
Die Reform der Bundeswehr geht nach Ansicht des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) viel zu langsam voran. „Das Umsteuern hat begonnen. Aber bei den Soldatinnen und Soldaten kommt noch nicht mehr Personal und mehr Ausrüstung an. Sondern erstmal mehr Aufträge“, sagte Bartels laut einem vorab verbreiteten Manuskript bei der Vorstellung seines Jahresberichts zum Zustand der Truppe in Berlin. „Es geht alles viel zu langsam.“
Pannen bei der Bundeswehr
Nach einem Software-Update können „Tornado“-Piloten der Bundeswehr im Januar 2016 wegen zu starker Beleuchtung im Cockpit zeitweise nur tagsüber über Syrien fliegen. Der deutsche Beitrag im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat sei aber nicht beeinträchtigt, hebt das Verteidigungsministerium hervor. Denn bis dahin waren die Deutschen noch gar nicht zu Aufklärungsflügen bei Nacht aufgefordert worden.
Triebwerksprobleme zwangen die Bundeswehr im Februar 2015, den Betrieb des Militärhubschraubers vorübergehend zu stoppen. Schon zuvor hatte ein Pilot auf einem Bundeswehr-Stützpunkt in Usbekistan nach der Explosion eines Triebwerks notlanden müssen.
Politische, finanzielle und technische Probleme behinderten die Entwicklung des Transportflugzeugs und Transall-Nachfolgers. Das Projekt verzögerte und verteuerte sich erheblich. Wegen Problemen am Triebwerk stürzte eine A400M im Mai 2015 bei einem Testflug in Spanien ab, vier der sechs Menschen an Bord kamen ums Leben.
Mangelhafte Bohrungen oder Probleme mit den Schleudersitzen - der Kampfjet gehört zu den Rüstungsprojekten, die dem Verteidigungsministerium am meisten Sorgen bereitet haben. Die Produktion verzögerte sich um Jahre, die Kosten explodierten.
Die Aufklärungsdrohne hätte den früheren Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) fast das Amt gekostet. Wegen Problemen bei der Zulassung des unbemannten Fliegers für den deutschen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion wurde die Entwicklung im Frühjahr 2013 gestoppt.
Auch kleinere Waffen schaffen große Probleme. Wegen Testmängeln bei der Treffsicherheit wurde 2015 beschlossen, die 167 000 Exemplare des Sturmgewehrs ab 2019 auszumustern und durch modernere Waffen zu ersetzen - obwohl die kämpfende Truppe selbst keine gravierenden Probleme sieht. Ein Gericht gab einer Klage des Herstellers Heckler & Koch gegen Gewährleistungsforderungen des Bundes statt.
Die eingeleitete Trendwende bei Material, Personal und Finanzen müsse deutlich schneller gehen. „Die Zeit der Diskussionen, ob es Probleme gibt und ob man das sagen darf, ist vorbei“, sagte Bartels. „Viele Probleme sind erkannt und anerkannt. Jetzt geht es um Lösungen. Und um Tempo.“
Die Truppe habe mit wachsender Belastung durch zahlreiche Einsätze zu kämpfen, von der Friedenssicherung in Mali bis zur Russland-Abschreckung im Baltikum. „Nichts davon ist falsch, aber es ist viel.“ Gleichzeitig müssten die Teilstreitkräfte Personal einsparen für neue Strukturen. Bartels forderte eine „Beschleunigungsinitiative“ für alle Reformprojekte.
Um die personellen Lücken zu schließen, brauche es 14 300 neue Dienstposten. Geplant seien aber nur zusätzliche 7000 Posten bis 2023. „Das ist Schneckentempo“, kritisiert Bartels.
Die Truppe leide zudem nach wie vor an mangelhafter Ausrüstung. Beispiel Kampfpanzer: Die 225 vorhandenen Kampfpanzer sollen um 100 gebrauchte, modernisierungsbedürftige Leopard 2 aufgestockt werden. Der Zeitraum für den Rückkauf beträgt sieben Jahre. „Warum dauert das dann so lange?“, fragt Bartels. Insgesamt soll die Vollausstattung für derzeitige Aufgaben bis 2030 dauern.
Bartels mahnte zudem einen Mentalitätswandel und ein Überdenken bürokratischer Verfahren an. „Business as usual und Dienst nach Vorschrift helfen gerade jetzt nicht mehr weiter.“
Bartels ist „Anwalt der Soldaten“ und kümmert sich um Sorgen und Nöte in der Truppe. Im Jahr 2016 hätten ihn trotz rückläufiger Personalzahlen deutlich mehr Anliegen aus der Truppe erreicht. Besonders die Überlastung, die Flüchtlingshilfe und die in der Truppe sehr umstrittene Arbeitszeitverordnung habe die Soldaten beschäftigt.