Werner knallhart

Der Niedergang des Rechtsstaats beginnt beim Halteverbot

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Geschwindigkeitsbegrenzung und die Behörden

5. Geschwindigkeitsbegrenzung: Sich dran halten ist Nötigung

Sind Sie ein Mensch mit starken Nerven? Dann fahren Sie mal durch eine deutsche Großstadt und halten Sie sich in der 30er-Zone ans Limit. Hinter Ihnen werden die Autofahrer die Nerven verlieren – wie kann man nur so provokativ rumtrödeln wie Sie? Fußgänger, die in verkehrsberuhigten Zonen (in denen Schrittgeschwindigkeit gilt), durch ihre bloße Anwesenheit Autofahrer am Durchrasen hindern, können froh sein, wenn sie nur beleidigt werden. Absichtlich nah ranfahren, um die Fußgänger in Todesangst zu versetzen – schon öfters miterlebt.

In einer Straße in meiner Nachbarschaft gilt Tempolimit 10km/h. Praktisch jeder, der da durchfährt, wäre bei einer Kontrolle den Lappen los. Und dennoch wird dort ganz entspannt gerast. Aus gutem Grund. Und der kommt jetzt.

6. Die Komplizen: die Behörden

Regeln ignorieren, das kann man ohne viel Mut riskieren. Denn es gibt noch eine andere Regel. Eine, die das Leben schreibt. Und die lautet: „Die kontrollieren hier eh nicht.“

Jüngst erzählte mir ein Freund aus NRW: „Gestern war die Straße in unserer Wohnsiedlung wieder komplett vollgeparkt. Jeden Sonntag geht das so. Wegen einer Kirchenveranstaltung. Trotz Parkverbot von vorne bis hinten, Jedes Feuerwehr-Löschfahrzeug würde stecken bleiben. Mehrere Wohnblocks ohne Rettung im Notfall. Ich rufe das Ordnungsamt an. Geht keiner dran. Ich rufe die Polizei an. Die verweist mich ans Ordnungsamt. Stichwort: ruhender Verkehr. Ich sag: ‚Da geht keiner dran. Sind Sie als Polizei nicht die Vertreter des Ordnungsamt am Sonntag?‘ Sagt der Polizist: ‚Ja, aber für Parkverbotsgeschichten haben wir keine Zeit.‘“

Da wird reihenweise geltendes Recht ignoriert. Aber keine staatliche Ordnungsmacht weit und breit, die helfen kann oder will. Weil Sonntag ist! Leute! Andere Freunde erzählen mir: „In unserer Straße darf man nie parken außer sonntags.“ Weil da nämlich das Ordnungsamt zu hat. Wer sich darüber beschwert, dass sich in diesem Land nichts bewegt – och, es klappt noch nicht mal mit einer Rettungsgasse. Kein Bock, keine Zeit, nicht zuständig. Und Bürger, die nach Recht und Ordnung fragen, bekommen das schlechte Gewissen eingeredet, die personell unterbesetzten und deshalb überforderten Behörden mit Lächerlichkeiten zu nerven.

Wenn unser Staat ausstrahlt, unsere eigenen Vorschriften seien im Grunde Kleinkram, um die zu kümmern es sich nicht lohnt, dann kommt man sich als derjenige blöde vor, der aus Rücksicht auf andere tut, worauf wir uns in Regeln geeinigt haben. Die gesetzestreuen Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger als Luschen ohne Eier.

Vorgestern wäre ein Bekannter von mir fast mit dem Motorrad gestützt, als ein Radfahrer von rechts auf seine Fahrbahn geschossen kam und keifte: „Rechts vor links, Wichser!“

Dass der Radrowdy aus einer für jede Durchfahrt gesperrten Spielstraße gekesselt kam, war ihm egal. Sich an die Regeln zu halten, hätte ja einen Umweg bedeutet.

Aber da kann man nichts machen. Denn Gesetzestreue im Straßenverkehr ist überbewertet. Amtlich bestätigt.

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