Mein Schwager kommt aus Dänemark und hat sich jüngst aufrichtig über sein originelles Souvenir von seiner Deutschlandreise gefreut. Da hatte ihm irgendeine Behörde zwei witzige Fotos nach Dänemark nachgeschickt, wie er gerade am Steuer seines Volvo samt Familie auf der Landstraße durch den deutschen Frühling cruist. Mit 66 Stundenkilometern, statt den erlaubten 60. Nun muss er dafür 10 Euro bezahlen. „Für solch originelle Abzüge ein Schnäppchen“, wie mein Schwager findet. „Dass Deutschland das für den Preis anbietet, kann doch nicht wahr sein.“
Oh doch! In der Tat. Ein Vergleich: Im Europapark wird man auf der Achterbahn ja auch stets fotografiert. Will man davon zwei Abzüge haben, kostet es 12 Euro, nämlich 6 pro Exemplar. Da ist eine Geschwindigkeitsübertretung ganz klar das bessere Geschäft. Und der internationale Versand ist auch noch inklusive.
Bedenkt man, wie unwahrscheinlich es ist, überhaupt bei einer Geschwindigkeitsübertretung erwischt zu werden, kann man den Tempomaten auf der Autobahn ohne große finanzielle Risiken getrost 9 km/h über die erlaubte Grenze programmieren.
Was Raser wissen müssen
Deutschlandweit gibt es 4231 Blitzer. Weltweit liegt Deutschland damit auf Platz fünf der Blitzer-Staaten: Platz vier belegen die USA mit 5647 Starenkästen, Großbritannien folgt mit 5754 Blitzern auf Platz drei. Der zweite Platz geht an Italien mit 6884 Blitzern und der erste Platz an Brasilien mit stolzen 14.395 Starenkästen.
Die meisten Radarfallen gibt es in Berlin: In der Hauptstadt stehen 22 festinstallierte Blitzer. Hinzu kommen 100 mobile Geschwindigkeitskontrollen. Zweitplatzierter ist Düsseldorf mit 37 stationären und mobilen Radarfallen. Danach kommt Hamburg mit 34 Blitzern, Stuttgart mit 32, Freiburg mit 24 sowie Bremen und Aalen mit je 20 Blitzern.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat 150 Städte befragt, wie hoch ihre Einnahmen aus Geschwindigkeitskontrollen im Jahr 2012 gewesen sind. Nicht im Ranking enthalten sind Großstädte wie Berlin, Hamburg und München, da die Städte trotz gesetzlicher Auskunftspflicht nicht auf die Anfrage des DAV reagiert haben. "Von den angeschriebenen Städten haben wir bisher nur 34 Fragebögen, zum Teil mit unvollständigen Angaben, zurückbekommen. Sechs dieser Städte haben außerdem die übermittelten Daten nicht zur Veröffentlichung freigegeben", sagte Jens Dötsch vom DAV.
Der dritte Platz ging an die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf: 5,3 Millionen Euro nahm die Stadt im Jahr 2012 durch Radarkontrollen ein. Die Stadt Dortmund kassierte - heruntergerechnet auf alle zugelassenen Pkw - 27,75 Euro pro Auto. Insgesamt flossen sieben Millionen Euro in die Haushaltskasse. Und ausgerechnet die Autostadt Stuttgart verdient 2012 am meisten an ihren Rasern: 7,9 Millionen Euro nahm die Hauptstadt Baden-Württembergs allein durch Radarkontrollen ein. Pro zugelassenem Pkw sind das 28,07 Euro.
Spezielle Smartphone-Apps und die meisten Navigationssysteme warnen den Fahrer vor Radarkontrollen. Das möge lehrreich sein, ist beides aber auch „ganz klar illegal“, so der Hamburger Anwalt Uwe Toben, Experte für Verkehrsstrafrecht. Denn die Straßenverkehrsordnung verbietet den Einsatz von technischen Geräten, die „dafür bestimmt sind, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören“. Warum das so ist und ob ein Handy überhaupt in diese Kategorie fällt weiß keiner so genau. Der Paragraf stammt aus einer Zeit, in der es weder Smartphones noch Navigationsgeräte gab. Anwalt Toben kann sich auch an keinen Fall erinnern, in dem jemand wegen seiner Handy-App Probleme bekommen hat. „Wo kein Kläger, da auch kein Richter“, sagt Toben.
Entsprechend wirbt auch der Navigationshersteller Tomtom auf seiner Website für seinen knapp 30 Euro teuren Service, der „mit ausreichend Vorlaufzeit“ vor Radarkameras warnt. Der Dienst mache den Straßenverkehr sicherer, behauptet das Unternehmen.
Und auch der Gesetzgeber hat nicht gegen jede Form von Blitzer-Warnung etwas: Die Radiosender etwa dürfen vor Radarfallen warnen. Wo genau hier die rechtliche Grenze zwischen technischen Geräten wie Handys oder Navigationssystemen gezogen wird, weiß niemand so genau.
Wer bis zu 20 Sachen zu schnell unterwegs ist, muss nur mit einem Bußgeld von bis zu 30 Euro rechnen. Ab 21 Stundenkilometern zu viel steigt die Höhe des Verwarngeldes schon auf 70 Euro und es gibt einen Punkt in Flensburg. Den kompletten Bußgeldkatalog finden Sie übrigens hier.
Wer außerorts 41 oder mehr Stundenkilometer über dem Limit fährt, muss ein Auto für mindestens einen Monat stehen lassen. Innerhalb einer Gemeinde gibt es schon ab einer Geschwindigkeitsübertretung von 31 km/h ein einmonatiges Fahrverbot.
In vielen deutschen Bundesländern gibt es bereits Blitzer ohne Blitz. Im Juni 2014 führte - nach Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bremen und Thüringen - auch Bayern das System TraffiStar 330 ein. Die Anlage liefert bei Tag und Nacht scharfe Bilder, ohne den Fahrer durch einen Blitz zu blenden. Bei der sogenannten Robot Black Flash Technologie kommt ein Infrarot-Blitz zum Einsatz, der für das menschliche Auge fast unsichtbar ist. Außerdem berechnet der TraffiStar 330 die Geschwindigkeit der Fahrzeuge anhand des Wegs, den das Auto in einer bestimmten Zeit zurückgelegt hat. Kritiker sagen jedoch, dass bei dieser Technologie der "Erziehungseffekt" wegfällt, weil der Raser erst beim Öffnen des Bußgeldbescheids von seiner Geschwindigkeitsübertretung erfährt.
Das Streckenradar funktioniert ähnlich wie der Blitzer ohne Blitz: Die Geschwindigkeit eines Autofahrers wird über einen längeren Abschnitt kontrolliert. Dafür fotografiert eine Kamera jedes Fahrzeug am Beginn des Abschnitts von hinten. Am Streckenende wird das Auto erneut erfasst. Wenn ein Fahrzeug die Strecke in einer Zeit zurücklegt, die nur durch die Übertretung des Tempolimits erreicht werden kann, wird das Fahrzeug von vorne geblitzt. In Niedersachsen startet im Frühjahr 2015 ein etwa 18 Monate langer Feldversuch mit der Technologie. Dort werden die Fahrer deutlich auf diese Form der Kontrolle hingewiesen. Erfahrungen mit der Technologie gibt es bereits im europäischen Ausland.
So haben notorische Raser in Italien das Streckenradar schon überlistet: Sie durchrasen den ersten Teil der Strecke mit hoher Geschwindigkeit. Danach trinkt der Fahrer an einer Raststätte einen Espresso und fährt nach der kurzen Pause weiter. So bleibt er insgesamt unter der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Mittlerweile gelten Fotos, die Blitzgeräte aufgenommen haben, nicht mehr als Beweismittel, weil sie gegen das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ verstoßen. Wer also einen bösen Brief samt Foto bekommt, kann - trotz gestochen scharfem Foto - behaupten, nicht zu wissen, wer das Auto zum fraglichen Zeitpunkt gefahren hat.
Ich bin als 18-jähriger Fahranfänger auf der A5 bei Karlsruhe mal 40 km/h in einer Baustelle gefahren. Weil da eben 40 km/h vorgeschrieben, verdammt! Der Lastwagen-Fahrer hinter mir hielt mich wohl für eine völlig belämmerte Schlafmütze. Denn er hupte und er blendete mich aus allen ihm verfügbaren Lampen. Außerdem musste er mich per Funk verpfiffen haben, denn auch etliche LKW vor mir hupten mich später auf freier Strecke in solidarischer Rachsucht an.
Es ist für manche eben völlig absurd, sich in Deutschland an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Wer es doch tut, hat sie wohl nicht mehr alle, derartig den Verkehr aufzuhalten.
Wenn man sich den Bußgeldkatalog mal so durchliest, hat man auch tatsächlich das Gefühl, der Gesetzgeber ist ganz unangenehm berührt davon, überhaupt Bußgelder verhängen zu müssen. Nach dem Motto: Was du tust, ist zwar verboten, aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Freie Fahrt für freie Bürger und so.
Was soll das? Wenn es nicht so schlimm ist, braucht man es nicht zu ahnden. Wir sollten aber unterstellen, dass unsere demokratisch gewählten Repräsentanten nur dann Verbote erlassen, wenn diese im öffentlichen Interesse sind. Die Zahl der Verkehrstoten geht hierzulande nicht zurück. Und Ursache Nummer eins ist Raserei.
In Deutschland aber ist das beste Argument gegen die Durchsetzung von Verboten durch die Behörden: „Polizeistaat oder wat?“
Unsere europäischen Nachbarn sind da konsequenter. Weil sie etwa eine Geschwindigkeitsüberschreitung für gefährlich halten, wollen sie sie verhindern. Mit derart hohen Bußgeldern, dass der Respekt davor den Leuten schon intuitiv den Fuß vom Gas zieht.
Beispiel: 20 km/h zu schnell. Das kostet ein Bußgeld von mindestens
100 Euro in Belgien, Griechenland und Finnland
130 Euro in Großbritannien
135 Euro in Dänemark und Frankreich
165 Euro in den Niederlanden
170 Euro in Italien
Deutschland: maximal 35 Euro!