
Auf dem Tisch vor Rainer Elm liegen zwei 20-Euro-Scheine. Auf den ersten Blick sehen sie nahezu identisch aus, einer ist etwas verblasst. Elm nimmt den blassen Schein und hält ihn unter eine Lupe. Stück für Stück analysiert er und stellt fest, dass auf der Vorderseite links unten in der Ecke etwas faul ist. Normalerweise finden sich in die griechische Euro-Schreibweise „EYPΩ“ viele kleine Zahlen gedruckt. Die hat der Fälscher vergessen.
Elm ist Leiter des Nationalen Analysezentrums der Bundesbank in Mainz. Sobald in Deutschland irgendwo Falschgeld gefunden wird, egal ob Euro, Dollar oder Schwedische Krone, landet es bei ihm und seinen 15 Mitarbeitern unter dem Mikroskop. Hier werden die Blüten dann analysiert und kategorisiert. Jeden Tag kommt ein neuer Stapel falscher Geldscheine in das Mainzer Zentrum, normalerweise direkt von einer Bank oder der Polizei. „Wir erkennen an jedem Quadratzentimeter eines Geldscheins, ob er falsch oder echt ist“, sagt Elm. Selbst einen falschen Schein, der ausversehen in der Waschmaschine gelandet ist, können die Experten vom Mainzer Analysezentrum als solchen identifizieren.
Falschgeldzahlen rückläufig
Im ersten Halbjahr 2013 stellte die Bundesbank insgesamt 19.500 gefälschte Banknoten sicher. Damit ist die Zahl der Fälschungen gegenüber dem zweiten Halbjahr 2012 deutlich um 13,6 Prozent zurück gegangen. Das gab die Bundesbank am Freitag bekannt. "Ein wesentlicher Grund für diese erfreuliche Entwicklung dürfte in der Präventionsarbeit liegen", sagte Helmut Rittgen, Leiter des Zentralbereichs Bargeld bei der Deutschen Bundesbank.
Insgesamt waren 2012 rund 41.500 falsche Banknoten in der Bundesrepublik unterwegs. Damit kommen auf 10.000 Einwohner in Deutschland gerade mal fünf Fälschungen, der wirtschaftliche Schaden lag im ersten Halbjahr 2013 unter 1,1 Millionen Euro. Nicht ganz so gut sieht es in der Eurozone insgesamt aus, da sind es immerhin knapp 20 Blüten je 10.000 Einwohner.
Nach Angaben der Frankfurter Währungshüter ist die Dunkelziffer niedrig. Das mag vor allem daran liegen, dass sowohl Münzen als auch Geldscheine häufiger in eine Filiale der Bundesbank reisen, als viele denken. Denn nur ein kleiner Teil der täglichen Einnahmen im Einzelhandel werden als Wechselgeld wieder rausgegeben, der Großteil wird gerollt oder sortiert und vom Geldtransporter abgeholt. Der bringt das Geld dann entweder in eine Bank oder eine Filiale der Bundesbank. Im Schnitt kommt ein Schein pro Jahr 15-mal zur Bundesbank, kleine Scheine wie der Fünfer sogar noch häufiger. Spätestens dann wird das unechte Geld raussortiert und landet bei Elm und seinen Kollegen im Mainzer Analysezentrum.
Kein Hightech
Wer glaubt, für die Untersuchung von Falschgeld seien große, komplexe Geräte notwendig, der könnte bei einem Besuch in Mainz enttäuscht sein. Von Wasserbädern mit bunt schillernden Chemikalien oder ähnlichem ist hier keine Spur. Statt dessen setzten die Mainzer eher auf die körpereigenen Sinne. In einer Ecke von Elms Büro steht ein simples Mikroskop, so wie es die meisten aus dem Biologieunterricht kennen. Häufig nutzen die Prüfer – die meisten von Elms 15 Mitarbeitern sind gelernte Drucktechniker – simple Lupen. Lediglich das Gerät mit dem UV-Licht ist bei den Mainzern größer als die Apparate, die oft an den Kassen der Einzelhändler zu sehen sind. Während ein echter Schein unter UV-Licht blass bleibt, fangen die meisten Blüten an, grell zu leuchten.
Hochsensible Maschinen schlagen Alarm
Anhand der zahlreichen Sicherheitsmerkmale der Scheine lässt sich so schnell die Kategorie der Blüte erkennen. Denn entgegen den Erwartungen steht die Frage, ob ein Schein wirklich falsch ist, für die Geldforscher der Bundesbank nicht im Mittelpunkt. Das klären normalerweise andere, beispielsweise hochsensible Sortiermaschinen, die im Ernstfall sofort Alarm schlagen. Elm und seine Kollegen sind vielmehr dazu da, die Blüten anhand von Merkmalen zu kategorisieren. Rund 4000 verschiedene Fälschungsklassen haben sie identifiziert.





„Indem wir versuchen herauszufinden, wie der Fälscher vorgegangen ist, wollen wir die Hintergründe zur Fälscherwerkstatt identifizieren, aus der die Scheine kommen“, sagt Martin Weber, einer von Elms Kollegen. Deshalb werden die falschen Scheine nach ihren Merkmalen kategorisiert. Denn: „In Deutschland kommt rund zwei Drittel des gesamten Falschgeldes aus fünf bis sechs Fälscherwerkstätten“, sagt Elm. Der Markt werde von organisierten Banden dominiert, Gelegenheitsfälscher seien dagegen die Ausnahme.
Ab in die Katakomben
Einmal kategorisiert wird jeder Schein in Mainz mit einer Nummer versehen und in den Katakomben des Analysezentrums eingelagert. „In unserem Lager gibt es ein ganzes Asservat voll mit Falschgeld“, erklärt Elm. Insgesamt füllten die Blüten dort rund 50 Quadratmeter. Das ist immerhin eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung gefüllt mit Geldscheinen. Als Beweismittel muss die Bundesbank die Scheine 20 Jahre lang aufbewahren. Um nicht völlig den Überblick zu verlieren, wird jeweils eine Beispiel-Blüte als Ansichtsexemplar in einem Raum voller Ordner archiviert.
„VBNA“ steht auf dem interessantesten aller Ordner – veränderte Banknotenausführungen. Manche der hier einsortierten Scheine sehen noch nicht mal auf den ersten Blick aus wie echte Geldnoten, etwa Dollarscheine mit leicht bekleideten Frauen, die stark an das Trinkgeld eine Pole-Tänzerin erinnern. Ebenfalls in den Ordner geschafft haben es ein Elf-Euro- sowie ein Dreihundert-Euro-Schein. Letzterer wurde laut Weber „über vierzig Mal“ im Handel akzeptiert.
Jagd nach Platten
Das erklärte Ziel der Fälscher sind die Druckplatten. Damit, so die landläufige Meinung, lassen sich die besten Blüten erstellen. Mehrfach diente die Jagd nach den Platten schon als Krimi-Plot, erst vor einigen Wochen waren die Stuttgarter Tatort-Kommissare Lannert und Bootz Platten-Räubern auf der Spur. Martin Weber kann über solche Imitationsversuche nur lächeln. „Ohne die entsprechenden Maschinen sind die Platten wertlos“, sagt er.
Trotzdem ersinnen die Experten aus Angst vor mehr Fälschungen immer mehr Sicherheitsmerkmale für die Euro-Noten. Die Scheine der neuen Euroserie „Europa“ sollen nicht nur langlebiger sein als ihre Vorgänger, sondern auch schwieriger zu fälschen. Dafür sorgen neue Details, wie die fühlbar eingestanzten Linien am linken Rand. Dennoch sei bereits eine Handvoll gefälschter neue Fünfer im Analysezentrum eingegangen. Einen davon hat Weber in seiner roten Mappe mit den Beispiel-Blüten. Allerdings gilt: Je neuer der Schein, desto schlechter das Imitat. Schnell wird klar, dass es sich bei dem angeblichen neuen Fünfer um eine billige Kopie handelt. Nicht nur die Farben, auch das Papier stimmt nicht mit dem Original überein. „Bei den Fünfern bekommen wir in der Regel mehr verdächtige echte als falsche Geldscheine zur Analyse", sagt Weber.
Am häufigsten wird der Zwanziger gefälscht
Interessant wird sein, wenn voraussichtlich 2014 oder 2015 der neue Zwanziger eingeführt wird. „Wir hoffen, dass der neue Zwanziger weniger gefälscht wird als der alte“, sagt Elm. Denn während nach der Einführung des Euros 2002 vor allem Fünfziger imitiert wurden, ist jetzt der Zwanziger die am häufigsten gefälschte Banknote, mehr als 40 Prozent der Blüten sind Zwanziger. Denn in der Regel versuchen die Fälscher ihre Ware im Einzelhandel loszuwerden und das echte Wechselgeld dafür zu kassieren – während bei kleinen Scheinen für die Fälscher wenig Wechselgeld zu holen ist, werden größere Scheine wie der Fünfziger von vielen Kassierern bereits genauer beäugt. Der Zwanziger hat sich da offenbar als guter Kompromiss erwiesen. Das dürfte auch bei der neuen Europa-Serie nicht viel anders sein.





Nicht nur Scheine werden gefälscht
Auch die Zahl der Münzfälschungen ist im ersten Halbjahr dieses Jahres leicht um 1000 Münzen zurück gegangen. Insgesamt gab es in Deutschland 2012 immerhin 52.000 gefälschte Münzen. „Davon sind rund 80 Prozent Zwei-Euro-Stücke“, sagt Markus Floeth. Floeth ist im Mainzer Analysezentrum für die Untersuchung der falschen Münzen zuständig, für ihn das einzig wahre Falschgeld. Dass er für Münzen mehr übrig hat als für Scheine, trägt Floeth auch deutlich zur Schau: ein leuchtender Pfennig ziert seine Krawattennadel.
Eins ist beiden Abteilungen dennoch gemein. Immer wieder sind die Mitarbeiter in Mainz schockiert, wie wenig sich die Leute mit dem Geld auskennen, was sie in ihrem Portemonnaie haben. „Kaum einer kennt zum Beispiel die Randschrift des Zwei-Euro-Stücks“, sagt Münzexperte Markus Floeth. Obwohl wir damit fast täglich unseren Kaffee und unsere Zeitung bezahlen, schenken wir gerade den Münzen wenig Aufmerksamkeit. Kollege Elm stimmt ihm zu. „Was nützen uns die besten Sicherheitsmerkmale, wenn keiner sie kennt“.
Deutschland
Die falschen Münzen versuchen die Fälscher laut Floeth vor allem an Automaten loszuwerden, beispielsweise um Zigaretten zu kaufen. Die machen sie auf dem Schwarzmarkt dann wieder zu Geld. „Dahinter stecken oft organisierte Strukturen“, sagt Floeth. Je besser die Prüfgeräte der Automaten seien, desto weniger Münzfälschungen gebe es. Allerdings gebe es mehr Probleme mit ausländischen Münzen als mit gefälschten. Denn für ein ungeübtes Auge sehen zehn thailändische Baht (Wert: knapp 0,25 Euro) einem Zwei-Euro-Stück zum Verwechseln ähnlich. Betrüger nutzen das immer wieder aus. In Thailand ist schon ein richtiger Handel mit Baht-Stücken für Europa entstanden.
Elm nimmt den anfangs unter dem Mikroskop untersuchten Zwanziger, bei dem die kleinen Ziffern in „EYPΩ“ fehlen, und schreibt eine Zahl drauf. Das ist wichtig, damit auch die Kollegen wissen, um welche Kategorie von Fälschung es sich handelt.
Mit ihrem umfangreichen Wissen über Falschgeld wären er und seine Kollegen eigentlich die ideale Verstärkung für eine Fälscherbande. Einen derartigen Seitenwechsel habe es aber noch nie gegeben, versichern die Kollegen.