Werner Knallhart
Eine Frau mit Maske schiebt einen Rollkoffer Quelle: imago images

ICE, Büro, Theater: Werden wir auch nach Corona immer eine Maske dabei haben?

Bald geht das Impfen los, aber die Pandemie begleitet uns noch mindestens bis Sommer. Dann hätten wir fast anderthalb Jahre nach neuen Hygiene-Routinen gelebt, von der Begrüßung bis zum Lüften. Was wird wohl bleiben?

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Wie begrüßen Sie eigentlich jetzt andere Leute? Früher gab es in unseren Breiten eigentlich nur Händeschütteln (neue Bekanntschaften oder lange nicht gesehene Bekanntschaften), Umarmen (Freude - vor allem lange nicht gesehene) oder zugewandtes Nicken (das macht vor allem der +1 an der Seite dessen, der jemanden getroffen hat, den er eigentlich gar nicht treffen wollte, und den Smalltalk so kurz hält, dass er noch nicht einmal seine/-n +1 vorstellt. Fällt der Blick des zufällig Getroffenen auf den oder die + 1, wird genickt.)

Heute haben wir viele neue Rituale im Angebot. Das dämlichste ist die Begrüßung mit den Füßen. Sie wird immer eingeleitet mit den Worten: „Komm, wir machen einfach so…“, weil das Aneinanderschlagen der Knöchel nicht vorab an der Körperhaltung ablesbar ist. Erst denkt man, da bemerkt gerade jemand, mit seinem Schuh in etwas Ungünstiges reingetreten zu sein, und dann heißt es: „Komm, wir machen einfach so.“ Und dann hüpft man da rum und versucht zu treffen.

Nicht die Maske ist das eindringlichste Symbol unserer Verletzlichkeit in Pandemiezeiten. Es ist der Fußgruß. Der ist außerdem die größte Corona-Selbstdemütigung. Er muss sofort wieder weg, wenn wir durchgeimpft sind.

Viele plädieren ja dafür, das Händeschütteln für immer zu lassen. Denn es gibt ja noch andere Infektionskrankheiten. Und viele übertragen sich sogar noch besser als Corona über Kontakte, wie etwa diese Magen-Darm-Geschichten bei mangelnder Handhygiene. Die Hände nicht zu schütteln, wäre hygienischer. Der Knackpunkt ist nur: Wenn sich in unserer Gesellschaft irgendwann das Grundgefühl durchsetzt: „Das war’s jetzt mit Corona“, dann werden die ersten auch wieder die Hände zum Schütteln hinhalten. Was machen dann die, die eigentlich nie mehr schütteln wollten?

Bis Februar 2020 galt es als ein kaum zu toppender Affront, jemandem den Handschlag zu verweigern. Wie wird es künftig sein?

Welche Grußgeste ist die dominante? Wie bei Schere-Stein-Papier (auch bekannt als Schnickschnackschnuck) wird sich auch ein Ritual als überlegen herausstellen – zwischen zwei Menschen, die einander unterschiedliche Begrüßungsrituale anbieten (der eine streckt die Hand aus, der andere legt sich mit leichtem Kopfnicken die Hand aufs Herz). Und ich befürchte, das Händeschütteln ist das dominante. Die Hand-aufs-Herz-Geste nicht zu erwidern, ist das eine. Die ausgestreckte Hand nicht zu ergreifen und im leeren Raum hängen zu lassen, das wird nicht gehen ohne Hinweise wie „Ich habe Halskratzen, deshalb lieber so“ oder „Ich habe gerade etwas Ekliges angefasst“. Ich glaube deshalb: Wir müssen uns als Gesellschaft auf etwas dauerhaft Hygienisches zur Begrüßung einigen, oder das Handgegrabsche wird sich wieder in der Gesellschaft ausbreiten und uns mit anderen Erregern krank machen. Wir brauchen eine Hand-aufs-Herz-Kampagne. Falls noch Corona-Hilfsgelder übrig sind.

Aber was ist mit den anderen neuen Gewohnheiten? Über die können wir zumindest mit deutlich weniger Sozialdruck selbst für uns ganz allein entscheiden.

Reden wir über DAS Corona-Symbol: die Maske. Vor der Pandemie kannten wir Leute mit maskierten Gesichtern nur von G20-Ausschreitungen in Hamburg, von Banküberfällen oder aus Berliner Clubs. Heute fällt uns beim Netflixen auf: Huch, die Leute in der Serie kommen sich aber ganz schön nah ohne Masken.

Viele haben schon jetzt tief verinnerlicht: Ungeschützte Nähe zu Anderen auf stickigen Partys, in lange schon nicht mehr gelüfteten Konfis, in schweißig riechenden U-Bahnwaggons oder beim Black Friday im überfüllten Kaufhaus bringt wenig Vorteile, ist aber riskant.

Was früher einfach nur stickiger Mief war, ist heute Aerosol. Viele von uns haben die Illustrationen in den Nachrichten gesehen, wie die Krankheitserreger aus dem Mund des einen sich in wenigen Minuten im ganzen Raum ausbreiten, um tief in die Atemwege der anderen eingesaugt zu werden. Warum sollten wir uns diese monatelang in uns gewachsene Ekel-Erkenntnis wieder aus dem Kopf schlagen?

Handy, Schlüssel, Portemonnaie, Handdesinfektion, Maske

Deshalb wage ich die Prognose: Eine in einem kleinen Täschchen aufbewahrte FFP2-Maske wird bei vielen künftig zu den Big Five unterwegs gehören: Handy, Schlüssel, Portemonnaie, Handdesinfektion, Maske. Zumindest in der Erkältungszeit in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und wenn im ICE ein paar Sitze vorweg jemand schnieft oder hustet: Maske aus dem Rucksack und gemütlich aus dem Fenster gucken.

Wir werden künftig Menschen mit Masken in Bussen und Bahnen, in Shopping-Malls, Hotellobbys und Theatersälen sehen und uns fragen: Nimmt der jetzt Rücksicht oder schützt der sich selbst?

Und in der Abteilungsleiter-Konferenz mit Maske? Vor Frühjahr 2020 wären bei diesem Anblick die Kolleginnen und Kollegen vor Angst kreischend davon gerannt. Doch die Maske im Betrieb wird sicher als Geste des Zusammenhalts bleiben. Gesundbleiben als Teamwork.


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Und wer bei einem 12-Stunden-Flug in den Urlaub ein bisschen schlafen will: Maske 1 über Mund und Nase, Maske 2 über die Augen, Ohropax links, rechts. Bis später. Wer Maske trägt, wird nie mehr schräg angeguckt.

Ich erinnere mich noch daran, wie sich im März eine Frau neben mir im Restaurant die Hände mit einem Spray desinfiziert hat. Als sie mich sah, lächelte sie verstohlen. Es fühlte sich für sie offenbar noch seltsam vorsichtig an, in der Öffentlichkeit auf ihre Handhygiene zu achten. Niemals werden wir künftig wieder denken, wenn jemand unterwegs ein Fläschchen Sterillium aus der Tasche zieht: Man kann es auch übertreiben.

Meine Prognose: Auch Handdesinfektion bleibt. Die Gelassenheit von früher wäre künftig Gleichgültigkeit.

Was ist mit dem Lüften? Setzen wir uns künftig wieder in kleine Spelunken, an deren Fensterinnenseiten die kondensierte Atemfeuchtigkeit herunter rinnt?

Werden wir beim Essen die Aerosole vergessen? Oder werden nur die Restaurants überleben, die riechbar oder sogar mit Zertifikat an der Tür frische, gefilterte oder gut ausgetauschte Atemluft zum Menü anbieten? Ich glaube, Luft, die offenbar mehrfach von den Anwesenden ein- und ausgeatmet wurde, wird ein Appetitkiller bleiben.

Was meinen Sie? Ich tippe: Händeschütteln kommt wieder, Maske wird Reiseaccessoire, Handhygiene unterwegs ist gesetzt, Restaurants werden künftig mit frischer Luft werben und Schulen werden um die Gunst der Eltern buhlen: Wir bieten Ihren Kindern frische, aerosolarme, wohl temperierte Luft mit niedrigen CO2-Werten das ganze Jahr für konzentrierteres Lernen in gesunder Atmosphäre.

Verinnerlichte Corona-Vorschriften kriegen wir einfach nicht mehr weg. Zum Glück.

Mehr zum Thema: Biontech/Pfizer, Moderna oder AstraZeneca: Die Preise für die neuen Corona-Impfstoffe unterscheiden sich stark. Wer beim Preis fair spielt und wer vor allem den Gewinn maximiert.

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