Werner Knallhart

Rauchverbot in der Gastronomie: Jetzt auch draußen?

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Die EU wird es am Ende richten

Nach meinen Erfahrungen möchte ich so zusammenfassen: nein. Viele Raucher haben vor lauter selbstempfundener Drangsalierung die Schnauze voll von Rücksichtnahme. Das Nikotin will einfach rein! Beispiel 1: Stockholm, Medborgarplatzen, vor rund drei Jahren, draußen, Sonne, rechts drei junge Frauen, die die Fluppen so hielten, dass der Rauch ihnen selbst nicht in die Nasen stieg. Nämlich mit geknicktem Handgelenk über der Schulter zu den Nachbarn rüber. Ich: „Hejsan, würde es euch was ausmachen, eure Zigaretten so zu halten, dass wir hier nicht alles direkt abkriegen?“ Antwort: „Wir dürfen hier draußen rauchen.“ Ich: „Ja, ich habe ja auch nur nett drum gebeten.“

Beispiel 2: Bielefeld, gerade vergangene Woche, italienisches Restaurant, 30 Grad draußen, wir umzingelt von vier Rauchern an zwei Tischen direkt neben uns. Der Rauch steht bei Windstille wie in einer Besenkammer. Ich frage den Kellner: „Haben Sie vielleicht bitte einen Tisch irgendwo anders, wir würden so gerne ohne Rauch essen.“ Seine Antwort: „Man wird ja wohl noch draußen rauchen dürfen.“ Ich: „Ich habe doch auch nur um einen anderen Tisch gebeten.“

Wir bekamen dann einen anderen Tisch zugeteilt. Und es gibt immer wieder auch richtig freundliche Reaktionen, ist ja klar. Aber immer wieder kommt der Verweis auf die Rechtslage: „Ich darf das.“ Da geht nicht mehr viel. Sie dürfen auch mit dem Stuhl nach hinten rutschen. Aber wenn jemand durchwill, verweisen Sie da auch auf die Rechtslage? Viele Raucher schreien also regelrecht nach Verboten. Solch ein Gesetz hätte einen großen Vorteil: Kein Gastronom müsste bei einem selbst erklärten Rauchverbot auf der Terrasse befürchten, dass die Raucher zur Konkurrenz ohne Rauchverbot abwandern (so wie heute bei den seltsamen Raucherkneipen in Berlin, über die die Touristen aus fortschrittlicheren Nationen ungläubig den Kopf schütteln).

Als letztes dürfen wir eins nicht vergessen: Rauchen ist auch bei uns auf dem Rückmarsch. Der Tabakindustrie gelingt es nicht mehr, die kritische Masse an jungen Menschen in die Sucht zu treiben. Unser Denken ändert sich. Selbst CDU-Frau Merkel will das Werbeverbot für Tabak auf Plakatwänden. In Teilen Europas steht als Ziel im Raum: Rauchfreiheit. Die Nikotinsucht einfach flächendeckend auszumerzen. Schweden will bis 2025 rauchfrei sein, Finnland bis 2035. Solche Ziele sind für deutsche Verhältnisse natürlich ein unvorstellbarer Irrsinn an Veränderung. Aber seien wir Propheten: Die EU wird es am Ende richten.

Und wenn wir dann irgendwann unseren Enkeln erzählen: „Drogen nehmen war auch schon in unserer Jugend verboten. Außer solcher Drogen, die andere Menschen unfreiwillig mit konsumieren mussten, die konnte man sogar bei Rossmann kaufen“, und dann in ungläubig aufgerissene Augen schauen, dann erinnern wir uns an die Schweden: Die waren mal wieder ganz vorne - und haben uns Ich-darf-das-Deutsche am Ende mitgerissen. Mit weniger Krebstoten wäre so ein Sommer draußen doch ganz besonders schön.

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