Werner knallhart

Bundeswehr-Werbung zielt auf die Duckmäuser

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen kritisiert: Die Bundeswehr leide mitunter unter einem falsch verstandenen Korpsgeist. Die Bundeswehr suggeriert jedoch: Wir suchen die devoten Ja-Sager.

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Soldaten des Logistikbataillons Quelle: dpa

Die Kette der Bundeswehr-Skandale reißt nicht ab. Der terrorverdächtige Soldat Franco A. hatte eine Masterarbeit mit völkischem Gedankengut abgeliefert, die rechtsextreme Gesinnung des Offiziers war der Bundeswehr sehr 2014 bekannt: Konsequenzen gab es lange Zeit keine.

Dann die massiven sexuellen Übergriffe bei der militärischen Ausbildung in Pfullendorf und die Missstände in der Ausbildung im Thüringischen Sondershausen. Dort soll ein Hauptfeldwebel geschrien haben, der „genetische Abfall“ müsse „endlich aussortiert“ werden. Gemeint waren die Anwärter. Nicht so nett, ne?

Aber ganz ehrlich: So richtig wundern tut mich das nicht. Denn der raue Ton ist doch Markenkern der Bundeswehr. Ist doch klar, dass da die Grenze hin zum Menschenunwürdigen auch mal überschritten wird. Der Weg dorthin ist ja nicht weit.

Was glauben Sie? An welchem Arbeitsplatz brüllt der Vorgesetzte ohne schlechtes Gewissen seinen Untergebenen vor versammelter Belegschaft an:

„Sie sollen sich nicht im Gesicht rumfummeln, das habe ich Ihnen doch schon eben gesagt!“

A. Bei der Programm-Konferenz bei RTL
B. In der Kaffeeküche der Sparkasse Herford
C. Im Kasernenflur der Bundeswehr?

Das Kuriose ist: Nicht nur ist Antwort C richtig. Der überhebliche, pampige Ton kommt obendrein auch noch in der Internet-Serie „Die Rekruten“ vor - einer Reality-Show im Auftrag der Bundeswehr, die damit um Nachwuchs werben möchte.

Stellen Sie sich mal einen Werbespot der Sparkasse vor, in dem der Direktor die Bankkauffrau öffentlich so zurechtweist. Die Bundeswehr aber versucht mit einem solchen Gebrüll neue Fans zu ködern. Wie sieht wohl das Profil der Zielgruppe aus, die auf sowas abfahren soll?

In der Serie kommt auch vor, wie ein konsternierter Rekrut am ersten Tag dazu verdonnert wird, einen Haufen in sich verhakter Kleiderbügel zu entzotteln und alles durchzuzählen.

Wer an der Tür von irgendwelchen wichtigen Vorgesetzten anklopfen will, muss sich an einer im rechten Winkel seitlich neben dem Türrahmen auf dem Flurboden aufgeklebten Linie positionieren und dann muss er auch noch klopfen. Die Tür steht aber offen. Die Neuen müssen also von außen mit verdrehter Hand innen an die Mauer oder den Türrahmen klopfen, ohne selber in den Raum blicken zu können. Wer sich einfach vor die offene Tür stellt und „Guten Tag“ sagt, fliegt raus. Ja, Kinners, wer Leute sucht, die sich sowas beruflich schon immer gewünscht haben, der muss mit den Nachteilen leben.

Ein Rekrut sagt nach einigen Tagen: „Es wird schon langsam spannender, schon besser, schon viel mehr Befehle zu verfolgen.“
Von der Leyen kritisiert einen falsch verstanden Korpsgeist in der Bundeswehr, also eine Mentalität des Durchwinkens. Aber was wird denn nun gesucht: Unterwürfige Ja-Sager oder selbstbewusste Mitdenker?

Da lernen wir von Kindheit an: Wir leben in einer freien, aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft, in der jeder seine Meinung äußern darf. Aber beim Morgen-Appell in der Kaserne darf man nicht mal lächeln.
Da lernen wir in der Schule, eigene Standpunkte abzuwägen. Auch mal gegen den Strom zu schwimmen, wenn man mit seiner Haltung alleine steht. Beim Bund lautet der lieb gemeinte Rat: Am einfachsten ist es, Sie machen immer genau das, was Ihr Vorgesetzter Ihnen sagt.

Unternehmen buhlen unter den Mitarbeitern mit hohen Prämien um gute Ideen, wie die Produktions-Prozesse noch effektiver gestaltet werden können. Konstruktive Kritik ist dort bares Geld wert. Dort würde wohl keiner einfach mal so Kleiderbügel zählen.

„Ab jetzt wird zusammengefaltet“

Im Job haben wir uns daran gewöhnt: Teamwork bedeutet gegenseitige Wertschätzung, Respekt vor der Meinung des anderen, ausreden lassen, loben und Aussprache, wenn es mal knirscht.

Die Bundeswehr wirbt stattdessen damit, wie schön es ist, unterwürfig zu sein. Dass es wichtig ist, wie akkurat man sein Bett zu machen hat. Ein Ausbilder sagt in die laufende Kamera, er habe sein Bettzeug als Rekrut damals mit Stecknadeln befestigt, damit nichts verrutscht. Und auch heute gilt: Guckt die weiße Wäsche unter der BUND-Filzdecke hervor, gibt es Ärger. Oder wie der Ausbilder sagt: Ab kommender Woche werde scharf geschossen. So lachen Bundeswehr-Soldaten.

Auch in den Studios der Fitness-Kette McFit standen vor einiger Zeit "Die Rekruten"-Werbeaufsteller, auf denen mal wieder Leute ihre Stube aufräumen. Darüber der Spruch: „Ab jetzt wird zusammengefaltet.“ Was für eine Doppeldeutigkeit: Pedantisch Unterhosen falten, oder zusammengeschissen werden. Was haben die immer mit dem Zimmer-Aufräumen?

Wer aber will zum Bund, wenn er sieht, wie es da schon bei der Grundausbildung zugeht, wenn er doch stolz drauf ist, eine Persönlichkeit zu haben? Offenbar werden die gesucht, die sich ihrer Persönlichkeit noch nicht so sicher sind.

Wie wäre es stattdessen mit einem Militär, das wirbt: Lasst eure durchgewühlten Betten wie sie sind. Wir haben wirklich Wichtiges zu tun, als dauernd alles zu fegen und zu falten. Fit für den Cyber-War zur Verteidigung der freien Welt. Mit dem Laptop im Büro Online-Angriffe auf Wahlkämpfe abwehren, statt mit Blättern am Helm durchs Moos zu krabbeln. Die Abteilung Cyber-Truppe Digitale Kräfte gibt es ja nun, aber deren Kampagnen („Gegen virtuellen Terror hilft kein Dislike-Button“) prägen bislang kaum das Bild unserer Armee.

Stattdessen macht die Grundausbildung das Image der Bundeswehr in der Öffentlichkeit aus - wie Oktoberfest und Weißbier das Bild der Welt von Deutschland. Auch unabhängig von dieser Reality-Serie.
Auf der Website der Bundeswehr geht es überwiegend darum, körperlich an sein eigenes Limit zu gehen. Beim Tauchen, getarnt im Wald, im Kampfjet. „Nur wenn du deine Grenzen suchst, kannst du deine Stärken finden.“ Immer irgendwie martialisch für Leute auf der Suche.

Pannen bei der Bundeswehr


Auch in öffentlich-rechtlichen Fernseh-Reportagen über die Grundausbildung, wie jüngst in der WDR-Lokalzeit aus der Kaserne im lippischen Augustdorf mit einem 1,6-Abiturienten in der Grundausbildung. Es wirkt wie immer: Laut geht über schlau. Es lässt sich nicht verbergen.

Mag ja sein, dass es so, wie die Bundeswehr angelegt ist, gar nicht anders geht. Wer sich nicht gerne frech anschnauzen lässt, ist dort dann halt falsch. Und das ist womöglich das Problem. Solange die Bundeswehr nach außen auftritt, als brauche sie genau die, die sich an der Waffe und in Uniformen größer fühlen und davon träumen, selber mal morgens um fünf so durch den Flur brüllen zu dürfen, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich kurzfristig genügend Leute finden, die unserem Militär dabei helfen, ihre Haltung ans 21. Jahrhundert anzupassen, wie es sich die Ministerin wünscht. Und den neuen Korpsgeist zu leben. Lauter in sich ruhende selbstbewusste Männer und Frauen, die erkennen, wenn was schief läuft, und die sich trauen, ihrer Bundeswehr gegenüber den Mund aufzumachen.

Sicher: Solche Leute gibt es auch schon heute bei der Bundeswehr. Aber offenbar noch lange nicht genug.



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