Was sich in Deutschland ändern muss Schluss mit der Inflations-Paranoia

Die Angst vor der Hyperinflation sitzt tief. Wir Deutschen sollten endlich lernen, eine Inflationsrate von über zwei Prozent zu akzeptieren. Dahinter steht simple Mathematik.

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Deutsches Trauma - die Hyperinflation von 1923
Ein Mann vor Geldbündeln Quelle: AKG
Derzeit liegt die Inflationsrate unter der EZB-Zielmarke von zwei Prozent, eine Hyperinflation rückt damit in weite Ferne. Aber die massive Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank schürt die Sorgen vor einer deutlichen Abwertung des Euro - und damit realen Wertverlusten für Sparer und Anleger. Quelle: zwehren - Fotolia
Heute kurios - damals die harte Realität: Inflationsbriefmarken zu 2 Millionen Mark das Stück. Quelle: pit24
Spielende Kinder: Nach der Hyperinflation war die damalige Reichsmark nicht mehr als Altpapier - und damit auch Spielzeug für Kinder. Quelle: dpa
Geldscheine wurden damals für alles mögliche benutzt, nur bezahlen ging damit nicht mehr. Die Kinder gingen kreativ mit den Geldbündeln um, und bauten Skulpturen aus Geldscheinen. Quelle: dpa
Die Geldscheine wurden in dicken Bündeln gelagert. Quelle: dpa
Kinder und ein Geldturm Quelle: dpa

Manchmal reicht eine einzige Zahl, um in Deutschland in Aufruhr zu versetzen. Jüngst meldete das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,9 Prozent. Bundesbank-Chef Jens Weidmann brachte prompt ein Ende der expansiven Geldpolitik der EZB in Spiel. Kommentatoren warnten vor der Enteignung deutscher Sparer.

Die Reaktionen sind Ausdruck einer tief sitzenden Angst der Deutschen vor Hyperinflation, also rasant steigenden Preisen. Bilder aus den 20er Jahren, als die Menschen ihren Lohn in Schubkarren voll Bargeld abholten, haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Doch diese Inflations-Paranoia ist heutzutage ebenso lächerlich wie gefährlich. Wir Deutschen sollten endlich lernen, eine Inflationsrate von über zwei Prozent zu akzeptieren.

Von einer Hyperinflation ist Deutschland weit entfernt. Und sanft steigende Preise sind kein Problem. Im Gegenteil: Sie schützen vor dem viel größeren Übel – der Deflation, also sinkenden Preisen. Daraus entsteht schnell ein Teufelskreis aus sinkendem Konsum, sinkendem Wachstum und weiter sinkenden Preisen. Japan kämpft seit 1993 fast ununterbrochen mit der Deflation und ist heute das Land mit der höchsten Staatsverschuldung.

Kurzfristig belebt Inflation sogar den Arbeitsmarkt. Wer jetzt die Zinswende fordert, gefährdet Deutschlands Job-Wunder. Wie fatal ein Hardliner als Zentralbanker sein kann, zeigt das Beispiel Helmut Schlesingers, Bundesbank-Chef zwischen 1991 und 1993. Nach der Wiedervereinigung stiegen die deutschen Staatsausgaben massiv an, die Inflation schnellte auf fast fünf Prozent. Schlesinger hob daraufhin den Leitzins drastisch an. Deutschland rutschte in die Rezession, jahrelang zweistellige Arbeitslosenquoten waren die Folge.

Sicher: Wer sein Erspartes heute zum Nullzins auf dem Tagesgeldkonto parkt, verliert Geld. Doch gerade wir jungen Leute profitieren von der Inflation. Der Bafög-Kredit verliert über die Zeit an Wert und die Staatsschulden, die wir in den kommenden Jahrzehnten mit unseren Steuern abbezahlen müssen, werden weniger.

Vor allem aber ist es nicht die Aufgabe von Mario Draghi, risikoscheue deutsche Sparer zu belohnen. Sein Job ist es, die Inflation der gesamten Eurozone auf knapp unter zwei Prozent zu halten. Wenn anderen Euro-Staaten noch die Deflation droht, müssen wir eben Inflationsraten von über zwei Prozent hinnehmen – simple Mathematik.

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