisierung im Arbeitsrecht. „Wir brauchen radikale Schritte auf dem Arbeitsmarkt“, sagt er und lobt auch den Ansatz von Friedrich Merz in der Steuerpolitik. „Wenn wir immer alles gleich in Harmoniesoße kippen, kommen wir doch nie voran.“

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