




Ganz zum Schluss war dann doch noch der Wurm drin, wenn auch nur im Wortsinn. Jede zehnte Schwelle der 3,4 Kilometer langen Bahntrasse unter der Düsseldorfer Innenstadt hindurch hatte der Holzwurm angefressen. Ein bisschen Hektik auf die letzten Tage, aber für Gerd Wittkötter ändert das nichts: „Wir haben den Zeitplan eingehalten und auch die Kosten nur im vertretbaren Rahmen überschritten.“
Warum das eine Nachricht ist? Wittkötter ist Leiter des Bauprojekts Wehrhahn-Linie in Düsseldorf, eines der größten derzeit laufenden Bauprojekte in Deutschland, am Samstag wird Eröffnung gefeiert. Und die Bilanz vergleichbarer Projekte ist im Allgemeinen, nun ja, durchwachsen. Dafür braucht man gar nicht die legendären Dauerbaustellen in Hamburg und Berlin bemühen, gerade Tunnelbauten werden in Deutschland fast regelmäßig doppelt so teuer wie geplant. Beim Bahnhofstunnel in Augsburg kalkulierte man mit 80 Millionen Euro, inzwischen sind es mindestens 170 Millionen Euro. Statt 2019 wird 2022 eröffnet. Der Citytunnel in Magdeburg ist auch längst nicht fertig und wird mindestens 100 anstelle von ursprünglich 36 Millionen Euro kosten. Ein Projekt mit Straßentunneln und U-Bahn in Karlsruhe kostet 900 Millionen Euro – statt 588 Millionen Euro.
In Düsseldorf dagegen war nach acht Jahren Bauzeit die Eröffnung für Dezember 2015 geplant, jetzt ist es so weit. Statt ursprünglich 650 Millionen Euro kostet die Bahntrasse nun 840 Millionen. Zieht man die kalkulierten Mehrkosten ab, wurde das Budget um 15 Prozent überzogen, rechnet Wittkötter vor. Was also hat er anders gemacht? „Das liegt sicher nicht daran, dass ich hier den Wunderheiler gegeben hätte“, sagt Wittkötter. Der 67-jährige Ingenieur hat 30 Jahre lang in der Bauindustrie gearbeitet. Als sein Arbeitgeber Walter Bau 2005 pleiteging, sprach alles für die Frührente. Bis der Anruf aus Düsseldorf kam. „Das Projekt gab mir die Chance, all die Fehler zu vermeiden, die ich bei Großprojekten erleben musste“, sagt Wittkötter.
Entscheidend waren dabei aus seiner Sicht zwei Dinge: Organisation und Planung. „Die meisten Großprojekte werden immer nur so weit geplant, dass die Planfeststellung durchlaufen werden kann“, sagt Wittkötter, „dann wartet man ab, bis die Genehmigung kommt.“ Aus finanzieller Sicht ist das nachvollziehbar. Wer während des Verfahrens bereits die Details plant, bleibt am Ende auf den Kosten der Planung sitzen, wenn das Verfahren scheitert. Die Kehrseite: Sobald die Genehmigung da ist, muss es ganz schnell gehen. Dann werden Pauschalleistungen ausgeschrieben, die das Ergebnis nur vage festschreiben. „Das freut am Ende nur die Anwälte“, sagt Wittkötter. Bei der Wehrhahn-Linie hingegen wurde parallel zum Genehmigungsverfahren geplant. Als die Genehmigung kam, war man schon fertig.
Die zweite Lehre klingt trivial: Das Verfahren liegt in einer Hand. In der Düsseldorfer Stadtverwaltung bündelt ein Amt für Verkehrsmanagement alle relevanten Aufgaben, vom U-Bahn-Bau über die Verkehrsleitung bis zum Straßenbau. In anderen Städten sind vier oder fünf Behörden beteiligt. „Genehmigungen, auf die ich bei anderen Verfahren vier Wochen gewartet habe, waren innerhalb eines Tages da“, so Wittkötter.
Kein Wunder, dass Wittköter in den vergangenen Wochen aus vielen anderen deutschen Städten, die derzeit Tunnelprojekte planen oder bauen, Besuch bekommen hat. „Die traurige Erkenntnis war, dass die Übertragung unserer Strukturen zumeist am Machtbewusstsein der Beteiligten scheitert“, sagt Wittkötter. Bauherr bei Bahnprojekten ist meist die Verkehrsgesellschaft, nicht die Stadt – und die gibt diese Rolle nicht freiwillig auf. Ähnlich wie in Düsseldorf sei die Struktur allenfalls in München. 2015 wurde dort die Untertunnelung des südwestlichen Mittleren Rings abgeschlossen – fristgerecht und im Kostenrahmen. n