Wer im neuen Jahr interessant wird Auf diese (Wirtschafts-)Politiker sollten Sie 2020 achten

Im Jahr 2020 werden wieder Menschen ins Licht der Öffentlichkeit rücken, von denen manche bisher noch unbekannt sind. Quelle: dpa

Amira Mohamed Ali, Katharina Fegebank oder Andreas Jung: Dies sind Namen von Politikern und Politikerinnen, die es bisher noch nicht in das Berliner Polit-Rampenlicht geschafft haben. 2020 kann sich das aber ändern.

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Auf den ersten Blick hat das neue Jahr politisch nicht viel zu bieten. Es gibt ein paar Kommunalwahlen und eine Bürgerschaftswahl in Hamburg. Aber bei dieser Bundesregierung weiß man ja nie. Auch in der Wirtschaft bleibt es spannend: Schafft die Automobilbranche den Wandel? Wann kommt die Rezession? Wie reagiert die Politik? Diese und andere Fragen werden Menschen ins Licht der Öffentlichkeit rücken, von denen manche bisher noch unbekannt sind. Die WiWo stellt einige von ihnen vor – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Hildegard Müller, 52, CDU, designierte VDA-Chefin. Die gelernte Bankkaufrau und Ökonomin soll der wichtigsten deutschen Industrie einerseits zu wieder besseren Beziehungen zur Politik verhelfen. Andererseits muss sie die Truppe hinter dem Verband zusammenhalten, in dem traditionell Autobauer und Zulieferer vereint sind. Beide Seiten spüren Existenzängste, weil durch neue Antriebe, autonomes Fahren und Vernetzung heftige Konkurrenz erwächst. Müller hat immer wieder ganz neue Aufgaben angenommen, oft war sie dabei die erste Frau. Sie wurde als Erste Vorsitzende im eher männerlastigen Verband der Jungen Union (JU) gewählt. Sie zog als Staatsministerin ins Kanzleramt und wechselte schließlich als Hauptgeschäftsführerin zum Energie- und Wasserverband BDEW. Von dort wechselte sie 2016 zum Energiekonzern RWE und war Vorständin der RWE-Ausgliederung Innogy SE. Beim VDA allerdings ist sie die zweite Frau als Chefin.

Andreas Jung, 44, CDU, ist Fraktionsvize für Finanzen und damit Nachfolger von Ralph Brinkhaus, der aus der einflussreichen Vizeposition für Finanzen den Sprung auf den Fraktionsvorsitz schaffte. Der Badener Jung hat sich vorher mit Umweltpolitik beschäftigt und als Landesgruppenchef der Baden-Württemberger CDU-Abgeordneten einigen Einfluss entwickelt. Als Jurist war er zuvor auch nicht durch übermäßige Einsichten ins Steuersystem hervorgetreten. Doch er hat sich schnell und solide eingearbeitet. Das zeigt er bei so ziemlich allen heiklen Entscheidungen der schwarz-roten Koalition, bei denen es immer auch um Finanzen geht. Sei es bei der Grundrente oder beim Klimaschutz. Jung ist einer der wenigen in der CDU, die Umweltpolitik als zentrales Thema begreifen und sich auskennen. Zu den Grünen pflegt er einen guten Draht, vor allem jenen Realo-Grünen, die es in seinem Bundesland häufiger gibt. Schon deshalb dürfte Jung, der den Wahlkreis Konstanz vertritt, weiter an Gewicht in der CDU gewinnen.

Katharina Fegebank, 42, Grüne, Wissenschaftssenatorin in Hamburg. Aus Rot-Grün soll Grün-Rot werden. Darauf machen sich die Grünen in Hamburg Hoffnung. Im Februar wählen die Bürger der Hansestadt eine neue Landesregierung und die 42-jährige Anführerin der Ökopartei tritt gegen Amtsinhaber Peter Tschentscher (SPD) an. Laut Umfragen ist ihr Sieg nicht ausgeschlossen. Bisher ist sie als Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin seine Stellvertreterin. Ihren Wahlkreis Fuhlsbüttel hält sie als Direktkandidatin, den Einzug in den Bundestag allerdings verpasste sie 2013 als sie auf Platz 3 der Landesliste antrat. Ganz kurz war die Politologin schonmal Erste Bürgermeisterin in Hamburg. Kommissarisch vertrat sie im März 2018 Olaf Scholz, der als Vizekanzler ins Bundeskabinett gewechselt war – bis zur Wahl von Tschentscher in der Bürgerschaft zum Nachfolger von Scholz.

Hubertus Heil, 47, SPD, Arbeitsminister. Noch vor knapp zwei Jahren galt er als tragisch Gescheiterter. Immer war er der eine SPD-Niedersachse zu viel, weswegen er nie Minister werden durfte – bis es im März 2019 dann endlich doch soweit war. Und nun ist der Arbeitsminister und Ex-Generalsekretär plötzlich der letzte Agenda-Verfechter in der Parteispitze. Sein anständiges Wahlergebnis zum SPD-Vize verdankt er einer maßvollen Wandlung: Noch immer gilt Heil als Genosse mit einem Ohr für die Wirtschaft – doch sein leidenschaftlicher Kampf für die Grundrente hat vielen Sozialdemokraten imponiert. 2020 wird es noch mehr auf ihn ankommen: Er soll die vielen Wünsche des neuen SPD-Führungsduos – höherer Mindestlohn, Hartz-Reform – möglichst ruckelfrei und pragmatisch in Regierungspolitik überführen. Und dabei die Akzeptanz der Wirtschaft am besten nicht verlieren.

Gewinner und Verlierer des Politik-Jahres 2019
Gewinner: Saskia Esken & Norbert Walter-Borjans, SPD-Vorsitzenden-DuoEine vorher nur Digitalexperten geläufige Informatikerin aus Stuttgart und ein Politpensionär aus NRW führen nun die SPD. Wer darauf zum Start des sozialdemokratischen Mitgliedervotums im Sommer gewettet hätte, wäre heute vielleicht ein Fall für die Vermögensteuer, die die beiden so gerne reaktivieren würden. So unwahrscheinlich galt ein Erfolg von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Jetzt führen die beiden die älteste deutsche Partei mit einem dezidierten Linkskurs – und unter strenger Bewachung des Partei-Establishments, das auf Fehltritte und Taktikpatzer nur wartet. Denn merke: Wer heute in der SPD ein Gewinner ist, kann morgen schon wieder der Verlierer sein. Quelle: dpa
Gewinner: Annalena Baerbock, Parteichefin der GrünenKnapp zwei Jahre ist die Potsdamerin Parteichefin der Grünen – zusammen mit Robert Habeck. Bei ihrer Wiederwahl kürzlich beim Parteitag in Bielefeld hielt sie eine rasante Rede und hängte Habeck mit ihrem Traumergebnis von 97,1 Prozent ab. Soll mal einer sagen, dass er der natürliche Kandidat fürs Bundeskanzleramt sei, wenn die Ökopartei jemand dafür im nächsten Wahlkampf aufstellen sollte. Baerbock ist auf Augenhöhe. Die Umweltpolitikerin tritt bei allen großen Wirtschaftskonferenzen auf und überrascht dort das eher reservierte Publikum. Bereits in den später gescheiterten Jamaika-Verhandlungen zimmerte sie einen brauchbaren Kompromiss zum Kohleausstieg. Dass sie einen rasanten Aufstieg hingelegt hat, wird spätestens bei der jährlichen Rangliste der Talkshow-Politiker im deutschen Fernsehen sichtbar. Als Vertreterin der kleinsten Fraktion im Bundestag brachte sie es zur Talkshow-Queen und zehn Auftritten in diesem Jahr – noch vor Norbert Röttgen (CDU) und Kevin Kühnert (SPD). Quelle: REUTERS
Gewinner: Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister (CDU)Sogar die Niederlage beim Wettkampf um den CDU-Vorsitz hat dem Münsterländer genützt. Im Zweikampf AKK und Friedrich Merz fiel der mit Abstand Jüngere zwar ab. Mit seinen Auftritten und Aussagen zu Themen jenseits der Gesundheitspolitik ist der 39-Jährige aber vor rund einem Jahr einem breiteren Publikum bekannt geworden. Jens Spahn feilt in drei verschiedenen Bereichen an seinem politischen Fortkommen – womöglich bis ganz an die Spitze des Bundeskabinetts. Als Gesundheitsminister arbeitet er im Eiltempo seine Agenda aus dem Koalitionsvertrag ab. Gesetze bringt er im Monatstakt ein. Dabei gibt er durchaus großzügig Geld aus und gewährt den potenziellen Wählern Leistungen. Spahn arbeitet zudem daran, als menschlich und zugewandt rüberzukommen. In den Sozialen Medien ist er sehr aktiv und seine Freizeit scheint er auf Veranstaltungen quer über die Republik verstreut zu verbringen. Schließlich knüpft Spahn systematisch Netzwerke in der Union und unterstützt reihenweise Wahlkämpfer von CDU und CSU. Oder er besucht als Gesundheitsminister Krankenhäuser und andere Einrichtungen – natürlich zusammen mit örtlichen CDU-Politikern. Solche Beziehungen und so viel Fleiß dürften sich irgendwann für ihn auszahlen. Quelle: dpa
Gewinner: Angela Merkel, Bundeskanzlerin (CDU)Ohne die SPD wäre Angela Merkel wahrscheinlich längst nicht mehr Bundeskanzlerin, weil es im vergangenen Jahr wohl Neuwahlen gegeben hätte. Dass sie nun zum dritten Mal Regierungschefin einer sogenannten großen Koalition ist, hat Merkel – im Gegensatz zu den Sozialdemokraten – stabilisiert: Sie ist laut Umfragen noch immer die beliebteste Politikerin des Landes. Wobei sie inzwischen mehr wie eine Bundespräsidentin als wie eine Bundeskanzlerin wirkt. Aber vielleicht ist das das ganze Geheimnis. Quelle: REUTERS
Verlierer: Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminister (CSU)Wäre die Koalition nicht so brüchig, wer weiß, ob Andreas Scheuer nicht schon längst seinen Job verloren hätte. So gesehen ist er ein GroKo-Gewinner. Doch politische Bewertung folgten selten dialektischen Regeln, eher realpolitischen, und in der bitteren Realität dieser Regierung steht kein Minister so in der Kritik wie der CSU-Verkehrsminister. Scheuer hat sich mit dem Pkw-Maut-Debakel einen Untersuchungsausschuss eingehandelt und liefert mit einer offensiven PR-Strategie der Opposition immer neue Angriffsflächen. Auch andere Prestigeprojekte kommen nicht vom Fleck. Scheuer steckt im Dauerstau. Quelle: dpa
Verlierer: Friedrich Merz (CDU)Zuletzt war es fast schon tragisch: Der Mann, der so gerne CDU-Chef geworden wäre, nannte die Performance der Bundesregierung „grottenschlecht“ – und stolperte dann selbst wochenlang mit grottenschlechter Kommunikation durch die Tiefebenen der Bundespolitik. Merz, der eine lange und durchaus beachtliche Karriere in der Wirtschaft vorzuweisen hat, gab nicht den Konservativen mit ordnender Hand und kluger Räson, sondern irrlichterte, polterte, kritisierte. Es gibt zurzeit niemanden, der mehr danach trachtet, die SPD möge endlich die Koalition aufkündigen, als ihn – denn in einer CDU-Minderheitsregierung, so seine Hoffnung, könnte er vielleicht doch noch Minister werden. Quelle: dpa
Verlierer: Anja Karliczek, Bundesforschungsministerin (CDU)Als Angela Merkel Anja Karliczek 2018 in Kabinett berief, mussten viele erstmal googlen. Auch in der eigenen Partei. Anja wer? Seitdem hat Anja Karliczek die in sie gesteckten Hoffnungen, nun ja, noch nicht zur vollen Zufriedenheit erfüllt. Das Ministerium, das immer wieder als Schlüsselressort für die künftige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes beschworen wird, fristet ein Schattendasein. Die Chefin des Hauses tritt bei Debatten zu wesentlichen Zukunftsfragen nicht in Erscheinung, substanzielle Impulse blieben aus. Größere Aufmerksamkeit erlangte Karliczek in diesem Jahr nur, als ein Förderwettbewerb für Batterieforschung ausgerechnet auch ihrem Wahlkreis zugutekam. Quelle: dpa

Johannes Vogel, 37, FDP, arbeitspolitischer Sprecher. Eigentlich wäre er im Sommer gerne Generalsekretär der Liberalen geworden. Doch daraus wurde nichts. Zum Glück für uns, sagen einige in der FDP-Bundestagsfraktion. Denn auf Vogel als Fachpolitiker kommt es 2020 umso mehr an. Ob Rente, Fachkräftemangel oder Mindestlohn, seine Themen sind aktuell wie lange nicht. Die Schwäche von Union und SPD lässt viel Raum für neue Konzepte. Und sollte die FDP künftig ihr Profil als Aufsteiger-Partei weiter schärfen wollen, wie es sich gerade bereits andeutet, wird Vogel in puncto Medienpräsenz am Ende vielleicht doch noch so etwas wie der heimliche Generalsekretär.

Tino Chrupalla, 44, AfD, wurde als Nachfolger von Alexander Gauland gerade zum Co-Vorsitzenden der Partei gewählt. Der Maler- und Lackierermeister, der bis vor kurzem einen eigenen Betrieb mit sechs Mitarbeitern in Krauschwitz in der Oberlausitz führte, wird den Wirtschaftskurs der Partei mit prägen: 2020 entscheidet sich, ob und wie die AfD ihre wirtschaftsliberalen Vertreter mit dem Flügel zusammenbringt, der sich durchaus mehr staatliche Sozialleistungen – aber nur für deutsche Staatsbürger – vorstellt.

Amira Mohamed Ali, 39, Linke, teilt sich ihren Posten ebenfalls: Gemeinsam mit Dietmar Bartsch, dem Urgestein der Partei, führt sie nun die Fraktion der Linken. Wie AfD-Mann Chrupalla ist sie erst seit 2017 Abgeordnete im Bundestag. Mohamed Alis Wahl war auch Zeichen, wie sehr die Linke weiter im internen Machtkampf zwischen Anhängern ihrer Vorgängerin Sahra Wagenknecht und denen von Parteichefin Katja Kippings steckt. Gelänge es ihr 2020, die Fraktion zu einen, hätte sie schon viel für die Linke getan.

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