Was ist Gerechtigkeit? Die Antwort der Reichen

Was Superreiche über Gerechtigkeit denken: Deutsche Milliardäre kontern die Angriffe von SPD und Co. Quelle: Getty Images

Die Linke will den Geldadel entmachten. Die SPD warnt vor deutschen Oligarchen. Haben die Wohlhabenden keine Lobby in diesem Land? Was reizt uns an den Reichen?

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Gibt es in Deutschland einen Begriff von Reichtum, der nicht politisch ausgebeutet wird und (ab)wertend klingt, nach Obszönität und Schamlosigkeit, nach Vorwurf und Vermögenssteuer? Warum mischt sich, wann immer hierzulande von „den Reichen“ die Rede ist, ein dunkler Unterton in die Debatte?

Warum stellt man sich den Reichen so gern als Feindbild vor, als leistungslosen Erben, der hinter hohen Zäunen am Starnberger See seine unverdienten, in Steuerparadiesen geparkten Millionen verplempert, als gierigen Investmentbanker, der seine goldigen Kinder auf internationalen Internaten vor dem Neid der Zukurzgekommenen in Sicherheit bringt?

Die WirtschaftsWoche hat Antworten auf diese Fragen gesucht und dazu vor allem bei den Reichen selbst nachgehakt: „Finden Sie, dass es in Deutschland gerecht zugeht?“ und: „Eigentum verpflichtet – aber wozu?“

Diese 36 Deutschen besitzen zusammen so viel wie die Hälfte der Deutschen

Denn Fakt ist: Wann immer in Deutschland mal wieder ein Gerechtigkeitsdiskurs anhebt, wird viel über Reiche geredet, aber viel zu wenig mit den Reichen. Dabei haben die Reichen nicht nur viel beizutragen zum Thema Gerechtigkeit, sondern sie vermögen dabei auch zu überraschen.

Denn erstens teilen die meisten Reichen den Generalbefund der Politik: Es geht in dieser Gesellschaft nicht gerecht zu. Zweitens verstehen sie unter „Gerechtigkeit“ etwas anderes, Nicht-Instrumentelles, man könnte auch sagen: etwas Reicheres als den politisch abgenutzten Kampfbegriff, der uns täglich in der Zeitung begegnet.

Die Linken zum Beispiel haben in ihrem Wahlprogramm angekündigt, „die Superreichen entmachten“ zu wollen. In der SPD macht Sozialministerin Andrea Nahles Front gegen eine neue „Oligarchie der Reichen“.

Die schwäbische Unternehmerin Nicola Leibinger-Kammüller (Trumpf) warnt daher eindringlich vor einer politisch vergifteten Atmosphäre: „Gefährlich ist die Debatte vor allem deshalb, da eine künstliche Kluft zwischen den Vermögenden und der Bevölkerung erzeugt wird.  Als würden Unternehmen keine Mitarbeiter beschäftigen, nicht aus- und weiterbilden, nicht Teil der Gesellschaft sein.“

Wolfgang Grupp: „Die Gerechtigkeitsgesellschaft ist außer Betrieb"

Der Familienunternehmer Wolfgang Grupp wiederum findet aus ganz anderen Gründen, dass „die Gerechtigkeitsgesellschaft außer Betrieb" ist und geht mit einigen seiner Kollegen hart ins Gericht: „Den Unanständigen werden zu viele Rechte eingeräumt. Das gilt für Investmentbanker, die mit dem Geld anderer Leute jonglieren und für deren Fehleinschätzungen der Steuerzahler geradestehen muss. Das gilt für Unternehmer, die ihr persönliches Vermögen in die Schweiz retten, bevor sie Insolvenz anmelden. Und das gilt für Manager, die für ihre Fehlleistungen mit keinem Cent geradestehen müssen.“

WirtschaftsWoche Ausgabe 19/2017

Die von einigen Reichen gern unterstellte „Neidgesellschaft“ hält Grupp übrigens für eine Fiktion. Was aber ist es dann was uns so sehr reizt an den Reichen? Und was ist das überhaupt: Reichtum? Vielleicht hilft es, sich die Reichen als Projektionsfläche eines modernen Inbegriffs von Glück vorzustellen: Reich ist nicht, wer zwei Millionen Euro sein Eigen weiß, sondern wer auch das Vermögen besitzt, von den Mühen des Gelderwerbs absehen zu können.

Eben hierin liegt ja die Provokation der spätmittelalterlichen Märchen, die unsere Vorstellung vom Reichtum bis heute prägen: dass der Reiche sein Wohlergehen nicht seiner Arbeit oder seinem Leistungswillen verdankt, sondern einem nie versiegenden Füllhorn – und dass sein Reichtum ihm die Zeit schenkt, sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen.

Anders gesagt: Die Reichen faszinieren uns, weil sie sich den Imperativen der modernen Arbeitswelt entziehen, ihre Partner verwöhnen, mit den Kindern spielen und so lange schlafen können, wie sie wollen – weil für sie nicht time is money gilt, sondern money is time.

Neugierig geworden? Für die Titelgeschichte der  WirtschaftsWoche 19 haben Reporter u.a. den Drogerie-Unternehmer Götz Werner getroffen und SAP-Gründer Dietmar Hopp gefragt, ob er sich von Neidgefühlen verfolgt wähnt. Schauen Sie dem Reichtum ins Gesicht. Leihen Sie dem Reichtum Ihr Gehör: Mit dem WiWo-Digitalpass erhalten Sie die Ausgabe 18 bereits am Donnerstagabend in der App oder als eMagazin. Alle Abo-Varianten finden Sie auf unserer Info-Seite.

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