Werner knallhart

Hamsterkäufe für den Notfall? Lieber mal schön abspecken

Die Deutschen sollen sich für bis zu 14 Tage mit Essen eindecken. Falls mal was ist. Nach den Berechnungen der Behörden wäre das allerdings ein Berg von Lebensmitteln. Geht es im unwahrscheinlichen Notfall nicht bescheidener?

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Reicht doch für den Notfall: Voller Kühlschrank mit Lebensmitteln. Quelle: dpa

Ein Freund erzählte mir jüngst: "Meine Tante hat mir doch tatsächlich gestern sechs Kilo Zucker vorbei gebracht."

Ich: "Wieso das denn?"

Er: "Der war wohl im Sonderangebot."

Wirklich wahr! Aber das passiert eben, wenn man bei der Bevorratung den gesunden Menschenverstand ausschaltet. Deshalb werden ja Experten in allen Fernsehinterviews dieser Tage nicht müde zu betonen: Auch bei der Bevorratung für den Katastrophenfall sollte man sich nicht von Panik leiten lassen, sondern besonnen handeln.

Das Bundesamt empfiehlt...
Quelle: IMAGO
Einige Lebensmittel wie Brot könnten eine 14-tägige Vorratsdauer nicht überstehen. Deshalb empfiehlt das Bundesamt hier eine größere Auswahl, nämlich: 1000 g Vollkornbrot, 400 g Zwieback, 1000 g Knäckebrot, 500 g Nudeln (roh), 750g Getreide-/Haferflocken, 1000 g Kartoffeln (roh) Quelle: DPA
Nahezu unbegrenzt haltbar sind Konservendosen. Gemüse wie Rotkohl oder Dosenmais lässt sich so verlustfrei einlagern – und liegt im Ernstfall bereit. 800 g Bohnen in Dosen, 900 g Erbsen und Möhren in Dosen, 700 g Rotkohl in Dosen, 400 g Spargel in Gläsern, 400 g Mais in Dosen, 400 g Pilze in Dosen, 400 g saure Gurken im Glas, 400 g rote Beete, 500 g frische Zwiebeln Quelle: IMAGO
Das gleiche gilt für Obst. Anders als viele annehmen, enthält auch Konservenobst noch Vitamine – und eignet sich damit optimal als Lebensmittel für den Notvorrat. 700 g Kirschen im Glas, 250 g Birnen in Dosen, 250 g Aprikosen in Dosen, 350 g Mandarinen in Dosen, 350 g Ananas in Dosen, 200 g Rosinen, 200 g Haselnusskerne, 250 g Trockenpflaumen Quelle: IMAGO
Das klassische Getränk für den Notvorrat ist selbstverständlich: Wasser. Doch das Bundesamt empfiehlt mehr Auswahl. 28 l Mineralwasser, 0,2 l Zitronensaft, 250 g Kaffeepulver, 125 g schwarzer Tee Quelle: dpa
So lecker der Camembert im Bild auch aussieht: Für einen Notvorrat, der auch bei einem Stromausfall noch haltbar bleiben soll, eignet sich Hartkäse deutlich besser. 3 l H-Milch 3,5% Fett, 700 g Hartkäse Quelle: DPA
Die einen lieben, die anderen verabscheuen ihn – am Dosenthunfisch scheiden sich die Geister. Im Notvorrat darf er trotzdem nicht fehlen. 150 g Thunfisch in Dosen, 100 g Ölsardinen in Dosen, 100 g Heringsfilet in Soße, 250 g Corned Beef in Dosen, 300 g Bockwürstchen im Glas, 300 g Kalbsleberwurst im Glas, 360 g Dauerwurst (z. B. Salami), 10 Eier Gewichtsklasse M Quelle: IMAGO

Besonnen handeln, das könnte ja bedeuten, einfach mal zu googlen, was die Behörden so empfehlen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat einen "Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen" rausgebracht. Unter "Meine persönliche Checkliste" findet sich eine Übersicht für "Getränke und Lebensmittel" für einen 14-Tage-Vorrat pro Person. Ich wiederhole: pro Person.

Mein erster Eindruck nach dem Lesen: Jesses, wer soll das alles essen?

Lebensmittelgruppe "Getreide, Getreideprodukte, Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis": 4,9 Kilo

Lebensmittelgruppe "Gemüse, Hülsenfrüchte": 5,6 Kilo

Lebensmittelgruppe "Obst, Nüsse": 3,6 Kilo

Lebensmittelgruppe "Milch, Milchprodukte": 3,7 Kilo

Lebensmittelgruppe "Fisch, Fleisch, Eier bzw. Volleipulver": 2,1 Kilo

Lebensmittelgruppe "Fette, Öle": 0,5 Kilo

Und dann darf man sich noch was zu naschen hinlegen: "Sonstiges nach Belieben zum Beispiel Zucker, Süßstoff, Honig, Marmelade, Schokolade, Jodsalz, Fertiggerichte (z.B. Ravioli) (...)"

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Ravioli unter Sonstiges? Jetzt war ich völlig verwirrt. Hätte ich ohne den Ratgeber eingekauft, hätte ich mich mit Dosenravioli bis zum Abwinken eingedeckt. Die sind schon gekocht und schmecken im Notfall auch kalt. Und es geht doch um einen Notfall. Einen sehr unwahrscheinlichen Notfall!

In der Katastrophe stünde mir jedoch auf Basis der Checkliste beispielhaft umgerechnet zu:

Jeden Tag fünf Fischstäbchen und einen halben Blumenkohl, zusammen gebraten in 35g Butter, und dann noch mehr als ein halbes Päckchen Spaghetti, nämlich 350g, dann zwei Äpfel und knapp zwei Becher Fruchtjoghurt. Und dann natürlich noch die Schokolade. 

Die komische Teriyaki-Soße kann weg

Mjamjam! Gut, ich würde das irgendwie runterkriegen. Man sitzt je eh zuhause und wartet auf bessere Zeiten. Da isst man aus Langeweile. Aber den ganzen Haufen immer als Vorrat zuhause haben? Bei einem Vier-Personen-Haushalt hätte man dann zum Beispiel allein knapp 20 Kilo Nudeln oder Reis unterzubringen. 40 Päckchen nur aus Lebensmittelgruppe 1! Da muss man ja anbauen.

Die Liste ist berechnet für einen täglichen Kilokalorienbedarf von 2.200. Damit sei in der Regel der Gesamtenergie-Bedarf abgedeckt. Ich bin kein Experte, aber: Würde es uns nicht guttun, wenigstens im Katastrophenfall mal ein bisschen abzuspecken? Würden wir allesamt im unwahrscheinlichen Fall von Krieg, Terror, Erdrutsch, Überschwemmung und Stromausfall nicht auch für vierzehn Tage mit zwei Dritteln der Kalorien auskommen? Selbst Allerwelts-Diätprogramme propagieren, täglich 500 bis 1000 Kcal zu sparen.

Und muss es über 14 Tage im schlimmsten Notfall wirklich eine schmackhafte, ausgewogene Ernährung mit Hülsenfrüchten und allem Pipapo sein?

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Ein 500-Gramm-Glas Erdnusscreme enthält rund 3000 Kcal und viele gesunde Nährstoffe. Nicht umsonst wird Erdnusscreme durch Hilfsorganisationen bei Hungersnöten ausgegeben.

Wer pro Tag mit 1500 Kcal klarkommt, käme damit zwei Tage über die Runden. Eine Tafel Schokolade hat 500 Kcal, eine Dose Ravioli knapp 700 Kcal. Nennen Sie mich einen Möchtegern-Überlebenskünstler, aber ich würde mir zutrauen, 14 Katastrophentage mit einer Mischung aus Erdnussbutter, Schokolade und Dosenravioli zu überstehen. Bei 1500 Kcal täglich bräuchte ich so einen Vorrat von fünf Gläsern Erdnusscreme, fünf Tafeln Schokolade und fünf Dosen Ravioli. Fertig!

Ich würde das einfach so machen. Denn: In der Checkliste des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe steht auch: "Die Lösung liegt in Ihrer Verantwortung. Ob und wie viel Sie vorsorgen, ist eine persönliche Entscheidung." So!

Und noch was: Machen Sie mal Ihren Kühlschrank, Ihren Eisschrank und Ihren Vorratsschrank auf. Das, was Sie ohnehin immer so an Müsli und Joghurt und Tiefkühlerbsen zuhause haben, zählt ja auch mit. Selbst bei Stromausfall ist das ja nicht alles sofort ungenießbar. Und endlich käme mal diese komische Teriyaki-Soße weg. Und der Honig-Feigen-Senf. Und das Dattelmus. Und die in Salzlake eingelegten Zitronen.

Fünfmal Erdnussbutter, fünfmal Schoki, fünfmal Ravioli. Und kurz bevor der Vorrat droht zu verderben, lädt man seine Freunde ein, und alle bringen ihre alten Notfall-Reserven mit: Knäckebrot, Dosenblutwurst, Graupensuppe. Das wird dann auf den Kopf gehauen und alle feiern, dass wir die Katastrophen-Ration nicht gebraucht haben.

Ja, vielleicht werde ich das so machen.

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