Werner knallhart

Nur noch Englisch in Cafés: Warum Jens Spahn recht hat

Der CDU-Finanz-Staatssekretär Jens Spahn bestellt nicht gerne auf Englisch in deutschen Restaurants. Obwohl er es sicherlich gut kann. Warum sich aber eigentlich die Dienstleister über die Deutschschwäche ihres Personals aufregen sollten.

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Kellner in Cafés Quelle: dpa

Jens Spahn ist erst 37. Und er sagt in einem Zeitungsinterview: „Mir geht es… übrigens zunehmend auf den Zwirn, dass in manchen Berliner Restaurants die Bedienung nur Englisch spricht. Auf so eine Schnapsidee käme in Paris sicher niemand.“

Was könnte man nun als Mitglied einer anderen Partei im Wahlkampf dagegen sagen? Die Bundesgeschäftsführerin der SPD, Juliane Seifert, twittert: „I'm feeling so sorry for him. Poor guy.“ Und beweist damit: Sie könnte wahrscheinlich ganz toll eine Pizza auf Englisch bestellen, hat aber keine Argumente gegen Spahn.

Im Wesentlichen deckt sich dies mit der Haltung der meisten, die Spahn für seine Kritik verspotten. Wer nicht auf Englisch bestellen will, der ist eben engstirnig, provinztrottelig oder ein „armer Kerl“, wie Frau Seifert meint, wenn ich mal übersetzen darf.

Vielleicht hätte Spahn nicht ausgerechnet die Franzosen zum Vergleich heran ziehen sollen. Diese sind ja nun im Gegenteil das Parade-Beispiel dafür, wie man sich als Kellner, Hotelier oder Verkäuferin in einem Warenhaus trotzig dem Englischen verschließt, selbst wenn ausländische Kunden kein Französisch sprechen: „Quoi?“ Man wird in Frankreich oft den Verdacht nicht los: Die könnten schon auf Englisch, sie wollen oder trauen sich bloß nicht.

Ein erzkonservativer Wink mit der Leitkultur?

Das Phänomen, das Spahn ja eigentlich meint, ist, dass die Bedienung dem Kunden in Deutschland nicht mit Deutsch dienen kann. Das findet er blöd, denn in Deutschland könne das Zusammenleben nur gelingen, wenn alle auch Deutsch sprechen. „Das sollten und dürfen wir von jedem Zuwanderer erwarten“, sagt Spahn.

Ist das nun schon wieder ein erzkonservativer Wink mit der Leitkultur? Wird hier das welt-offene Berlin als integrationsfeindlich abgekanzelt? Alles nur, um Wählerstimmen im Kreise der ostdeutschen Leute 50+ abzufischen, die dank ihrer gen Ostblock orientierten Schulbildung mit Russisch als erster Fremdsprache sich in ihrem Berlin-Mitte vorkommen, wie in einem fremden Land, wo man nur mit Pantomime weiterkommt?

Das ist doch egal. Sehen wir es doch einmal ganz nüchtern aus der Verbrauchersicht. Was ist guter Service?

Viele Restaurants mit tollem Ambiente und exzellenter Küche gehen wieder ein, weil der Service nichts taugt. Weil man denkt: Die Bedienung passt nicht zu den Preisen. Eine Viertelstunde aufs Bier gewartet: kein guter Service. „Nicht mein Tisch“: kein guter Service.

Aber in jedem Fall könnte man natürlich entgegnen: „I'm feeling so sorry for you. Poor guy.“ Wer sich aufregt über Dinge, die kein Atomkrieg sind, ist demnach ein Spießer.

Gute Dienstleister wischen die Bedenken der Kunden allerdings nicht so überheblich beiseite. Sie werden hellhörig. Und lesen den Kunden jeden Wunsch von den Lippen ab. Was aber, wenn das Personal die Sprache der Kundschaft nicht versteht?

Viele Kellner in den Urlaubsregionen in Italien, Spanien und anderen schönen Ländern Europas mit vielen deutschen Gästen haben Deutsch seit Jahrzehnten drauf. Notgedrungen. Dem Umsatz zuliebe. Das nennt man Marketing. Weil sich viele Kunden dadurch sicherer und damit geborgener fühlen. Und wer sich im Gespräch mit dem Personal wohl fühlt, bestellt im Zweifel mehr.

Diese Erkenntnis greift im Heimatland der Gäste erstrecht. Dort fühlt es sich für viele sicherlich besonders befremdlich an, plötzlich nicht mehr mit der eigenen Muttersprache weiterzukommen.

Kein Berliner Dönerbuden-Betreiber in guter Lage könnte es sich deshalb erlauben, seine deutschsprachigen Kunden ihre Dürüms nur mit Händen und Füßen bestellen zu lassen, weil hinterm Tresen alle nur Türkisch sprechen. Kunden würden sich denken: Der ist wohl nur für seine Landsleute da. Das wäre aus Dienstleistersicht verheerend.

Gastronomen sollten keine Unbehaglichkeit bereiten

Und so geht es eben vielen auch mit Englisch. Nicht Frau Seifert, die ist ja sehr gebildet und bestellt wahrscheinlich sogar ihre Brötchen bei Kamps auf Englisch. Aber nehmen wir mal meine Mutter: Die hatte auch Englisch in der Schule und kann sich ganz gut auf Englisch unterhalten. Aber so plötzlich von null auf 100 auf Englisch umzuschalten, nur weil der Kellner sich nicht zu Deutsch durchringen kann, fühlt sich für sie unbehaglich an. Wie überrannt. Aber Unbehaglichkeit ist nicht gerade das Gefühl, das ein guter Gastronom seinen Gästen bereiten sollte, wenn er auf Stammkunden aus ist.

Das sollten Expats beachten

Und das gilt etwa auch für Verkäufer und Friseure. In der Alten Schönhauser Straße in Berlin arbeitet seit Jahren ein junger Friseur aus Italien, der ist bis heute nicht in der Lage zu verstehen, wenn Kunden ihm auf Deutsch erklären, wie sie ihre Haare geschnitten haben wollen. Seine Kollegen flüstern über ihn: „Der hat's mehr mit Haaren, nicht so mit Wörtern.“ Gut, der Haarschnitt kostet da auch nur 15 Euro. Aber beim japanisch geführten Salon nebenan das gleiche Bild - allerdings für 35 Euro.

Ein Kollege von mir, der einige Zeit in den USA gelebt hat und fließend Englisch spricht, sagt: „Ich finde es da beim Friseur in Mitte irgendwie seltsam. Mir fällt eben nicht immer sofort ein, was durchstufen, ausdünnen, Seitenscheitel, Geheimratsecke und Wirbel auf Englisch heißt. Ich bin ja schon froh, wenn mir da das deutsche Wort einfällt.“ Und er geht da nicht mehr hin.

„Oh. You don't like German?“

Wäre es also nicht gut fürs Geschäft, der Friseurmeister würde seinen Angestellten mal eine Liste mit den wichtigsten zwei, drei Dutzend Fachwörtern plus Begrüßung und Verabschiedung zusammenstellen? „Pauken bis Ende des Monats. Ich frag das ab.“

Kellner, die nach Monaten in einem und demselben Job in einem und demselben Café schon bei der Bestellung „ein Kaffee und ein Stück Pflaumenkuchen mit Sahne bitte“ zurückbellen „English please“, als hätte ich sie gerade rüde gedemütigt, die frage ich manchmal zurück: „Oh. You don't like German?“ Nur, um sie ein bisschen ins Rudern zu bringen. Eine Freundin macht dann gerne ein bisschen Smalltalk: „How long have you been living here?“ - „For three years.“ - „Oh really?“ Wer nach so langer Zeit hier kein Deutsch lernen will, der sollte seine Wissenslücke nicht auch noch anerkennend als international lifestyle durchgewinkt bekommen.

Hallo. Guten Tag. Bitte schön? Sehr gerne. Tee, Rührei, Sandwich mit Käse, ich empfehle dazu den Riesling aus Baden, ich komme gleich, der Tisch ist leider reserviert, die Toiletten sind hinten links, hat es geschmeckt, wollen Sie die Nachtischkarte haben? Ich frage mal in der Küche, ob Speck drin ist. Der Zander wird auf der Haut gebraten. Tiramisu ist aus. Und in Berlin ganz wichtig: Nein, nur in bar.

Die Kunden müssen Verständnis haben

Es reicht ja das Wesentliche. Gerne mit Fehlern und schön viel Akzent. Aber viele scheitern schon an einem Danke. Dienstleister sollten sich klar machen: Auch, wenn die allermeisten Kunden problemlos auf Englisch kompensieren, was ihre Angestellten auf Deutsch nicht bieten können - es bleibt ein Hauch von „die können da was nicht“. Es wirkt oft etwas unbeholfen. Die Kunden müssen Verständnis haben. Nicht, dass die sich deshalb tot ärgern. Die meisten nehmen es hin. Dienstleister, denen diese Servicelücke egal ist, müssen es sich aber zumindest leisten können, auf all jene Kunden zu verzichten, die sich mit spontanem Englisch einfach unwohl fühlen. Das geht sicherlich gut in Expat-Cafés, auf Start-up-Events und am Touristen-Hotspot Checkpoint Charlie. Dort sind die Leute aus aller Welt auf Englisch eingestellt. Doch sonst?

Und letztendlich: Wer erobert die Herzen seiner Kunden leichter, als jemand, der sich nicht zu schade ist zu zeigen, dass er sich zumindest bemüht. Zur Not gibt es ja noch diesen einen wichtigen Satz: „Bitte sprechen Sie langsamer, denn ich lerne gerade Deutsch.“

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