Werner knallhart

Warum nur Soldaten? Lasst Krankenschwestern gratis Bahn fahren

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Ein etwas anderes Pendlergeld

Sollten nicht auch die unterbezahlten Krankenschwestern und Altenpfleger eine Anerkennung erhalten für das, was sie für uns Tag für Tag stemmen? Was ist mit den Ehrenamtlern in Sportvereinen, Flüchtlingsunterkünften, Hospizen, Umweltschutzorganisationen, Tafeln und und und? Die dürfen sich mal eine kostenlose Tasse Kaffee aus der Küche nehmen. Aber sie müssen für die Fahrt zu ihrem Einsatzort auch noch eine Fahrkarte bezahlen – oder Spritgeld. Wenn wir konsequent sind, gibt es am Ende fast für jeden Job einen Grund für kollektive Dankbarkeit. Was ist mit dem Lkw-Fahrer, der Nacht für Nacht auf der Autobahn gegen den Sekundenschlaf kämpft, statt bei seiner Familie daheim im kuscheligen Bettchen zu schlummern? Er macht das, damit wir am nächsten Tag frische Milch und knackiges Gemüse im Supermarkt finden.

Der Wert des Dienstes an der Gesellschaft misst sich nicht allein an einer möglichen Lebensgefahr im Job. Und selbst wenn, müssten wir auch Feuerwehrfrauen und -männern die Bahnfahrten schenken. Und Sanitätern, die mit Blaulicht durch die Stadt düsen und sich am Einsatzort gefährlich bedrängen lassen müssen, auch. Und Lokalpolitikern, die Positionen vertreten, die Rechtsextremisten nicht passen. Journalisten, die aus lebensgefährlichen Krisenregionen berichten.

Bislang dürfen schon Polizisten in Uniform kostenlos mit der Bahn fahren. Warum macht die Bahn das gerne mit, während sie sich bei den Soldaten auf die Hinterbeine stellt? Misst die Bahn hier auf unfaire Weise mit zweierlei Maß?

Antwort: Nein. Polizeibeamte in Uniform erhöhen das Sicherheitsgefühl der Reisenden. Die Bahn profitiert vom Deal, weil die Kundenzufriedenheit steigt. Win-Win-Win! Punkt.

Von wem profitieren die Fahrgäste?

Soldaten in Uniform, nicht selten rotwangige Jungspunde in Tarnfarben und mit unförmig verzurrtem Riesenrucksack, an dem noch Blechgeschirr oder Stiefel hinten hin und her baumeln und beim Ein- und Aussteigen sitzenden Fahrgästen ins Gesicht schlagen (schon erlebt, wenn auch nur einmal und das war natürlich sofort verzeihlich), erhöhen nicht das Sicherheitsgefühl in einem ICE. Weil sie im Innern gegenüber der Zivilbevölkerung eh nichts zu melden haben.

Soldaten sind letztendlich dem Anlass entsprechend unpassend gekleidete Mitreisende. Betonung auf Mitreisende. Sie besetzen Sitzplätze, trinken einem das wenige noch kühle Bier im Bistro weg und belegen danach die Toilettenräume wie alle anderen auch. Was hat da die Bahn davon? Nix. Weil die Fahrgäste nichts davon haben.

Mir hat mal ein Arzt erzählt, er sei in einem Flugzeug geflogen und dann kam die Durchsage: „Wenn ein Arzt an Bord ist, bitte melden Sie sich beim Kabinenpersonal.“ In Erinnerung an seinen Hippokratischen Eid war er aufgestanden und habe geholfen – stundenlang sei er auf dem Langstreckenflug im Einsatz gewesen. Am Ende des Fluges haben sich alle Involvierten herzlich bei ihm bedankt. Das war´s. Dass die Airline hier eine teure Dienstleistung eingespart hatte (bei jedem Dorffest stehen Sanitäter bereit), hat dabei keine Rolle gespielt.

Wäre es nicht logisch, allein jene Berufsgruppen kostenlos Bahn fahren zu lassen, die den Fahrgästen zugutekommen? Polizisten grundsätzlich. Ärzte, Krankenschwestern, Sanitäter, Feuerwehrleute zumindest dann rückwirkend, wenn sie zum Einsatz kommen?

Und wenn die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden möchte und deshalb ihren Soldaten das Pendeln schöner machen will, soll sie Jobtickets anbieten. So wie viele andere Arbeitgeber auch. Wenn dafür das Wehrbudget nicht reicht, muss es eben erhöht werden. Hintenrum Finanztöpfe anderer Ressorts oder Unternehmen abzumelken, ist hingegen zwar clever, aber nicht gerade ein glasklares konsequentes Bekenntnis zu den Bedürfnissen der eigenen Leute.

Unsere Soldaten haben da wirklich etwas Besseres verdient. Pendlergeld ja, aber bezahlt von dem, der direkt profitiert. Den Streitkräften.

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