Weltmarktführer Innovation Day Krebs: Wie Siemens Healthineers die Therapie mit KI verbessern will

Der ganzheitliche Ansatz in der Krebsbehandlung, den CEO Montag verfolgt, ist nicht umsetzbar ohne Daten. Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche

Siemens Healthineers setzt künftig auch auf digitale Services. CEO Bernd Montag erklärt, wie Künstliche Intelligenz die Überlebensraten von Krebspatienten steigern könnte.

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Während die Corona-Pandemie nach wie vor das Leben vieler Menschen und die Wirtschaft beeinträchtigen, denkt Bernd Montag, Chef des Medizintechnikunternehmens Siemens Healthineers schon an die nächste Krankheit: Krebs. „Es gibt eine versteckte Pandemie“, sagt Montag beim „Weltmarktführer Innovation Day“ in Erlangen. Krebserkrankungen seien die zweithäufigste Todesursache weltweit. Der Unterschied zur Corona-Pandemie sei nur, dass man sich an Krebs gewöhnt habe.

Montag rechnet mit einer steigenden Anzahl von Krebserkrankungen in den kommenden Jahrzehnten. „Man wird Herzkreislauferkrankungen und Infektionskrankheiten besser in den Griff kriegen, die Menschen werden aber immer älter und mehr werden“, sagt Montag. Gab es 2018 18 Millionen neue Krebsdiagnosen, könnten es 2030 bereits 30 Millionen sein.

Angesichts dieser Prognose könnte sich der letzte Zukauf von Siemens Healthineers als richtige Entscheidung erweisen. Die Erlangener haben kürzlich den US-Krebsspezialisten Varian übernommen. Im April wurde die Übernahme abgeschlossen. Damit ist das Unternehmen auf 66.000 Mitarbeiter und mehr als 17 Milliarden Euro Umsatz gewachsen. Siemens Healthineers ist nun stark in den Bereichen Bildgebung, Labordiagnostik und Strahlentherapie vertreten.

Doch anders als bei Infektionskrankheiten wie Covid-19 gibt es keine alleinige Behandlungsmethode. Krebs kann viele verschiedene Organe befallen, Strahlen- und Chemotherapien sind zwei mögliche Behandlungsmethoden. „Es ist eben nicht diesen einen Krankheitsverlauf, wo es den einen Eingriff gibt, sondern es ist eine komplexe Erkrankung“, sagt der Siemens-Healthineers-Chef. Bei Krebs komme es auf die richtige Therapie für den richtigen Patienten zur richtigen Zeit an.

Montag setzt deshalb auf ein ganzheitliches Konzept, um die Medizin präziser zu machen. „Wir wollen nicht nur Geräte bauen und stolz auf die Innovation in diesen Produkten sein“, sagt er. Stattdessen soll das Unternehmen eine ganzheitliche Beratung leisten, die auch neue digitale Dienste umfasst. Es gehe um den Prozess, der von Prävention über Diagnostik und Therapie bis zur Nachsorge reiche. „Onkologie ist Teamsport“, sagt Montag.

Super-Computer „Sherlock“ verbessert KI-Anwendungen

Bessere bildgebende Diagnostikverfahren wie Computertomographien, eine frühe Diagnose und ein erhöhtes Bewusstsein bei Patienten können schon jetzt helfen, die Überlebensrate zu steigern. Besonders bei Prostata- und Brustkrebs gab es deutliche Verbesserungen, die Überlebensrate liegt heute bei 99 Prozent. Welchen Unterschied verschiedene Vorgehensweisen bei der Therapie ausmachen, zeigt Montag mit einem Vergleich. In Japan lebe ein Patient mit einem Leberkarzinom 80 Monate, in den USA sind es nur 15 Monate. Das liege unter anderem an mehr bildgestützten Therapien und anderen Operationsmethoden. Kurz gesagt: Prozesse, Technologien, aber auch Menschen, sind entscheidend für eine höhere Chance im Kampf gegen den Krebs.

Noch bremsen aus Sicht des Siemens-Healthineers-Chefs zu geringe Investitionen in Technologien, wenige Innovationen und zu wenig Wissen weitere Verbesserungen aus. Welches Potenzial aber in der besseren Zusammenarbeit aller Bereiche – von Früherkennung über Therapie bis Nachsorge – steckt, zeigt sich am Beispiel der Künstlichen Intelligenz (KI). Die KI könne bei Bildern aus dem Computertomographen genau segmentieren, wo bestimmte Organe seien, sagt Montag. Damit könne dann der Tumor genau bestrahlt und gesundes Gewebe geschützt werden.

Ein weiterer Vorteil: „Ärzte sind nicht damit beschäftigt eine Stunde lang Organe abzumalen.“ Somit sind ihre Kapazitäten und ihr Fachwissen wieder verfügbar. Solche Tätigkeiten von Computern in immer bessere Weise ausführen zu lassen, sei für ihn die Digitalisierung der Medizin.

Umsetzbar ist der ganzheitliche Ansatz in der Krebsbehandlung nicht ohne Daten. Die Siemens-Healthineers-Experten haben mehr als 1,3 Milliarden medizinische Datensätze gesammelt. Damit wird ein Super-Computer namens „Sherlock“ versorgt, der täglich rund 600 KI-Experimente durchführt. So sollen bessere Algorithmen entstehen.

Auch Varian, das neuste Unternehmen im Konzern, setzt auf digitale Dienstleistungen. Mit der Oncology Cloud Plattform sollen bestimmte Behandlungsschritte cloudbasiert zur Verfügung gestellt werden. Krebstherapie solle nicht von Ort oder Uhrzeit abhängig sein. „Der Patient soll nicht die Zweitmeinung jagen müssen“, erklärt Montag.

Die moderne digitale Medizin basiere auf einer digitalen Kopie der Patienten, dem „digitalen Zwilling“. Alle Gesundheitsdaten über sich selbst sollen dort zusammengefasst werden. „Dann appliziere ich alles Wissen der Welt, das ich zur Verfügung habe, darauf.“ Der Siemens-Healthineers-Chef meint: Das sei „die Präzisionsmedizin der Zukunft“.

Mehr zum Thema: Siemens-Healthineers-Chef: „Zukäufe sind Mittel zum Zweck“

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