WDR Europaforum „Wir werden nie so sein wie die Vereinigten Staaten von Amerika“

Was soll aus Europa werden? Beim WDR Europaforum diskutieren Spitzenpolitiker über die Zukunft der EU. Dabei wird deutlich: Den Traum von einem europäischen Bundesstaat scheinen nur die Deutschen zu träumen.

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„Wir sollten uns den Gründervätern Europas immer verpflichtet fühlen und ihr Erbe weitergeben

Berlin Die EU ist eine der größten politischen Errungenschaften der Moderne, zitiert Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) einen Satz von Barack Obama. Eine Errungenschaft, die den europäischen Kontinent 70 Jahre vor Krieg bewahrt hat. Es ist eine Errungenschaft, die selbstverständlich geworden ist. Und eine wachsende Zahl der Europäer meint, auf sie verzichten zu können.

Fehlen Europa die Europäer? Das war die zentrale Frage des WDR Europaforums am Donnerstag, wo unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, und eben Steinmeier im Auswärtigen Amt in Berlin auftraten. Emotionale Appelle treffen auf rationale Argumente, klar ist: Ohne eine starke EU geht es in unserer heutigen Welt nicht. Transnationale Probleme brauchen supranationale Lösungen.

Auch wenn Anhänger populistischer Parteien das anders sehen, einfache Antworten geben und sich dem Nationalismus verschreiben. „Kontrollverlust droht denen, die nicht auf Europa setzen, sondern auf nationale Abschottung“, so Steinmeier. Der polnische Außenminister Witold Jan Waszczykowski, Mitglied der rechtskonservativen PiS-Partei, hatte seinen Auftritt kurzfristig abgesagt. Auch die Möglichkeit einer Videobotschaft schlug er aus.

„Die europäischen Nachbarländer haben sich nicht von Europa abgewandt, sondern sie hatten sich der europäischen Idee nie zugewandt“, sagt WDR-Indentant Tom Buhrow in seiner Eröffnungsrede. Es ist eine bittere Erkenntnis für flammende EU-Befürworter: Ein europäischer Bundesstaat ist ein deutscher Traum. Wir haben ihn alleine geträumt. „Wir werden nie so sein wie die Vereinigten Staaten von Amerika“, ist auch Junckers Einschätzung. Es entspräche nicht dem europäischen Temperament: „Die Bayern wollen Bayern sein. Die Schotten wollen Schotten sein. Die Luxemburger Luxemburger.“ Und Steinmeier resümiert ebenfalls: „Wir sind weit entfernt von dem Europa, wie wir Deutschen es uns vorstellen.“

Angela Merkel sieht das optimistischer: Europa sei ein Ort der Vielfalt, niemand müsse seine nationale Identität aufgeben. Das, was die Europäer zusammenhält, seien gleiche Überzeugungen und Werte: „Wir können uns nicht abschotten, denn dann verraten wir diese Werte.“ Der Frage, ob es irgendwann einmal die Vereinigten Staaten von Europa gebe, wich die Kanzlerin aus. Ziel sei es, ein gemeinsames Europa zu schaffen. „Wir sollten uns den Gründervätern Europas immer verpflichtet fühlen und ihr Erbe weitergeben“, lautet ihr Appell.

„Überzeugte Europäer müssen aufstehen, und für ihr Europa kämpfen“, so Martin Schulz, der per Videobotschaft zugeschaltet war. Und Buhrow plädiert: Wir Europäer müssten eine neue Vision von Europa entwickeln. Von Anfang an gemeinsam. Und dann auch gemeinsam von ihr träumen.

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