
![Ein Soldat der Bundeswehr im dreifarbigen Tropentarn. Quelle: Sean Harriman, U.S. Army [Public domain], Wikimedia Commons](/images/bundeswehr-soldat-_provinz_/13502662/3-format10620.gif)

![Multicam USA Quelle: Cooper T. Cash [Public domain], Wikimedia Commons](/images/10th_mountain_multicam/13502476/4-format10620.gif)

Manch ein Panzeroffizier wird sich verwundert die Augen reiben, wenn er das frisch gedruckte Weißbuch durchblättert. Heer? Marine? Luftwaffe? Kaum ein Wort ist der traditionellen Teilstreitkräfte-Struktur gewidmet. Panzer? Drohnen? U-Boote? Keine Zeile zum konkreten Bedarf findet sich in Deutschlands wichtigster sicherheitspolitischer Strategie, die meist nur einmal in zehn Jahren herauskommt.
Sicherheitspolitisch bedeutet das Weißbuch eine Zäsur: Es ist wieder weniger von Befriedung ferner Krisen die Rede, die die Armee zuletzt an den Hindukusch und sonst wohin führte. Die Bundesregierung betont allerdings die Nato-Kooperation als Teil der „Staatsräson“, was auch mit der gefühlten Bedrohung durch Russland zusammenhängen dürfte. Unterdessen wachsen an der Heimatfront die Anforderungen, da das „Gefährdungsspektrum für unsere Sicherheit breiter, vielfältiger und unberechenbarer“ wird, wie es im Weißbuch heißt.
Die Situation hat sich fundamental verändert
Kein Wunder. Erstens hat sich die Sicherheitslage tatsächlich fundamental verändert. Als das vorherige Weißbuch vor zehn Jahren unter Verteidigungsminister Franz-Josef Jung veröffentlicht wurde, gab es noch keinen IS-Terror, die Russen waren mehr oder weniger enge Partner der Deutschen, Europas Sicherheitsarchitektur war intakt – und auch am Sinn und Zweck Europas zweifelte keiner.
Zweitens – und das hat viel mit der neuen Bedrohungslage zu tun – stimmen sich neuerdings Außen- und Verteidigungsministerium miteinander ab. Schon zur Sicherheitskonferenz 2014 hatte Bundespräsident Joachim Gauck im Dreiklang mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) von den Deutschen eine stärkere Verantwortung für die Weltpolitik gefordert. Sein Vor-Vorgänger Horst Köhler war fünf Jahre zuvor wegen ähnlich gemeinter Äußerungen zurückgetreten. Den sicherheitspolitischen Teil des neuen Weißbuchs brachte im Wesentlichen das Auswärtige Amt zu Papier. Welche Schlüsse sich daraus für die Bundeswehr ergeben, bleibt bislang noch im Vagen.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Sicher scheint, dass sich die deutsche Armee neu aufstellen muss. Strukturell ist im Weißbuch viel von Europäisierung die Rede, also von einer stärkeren Verzahnung mit anderen europäischen Armeen. Operativ wird sich die Bundeswehr verstärkt dem Thema Cyberabwehr widmen müssen, was im Übrigen auch eine politische Baustelle ist: Ob die Bundeswehr auf einen Cyberangriff von einem Server in einem befreundeten Staat ohne Bundestagsbeschluss mit einem Gegenangriff antworten kann, ist rechtlich ungeklärt. Und strategisch müssen die Deutschen mehr Resilienz entwickeln, also Widerstandskraft gegen mögliche Propaganda-Attacken von außen.
Ein Panzerbataillon hilft nicht gegen Propaganda
Vieles davon hat also nicht mehr viel mit klassischer Kriegsführung zu tun. Cyberabwehr ist zuallererst eine Aufgabe von Unternehmen, die ihre IT-Sicherheit im Griff haben müssen. Die Widerstandskraft gegen destruktive Propaganda entwickelt eine Gesellschaft, wenn sie im Innern stabil ist, die Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind. Ein Panzerbataillon kann dabei nicht wirklich nachhelfen.





Die Welt ist also komplex geworden – gerade auch für die Bundeswehr. Zwar muss sie sich wie zu Zeiten des Kalten Krieges mit der Landesverteidigung beschäftigen. Zugleich gilt es aber, neue Fähigkeiten aufzubauen und in alle Richtungen enger zu kooperieren: mit anderen Armeen, geschenkt! Das ist Standard. Aber Cybersicherheit und Resilienz fördern? Manch ein Panzergrenadier wird ratlos bleiben, welche Rolle er hierbei überhaupt spielen soll.