Werner knallhart

Teure, schwere Schulranzen: So sät man Hass auf Bücher

Mit Rückenschmerzen Ranzen schleppen. Da hängt Kindern die Schule schon vor der ersten Stunde zum Hals raus. Und die Eltern weinen über die unfassbar teuren Tornister. Wie wäre es statt dessen mit Tablets?

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Tablets statt schwerer Tornister!? Quelle: dpa

Der Schulranzen, der Tornister. Was hat sich da in den vergangenen Jahren designerisch und technisch getan?

Ich erinnere mich noch meine Schulzeit. Wer etwas auf sich hielt, der hatte in der Grundschule einen Scout. Den gab es in blau, der war der Beste (den hatte ich), der hieß Marine und hatte einen Delfin im Logo. Dann gab einen schwarzen. Den hatte fast keiner, nur Leute mit Jeansjacke oder Leute, die den schwarzen von ihren Rocker-Brüdern geerbt hatten. Panther hieß der.

Dann gab es den olivgrünen. Den hatte mein bester Freund. Der hieß Marco. Und der Ranzen hieß Ranger. Wir sprachen das deutsch aus. Irgendjemand sagte mal: „Vollidiot, das wird Räjndschä ausgesprochen.“ Ich nannte ihn trotzdem Ranger. Donald Duck hieß ja auch nicht Donnld Dack, sondern Duck.

Der rote Scout Alpine war das Mädchen-Standard-Modell. Dann gab es den noch in gelb, aber das war ja damals in den 80ern nicht ernst zu nehmen. Da hätte man ja gleich mit einem Amigo-Ranzen oder einem von Mc Neill zur Schule kommen können.

Dann kamen irgendwann kunterbunte Scouts. Und heute? Heute kommt ein Scout daher wie ein Karnevals-Kostüm mit Reflektor-Streifen nach DIN 58124. Aber gut, das betroffene Kind sieht sich so natürlich schneller satt an den verrückten Lokomotiv-Schmetterling-UFO-Pferde-Motiven und quengelt nach kürzester Zeit nach dem neuesten Muster der Saison. Kaufmännisch clever. Aber eine Zumutung für die Eltern.

Der erste Scout kostete damals in den 70er-Jahren 49 Mark. Neulich lief ich an einem Kaufhof-Fenster vorbei. „Scout Rucksack Modell Buddy 155 Euro“. WHAAAT?! Für das Geld kann man heutzutage 14 Tage Urlaub in einem türkischen Luxus-Ressort machen!

„Könnt ihr euch aussuchen, Kinder: Entweder Urlaub in den Sommerferien oder einen Scout.“

Ich guckte auf der Website von Scout, was diesen stattlichen Preis rechtfertigen könnte:

  • mit atmungsaktivem Mesh gepolsterte S-förmige Tragegurte

  • körpergerecht geformtes Rückenpolster, konstruiert auf der Basis von 600 Rückenprofilen von Kindern zwischen 6 und 10 Jahren

  • unterteiltes Innenfach für rückenfreundliches Packen

Das alles klingt nach einer Fallschirmspringer-Ausrüstung. Und Achtung:

„Separat erhältlich: Brust- und Hüftgurt für noch mehr Tragekomfort.“

Brust- und Hüftgurt! Sowas braucht man für gewöhnlich, wenn man sich seinen Trekking-Rucksack mit Klamotten für zehn Tage und Gaskocher und Schlafsack und Zelt auf den Rücken knotet, um ans Nordkap zu wandern.

Aber eben auch, wenn man neun Jahre alt ist und seine Schulbücher in die Schule schleppen muss. Offenbar muss dieses Hightech aber sein.

In den 80ern hatte das größere der beiden Scout-Modelle eine im Griff eingebaute Waage. Dort konnte man messen, wie schwer der Ranzen war. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Waage jemals unter der Maximal-Anzeige blieb. Der Ranzen war immer pickepacke-voll. Da half auch keine Waage.

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