Werner knallhart

Die drei fiesesten Totschlag-Argumente

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Totschlag-Argument 2: "Wo kommen wir denn da hin?"

So abgedroschen es klingt: Dieses Argument ist das Totschlag-Argument aller konservativen Bewahrer. Denn scheinbar alles, was neu ist, droht zu eskalieren.

Beispiel: die saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer. Sie lehnt die Gleichstellung der Ehe zwischen Homosexuellen mit der Ehe zwischen Heterosexuellen ab und zwar mit dem Dammbruch-Argument: Dann „sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen.“

Das eine nicht wollen, weil dann automatisch etwas anderes droht. Dieses Argument ist so unfair wie effektiv. Man lehnt einen Standpunkt ab, in dem man ein ganz anderes Szenario an die Wald malt und das dann ablehnt. Der Gegner läuft dann Gefahr, sich in seiner Verteidigung auf das neue Szenario einzuschießen, und damit in die Falle zu tappen. Dieser Trick lässt sich universell anwenden:

„Erst wird in Kneipen das Rauchen verboten, und als nächstes der Alkohol.“

„Wenn Leute auf kommunaler Ebene ab 16 wählen dürfen, dann wählen die bald mit 14 im Bund.“

„Wenn wir auf Landstraßen Tempo 80 einführen, was kommt als nächstes? 30 innerorts?“

Mein Lieblings-Konter: „Mit diesem Argument hätte man damals auch niemals das Tempolimit 100 einführen dürfen. Denn es besteht bei jeder Obergrenze die Option, sie irgendwann zu verändern.“

Etwas nicht zu ändern, weil danach irgendwann weitere Änderungen anstehen könnten, verdammt einen zu ewigem Nichtstun. So kommt das Saarland nie aus dem Quark.

Totschlag-Argument 3: Der Vorwurf mit dem General-Verdacht

Wenn Dinge krumm laufen, liegt es oft an uns. Nennen wir es menschliches Versagen. Weil aber nicht immer alle Menschen versagen, sondern meist nur einzelne, kommt es darauf an, dieses einzelne Versagen aufzuspüren und rechtzeitig zu verhindern.

Beispiel: Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine wurde darüber diskutiert, ob man Piloten künftig zu regelmäßigen psychologischen Tests schicken sollte, die über das bisher Übliche hinausgehen. Aber das wollten viele Piloten nicht. Das Argument: Das stelle die Piloten unter einen General-Verdacht. Hä?

Keiner unterstellt, dass Piloten allesamt krank seien. Es geht darum, die wenigen zu finden, denen es nicht gut geht, um Katastrophen zu verhindern.

Auch Video-Überwachung auf öffentlichen Plätzen wird von vielen in der Politik mit dem Argument abgelehnt, dies stelle die Bevölkerung unter General-Verdacht. Warum? Es gibt doch bessere Argumente: Einschränkung der Freiheit, weil ja nicht mehr jeder unentdeckt durch die Gegend laufen kann, da ist zweifellos was dran. Aber ein Generalverdacht gegenüber jedem, der vor die Kamera flaniert, besteht ja nun wirklich nicht.

Wie man Debatten gewinnt
Zwei Personen sitzen an einem Rednerpult Quelle: Fotolia
Ein Schild weist auf einen Kreisverkehr hin Quelle: Fotolia
Eine Frau und ein Mann im Gespräch Quelle: Fotolia
Ein wütender Mann ballt die Fäuste Quelle: Fotolia
Zwei Männer betrachten ein Flip-Chart Quelle: Fotolia
Ein Mann hält den Daumen nach oben Quelle: Fotolia
Ein Mann hält die Hand als Stop-Symbol nach oben Quelle: Fotolia

Wenn man Flüchtlinge nach ihrer Einreise mit Fingerabdruck registriert, dann ist das nicht Ausdruck eines General-Verdachts, jeder Migrant wolle Leistungen erschleichen oder Straftaten begehen. Sondern das ist eine Routine, um schwarze Schafe aufzuspüren.

Wenn man fordert, alle Autofahrer ab 75 Jahren zu einem Eignungs-Test zu schicken, stellt das nicht alle Senioren unter Generalverdacht, sondern man will jene aus dem Verkehr ziehen, die wirklich nicht mehr Herr der Lage sind, was mit steigendem Alter nachweislich wahrscheinlicher wird.

Wenn man am Geldautomaten seine PIN eingeben muss, wird damit nicht jedem Kunden pauschal unterstellt, man sei ein Bankräuber oder Betrüger.

Mit dem General-Verdachts-Argument zieht man schnell die Massen auf seine Seite. Denn welcher unbescholtene Bürger will plötzlich als potenzieller Täter im Fokus stehen? Der beste Konter: „Um die Nadel im Heuhaufen zu finden, muss man das Heu eben wenden. Trotzdem geht es nicht ums Heu.“

Oder Sie kürzen das ganze Gerede ab frei nach Otto:

„Ich könnte Ihnen noch viele Argumente nennen, wenn ich nur welche wüsste.“

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